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Urheberrecht
Europäischer Gerichtshof, Beschluss vom 21.10.2014, AZ: C‑348/13 - Framing II -BestWater
Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)
21. Oktober 2014(*)
„Vorabentscheidungsersuchen – Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Informationsgesellschaft – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte – Art. 3 Abs. 1 – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Internetlinks, die Zugang zu geschützten Werken vermitteln – Verwendung der Framing-Technik“
In der Rechtssache C‑348/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juni 2013, in dem Verfahren
BestWater International GmbH
gegen
Michael Mebes,
Stefan Potsch
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Neunten Kammer, des Richters M. Safjan und der Richterin A. Prechal,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
2 Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der BestWater International GmbH (im Folgenden: BestWater International) einerseits und Herrn Mebes und Herrn Potsch andererseits wegen der Einbettung anklickbarer Links auf den von den Letztgenannten betriebenen Websites, die sich der Framing-Technik bedienen und mit deren Hilfe der Internetnutzer zu einem Film geleitet wurde, an dem BestWater International die ausschließlichen Nutzungsrechte zustanden.
Rechtlicher Rahmen
3 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
4 BestWater International beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Wasserfiltersystemen. Zu Werbezwecken ließ sie einen etwa zwei Minuten langen Film zum Thema Wasserverschmutzung herstellen, an dem ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen. Zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt war dieser Film auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar. BestWater International macht jedoch geltend, dass er dort ohne ihre Zustimmung eingestellt worden sei.
5 Herr Mebes und Herr Potsch sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit BestWater International im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eine eigene Website, auf der sie für die von ihrem Kunden vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Websites, den von BestWater International hergestellten Film über einen Internetlink im Wege des so genannten Framings abzurufen. Bei einem Klick auf diesen Link erschien der Film, der von der vorgenannten Videoplattform stammte, in einem auf den Websites von Herrn Mebes und Herrn Potsch erscheinenden Rahmen („Frame“), wodurch der Eindruck erweckt wurde, dass er von diesen Websites aus gezeigt werde.
6 Da BestWater International der Ansicht war, dass Herr Mebes und Herr Potsch den Film ohne ihre Erlaubnis öffentlich zugänglich gemacht hätten, verklagte sie diese auf Unterlassung der Verbreitung des Films und verlangte von ihnen Schadensersatz sowie die Erstattung von Abmahnkosten.
7 Nachdem Herr Mebes und Herr Potsch hinsichtlich der Verbreitung des Films eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatten, erklärten die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt. Den übrigen Anträgen von BestWater International hingegen gab das erstinstanzliche Gericht statt und verurteilte die im Ausgangsverfahren Beklagten, an BestWater International jeweils 1 000 Euro Schadensersatz zu zahlen und ihr jeweils Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 Euro zu erstatten. Das erstinstanzliche Gericht erlegte Herrn Mebes und Herrn Potsch außerdem die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des erledigten Teils der Klage auf.
8 Das von Herrn Mebes und Herrn Potsch angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung ab und verteilte die Kosten für den erledigten Klageantrag hälftig auf die Parteien. Die übrigen Klageanträge von BestWater International hingegen wies es ab.
9 BestWater International legte gegen diese Entscheidung Revision beim Bundesgerichtshof ein.
10 Im Rahmen der Prüfung der Revision stellte das vorlegende Gericht u. a. fest, dass in einem Fall, in dem ein Werk bereits Gegenstand einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 gewesen sei, eine neue Wiedergabehandlung unter Verwendung des gleichen technischen Verfahrens nur dann als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der genannten Vorschrift eingestuft werden könne, wenn diese Handlung vor einem neuen Publikum stattfinde. Daher habe die von Herrn Mebes und Herrn Potsch vorgenommene Einfügung eines Links zu dem von BestWater International hergestellten Film, um die es im Ausgangsverfahren gehe, keine Wiedergabe für ein neues Publikum bewirkt, da dieser Film bereits auf einer Videoplattform frei zugänglich gewesen sei. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass sich die betreffenden Links der Framing-Technik bedienten. Diese Technik ermögliche es dem Betreiber einer Website, sich ein Werk zu eigen zu machen, ohne dieses jedoch kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Daraus leitet das vorlegende Gericht die Frage ab, ob es nicht doch gerechtfertigt wäre, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verlinkung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 anzusehen.
11 Unter diesen Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
Zur Vorlagefrage
12 Gemäß Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.
13 Diese Bestimmung ist auf das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen anwendbar.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es nämlich für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (vgl. in diesem Sinne Urteil SGAE, C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 40 und 42, Beschluss Organismos Sillogikis Diacheirisis Dimiourgon Theatrikon kai Optikoakoustikon Ergon, C‑136/09, EU:C:2010:151, Rn. 38, sowie Urteil ITV Broadcasting u. a., C‑607/11, EU:C:2013:147, Rn. 39).
15 Was speziell die Fallgestaltung betrifft, bei der ein Dritter auf einer Website ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Website frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks einstellt, hat der Gerichtshof in Rn. 24 des Urteils Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76) entschieden, dass eine solche Wiedergabehandlung, da sie sich desselben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Website verwendet wurde, nur dann als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 einzustufen ist, wenn die Handlung gegenüber einem neuen Publikum erfolgt.
16 Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Svensson u. a., EU:C:2014:76, Rn. 25 bis 28).
17 In den Rn. 29 und 30 des Urteils Svensson u. a. (EU:C:2014:76) hat der Gerichtshof klargestellt, dass diese Feststellung nicht durch den Umstand in Frage gestellt wird, dass das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es von der Website aus gezeigt wird, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Website entstammt. Dieser Umstand ist im Wesentlichen das Charakteristikum der Framing-Technik, die im Ausgangsverfahren streitig ist und darin besteht, dass eine Internetseite eines Webauftritts in mehrere Rahmen unterteilt wird und in einem dieser Rahmen mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks (Inline Linking) ein einer anderen Website entstammender Bestandteil angezeigt wird, damit den Nutzern dieses Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Bestandteils verborgen bleibt.
18 Zwar kann diese Technik, wie das vorlegende Gericht feststellt, verwendet werden, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Unbeschadet dessen führt aber ihre Verwendung nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben.
19 In Anbetracht dessen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.
Kosten
20 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.
Unterschriften
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.01.2014, AZ: I ZR 169/12
a) Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlasse- nen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
b) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (Anschluss an BGH, Ur- teil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 - Morpheus).
c) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 - Morpheus).
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 169/12
UrhG § 97 Abs. 1 Satz 1
in dem Rechtsstreit
Verkündet am: 8. Januar 2014
BearShare
BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12 - OLG Köln LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. November 2010 abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben die Klägerinnen jeweils 1/4 zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen jeweils selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind vier führende deutsche Tonträgerhersteller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzugangs. In seinem Haushalt leben auch seine Ehefrau und deren volljähriger Sohn.
Die Klägerinnen ließen den Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 30. Januar 2007 abmahnen; sie behaupteten, am 12. Juni 2006 seien über sei- nen Internetanschluss 3.749 Musikaufnahmen, an denen sie die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden. Der Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tauschbörsenprogramm „BearShare“ Musik auf seinen Computer heruntergeladen. Die Klägerinnen haben den Beklagten - soweit noch von Bedeutung - auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat vorgetragen, er sei für die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musikdateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Köln, ZUM-RD 2011, 111). Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerinnen 2.841 € zu zahlen (OLG Köln, ZUM 2012, 583). Auf die Verfassungsbeschwerde des Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BVerfG, GRUR 2012, 601 = WRP 2012, 702). Das Berufungsgericht hat den Beklagten erneut zur Zahlung von 2.841 € verurteilt (OLG Köln, Urteil vom 17. August 2012 - 6 U 208/10, juris). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der von den Klägerinnen erhobene Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe von 2.841 € nebst Zinsen begründet. Dazu hat es ausgeführt: Die Klägerinnen seien berechtigt gewesen, den mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Sie hätten hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sie Inhaber der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Musiktiteln seien. Der Beklagte sei für die Verletzung der urheberrechtlich geschützten Rechte an den Musiktiteln verantwortlich. Er hafte zwar nicht als Täter. Die Klägerinnen hätten keinen Beweis für ihre Behauptung erbracht, der Beklagte selbst habe die Musikdateien zum Herunterladen angeboten. Er hafte jedoch als Störer. Er habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, die Gefahr geschaffen, dass dieser an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilnehme. Es sei ihm daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Dem stehe nicht entgegen, dass sein Stiefsohn bereits volljährig gewesen sei. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe. Dem Anspruch der Klägerinnen stehe nicht entgegen, dass sie in der Abmahnung allein auf die Haftung des Beklagten als Täter und nicht auch als Störer abgestellt hätten. Auch die Einrede der Verjährung und der Einwand des Rechtsmissbrauchs hätten keinen Erfolg. Die Klageforderung sei allerdings nur in Höhe von 2.841 € begründet, weil lediglich ein Streitwert von 280.000 € zugrunde gelegt werden könne und daher nur eine 1,3-fachen Geschäftsgebühr von 2.821 € zuzüglich Kostenpauschale von 20 € geschuldet sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten hat Er-folg. Der von den Klägerinnen erhobene Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung einer Urheberrechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB) gegeben sein kann (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 10 = WRP 2008, 1449 - Clone-CD). Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für Abmahnungen, die auf Grundlage des Urheberrechtsgesetzes ausgesprochen werden, ist zwar mittlerweile durch die am 1. September 2008 in Kraft getretene und mit Wirkung zum 9. Oktober 2013 geänderte Regelung des § 97a UrhG ausdrücklich im Urheberrechtsgesetz geregelt. Diese Regelung ist jedoch auf die hier zu beurteilende Abmahnung vom 30. Januar 2007 nicht anwendbar.
2. Ein auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten setzt voraus, dass die Abmahnung berechtigt war und dem Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der Beklagte haftet den Klägerinnen nicht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf Unterlassung, weil er für eine Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte an den in Rede stehenden Musikaufnahmen nicht verantwortlich ist.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte nicht als Täter haftet.
aa) Die Klägerinnen tragen nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberechtsverletzung als Tä- ter verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus).
bb) Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung be- gangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 und 13 - Sommer unseres Lebens) oder - wie hier - bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 33 f. - Morpheus).
cc) Den Beklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 12 - Sommer unseres Lebens); dieser hat er jedoch entsprochen.
(1) Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - I ZR 140/10, GRUR 2012, 602 Rn. 23 = WRP 2012, 721 - Vorschaubilder II, mwN). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen den primär darlegungsbelasteten Klägerinnen und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses erfüllt.
(2) Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinha- bers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; Beschluss vom 4. November 2013 - 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013, 67, 68; LG München I, MMR 2013, -7- 19 20 21 22 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH, Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München I, MMR 2013, 396).
(3) Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, der in seinem Haushalt lebende 20-jährige Sohn seiner Ehefrau habe die Dateien von dem in seinem Zimmer stehenden Computer zum Herunterladen bereitgehalten.
dd) Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 35 - Morpheus). Das Berufungsgericht hat angenommen, nach den von den Klägerinnen aufgezeigten Umständen könne nicht mit hinrei- chender Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der Beklagte selbst die Musikaufnahmen zum Herunterladen angeboten habe. Diese tatrichterliche Be- urteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte aber auch nicht als Störer wegen von seinem Stiefsohn begangener Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung.
aa) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 41 - Morpheus; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 216/11, GRUR 2013, 1229 Rn. 34 = WRP 2013, 1612 - Kinderhochstühle im Internet II, mwN).
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Internetanschluss zur ungestörten Nutzung über einen in dessen Zimmer stehenden Computer zur Verfügung gestellt habe, die nicht fernliegende Gefahr geschaffen, dass dieser an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilnimmt. Dem Beklagten sei es daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung unmissverständlich und eindringlich über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Dem stehe nicht entgegen, dass sein Stiefsohn bereits volljährig gewesen sei. Der Beklagte habe nicht ohne Weiteres annehmen können, seinem Stiefsohn sei während der etwa zwei Jahre seiner Volljährigkeit anderweitig bekannt geworden, dass die Bereitstellung von Musikdateien zum Herunterladen urheberrechtswidrig sei. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe. Er habe in erster Instanz lediglich auf die mangelnde Möglichkeit der Kontrolle des Rechners seines Stiefsohnes verwiesen. Sein Vorbringen in der Berufungsbegründung, man habe in der Familie über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen gesprochen und deutlich gemacht, dass die illegale Nutzung solcher Tauschbörsen unterbleiben müsse, sei verspätet gewesen und daher nicht zu berücksichtigen; im Übrigen lasse sich diesem pauschalen Vorbringen nicht entnehmen, dass der Beklagte seinem Stiefsohn die rechtswidrige Teilnahme an Tauschbörsen mit der nötigen Unmissverständlichkeit und Eindringlichkeit untersagt habe.
cc) Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Entgegen der An- sicht des Berufungsgerichts war es dem Beklagten nicht zuzumuten, seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend belehrt haben sollte.
(1) Der Senat hat zwar entschieden, dass der Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 - Sommer unseres Lebens). Diese Entscheidung ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 42 - Morpheus). (2) Der Senat hat ferner entschieden, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus). Auch diese Entscheidung ist nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienmitglied zur Verfügung stellt, über das er nicht kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht verpflichtet ist und das auch nicht wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf.
(3) Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Ver-hinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (hierzu Rn. 22). Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das - auch grundrechtlich geschützte (Art. 6 Abs. 1 GG) - besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen, darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Überlassung des Internetanschlusses durch einen Ehepartner an den anderen Ehepartner (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; GRUR-RR 2013, 246; OLG Köln, WRP 2011, 781; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 - 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; Rathsack, jurisPR-ITR 25/2012 Anm. 4 unter D; ders., jurisPR-ITR 12/2013 Anm. 5 unter D; ders., jurisPR-ITR 19/2013 Anm. 2 unter C; Härting in Internet- recht, 5. Aufl., Rn. 2255). Sie gelten vielmehr auch für die - hier in Rede stehende - Überlassung des Internetanschlusses durch Eltern oder Stiefeltern an ihre volljährigen Kinder oder Stiefkinder (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 - 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; LG Hamburg, Verfügung vom 21. Juni 2012 - 308 O 495/11, juris Rn. 4; Rathsack, jurisPR-ITR 19/2013 - 12 - 29 30 Anm. 2 unter C; Solmecke, MMR 2012, 617, 618; Härting in Internetrecht aaO Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; WRP 2012, 1148; MMR 2012, 184, 185; vgl. auch Rauer/Pfuhl, K&R 2012, 532, 533). Ob und inwieweit diese Grundsätze bei einer Überlassung des Internetanschlusses durch den Anschlussinhaber an andere ihm nahestehende volljährige Personen wie etwa Freunde oder Mitbewohner entsprechend gelten, kann hier offenbleiben (für eine entsprechende Anwendung OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 - 20 U 63/12, juris Rn. 29; Härting in Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2010, 396, 398). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerinnen der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen und die Klägerinnen einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz haben (Art. 19 Abs. 4 GG). Diese Grundrechte, die nach Art. 19 Abs. 3 GG auch den Klägerinnen als inländischen juristischen Personen zustehen, sind nicht dadurch verletzt, dass den Beklagten im Zusammenhang mit Verletzungshandlungen eines volljährigen Familienmitglieds im Streitfall keine Haftung als Täter, Teilnehmer oder Störer trifft. Gesichtspunkte, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichts- hof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV rechtfertigen könnten, sind von den Parteien nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Beklagten aufzuheben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil des Beklagten erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist auf die Berufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
Büscher Pokrant Kirchhoff Koch Löffler
Vorinstanzen: LG Köln, Entscheidung vom 24.11.2010 - 28 O 202/10 - OLG Köln, Entscheidung vom 17.08.2012 - 6 U 208/10 -
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.02.2014, AZ: C‑466/12 - Framing I - Svensson
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
13. Februar 2014(*)
„Vorabentscheidungsersuchen – Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Informationsgesellschaft – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte – Art. 3 Abs. 1 – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Internetlinks (‚anklickbare Links‘), die geschützte Werke zugänglich machen“
In der Rechtssache C‑466/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 18. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Oktober 2012, in dem Verfahren
Nils Svensson,
Sten Sjögren,
Madelaine Sahlman,
Pia Gadd
gegen
Retriever Sverige AB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters S. Rodin,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Herrn Svensson, Herrn Sjögren und Frau Sahlman, vertreten durch O. Wilöf, förbundsjurist,
– von Frau Gadd, vertreten durch R. Gómez Cabaleiro, abogado, und M. Wadsted, advokat,
– der Retriever Sverige AB, vertreten durch J. Åberg, M. Bruder, und C. Rockström, advokater,
– der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, F. X. Bréchot und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und J. Enegren als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Svensson, Herrn Sjögren, Frau Sahlman und Frau Gadd auf der einen und der Retriever Sverige AB (im Folgenden: Retriever Sverige) auf der anderen Seite über eine Entschädigung, die ihnen als Ausgleich für den Schaden geschuldet sei, der ihnen dadurch entstanden sein soll, dass auf die Internetseite dieses Unternehmens anklickbare Internetlinks („Hyperlinks“) gesetzt worden seien, die auf Presseartikel verwiesen, an denen ihnen das Urheberrecht zustehe.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an. Dieser wurde durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.
Nach Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags müssen die Vertragsparteien den Art. 1 bis 21 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) nachkommen.
Berner Übereinkunft
Art. 20 („Sonderabkommen zwischen Verbandsländern“) der Berner Übereinkunft bestimmt:
„Die Regierungen der Verbandsländer behalten sich das Recht vor, Sonderabkommen miteinander insoweit zu treffen, als diese den Urhebern Rechte verleihen, die über die ihnen durch diese Übereinkunft gewährten Rechte hinausgehen, oder andere Bestimmungen enthalten, die dieser Übereinkunft nicht zuwiderlaufen. Die Bestimmungen bestehender Abkommen, die den angegebenen Voraussetzungen entsprechen, bleiben anwendbar.“
Unionsrecht
In den Erwägungsgründen 1, 4, 6, 7, 9 und 19 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(1) Der Vertrag sieht die Schaffung eines Binnenmarkts und die Einführung einer Regelung vor, die den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verzerrungen schützt. Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte trägt zur Erreichung dieser Ziele bei.
…
(4) Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substanzielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. …
…
(6) Ohne Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene könnten Gesetzgebungsinitiativen auf einzelstaatlicher Ebene, die in einigen Mitgliedstaaten bereits in die Wege geleitet worden sind, um den technischen Herausforderungen zu begegnen, erhebliche Unterschiede im Rechtsschutz und dadurch Beschränkungen des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Produkten mit urheberrechtlichem Gehalt zur Folge haben, was zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts und zu rechtlicher Inkohärenz führen würde. Derartige rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten werden sich im Zuge der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft, in deren Gefolge die grenzüberschreitende Verwertung des geistigen Eigentums bereits stark zugenommen hat, noch stärker auswirken. Diese Entwicklung wird und sollte fortschreiten. Erhebliche rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten in Bezug auf den Rechtsschutz können die Erzielung von Größenvorteilen für neue Produkte und Dienstleistungen mit urheber- und leistungsschutzrechtlichem Gehalt beschränken.
(7) Der bestehende Gemeinschaftsrechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ist daher anzupassen und zu ergänzen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Zu diesem Zweck sollten diejenigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat beträchtlich unterscheiden oder eine derartige Rechtsunsicherheit bewirken, dass der Binnenmarkt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt und die Informationsgesellschaft in Europa in ihrer Entwicklung behindert wird, angepasst und uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber technischen Entwicklungen vermieden werden, während Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, nicht beseitigt oder verhindert zu werden brauchen.
…
(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. …
…
(19) Die Urheberpersönlichkeitsrechte sind im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und den Bestimmungen der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst, des WIPO-Urheberrechtsvertrags und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger auszuüben. …“
Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
…
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Die Kläger des Ausgangsverfahrens, sämtlich Journalisten, verfassten Presseartikel, die zum einen in der Zeitung Göteborgs-Posten und zum anderen auf der Internetseite derGöteborgs-Posten veröffentlicht wurden. Retriever Sverige betreibt eine Internetseite, auf der für ihre Kunden nach deren Bedarf Listen von anklickbaren Internetlinks zu auf anderen Internetseiten veröffentlichten Artikeln bereitgestellt werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Artikel auf der Seite der Zeitung Göteborgs-Posten frei zugänglich waren. Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens ist es für den Kunden bei Anklicken eines dieser Links nicht klar zu erkennen gewesen, dass er auf eine andere Seite weitergeleitet wurde, um zu dem Werk zu gelangen, das ihn interessiert. Demgegenüber ist es nach Auffassung von Retriever Sverige für den Kunden klar erkennbar, dass er durch Anklicken eines dieser Links auf eine andere Seite verwiesen wird.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben beim Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) Schadensersatzklage gegen Retriever Sverige mit der Begründung, dass dieses Unternehmen ohne ihre Erlaubnis einige ihrer Artikel genutzt habe, indem es sie seinen Kunden zugänglich gemacht habe.
Mit Urteil vom 11. Juni 2010 wies das Stockholms tingsrätt ihre Klage ab. Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten daraufhin gegen dieses Urteil beim Svea hovrätt (Rechtsmittelgericht Svea) Rechtsmittel ein.
Vor diesem Gericht machten sie insbesondere geltend, dass Retriever Sverige ihr ausschließliches Recht, ihre jeweiligen Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, insoweit verletzt habe, als deren Kunden durch die auf deren Internetseite angebotenen Dienste Zugang zu ihren Werken verschafft worden sei.
Retriever Sverige verteidigt sich damit, dass die Bereitstellung von Listen von Internetlinks zu Werken, die auf anderen Internetseiten öffentlich wiedergegeben würden, keine urheberrechtlich relevante Handlung darstelle. Retriever Sverige führt weiter aus, es liege keine Weitergabe irgendwelcher geschützten Werke durch sie vor; sie weise ihre Kunden lediglich auf Internetseiten hin, auf denen die Werke, die sie interessierten, zu finden seien.
Unter diesen Umständen hat das Svea hovrätt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Liegt eine öffentliche Wiedergabe eines bestimmten Werkes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vor, wenn ein anderer als der Inhaber des Urheberrechts an diesem Werk auf seiner Internetseite einen anklickbaren Link zu diesem Werk bereitstellt?
2. Ist es für die Beurteilung der ersten Frage von Bedeutung, ob das Werk, auf das der Link hinweist, auf einer jedermann ohne Beschränkungen zugänglichen Internetseite zu finden ist oder ob der Zugang in irgendeiner Weise beschränkt ist?
3. Ist bei der Beurteilung der ersten Frage zwischen dem Fall, in dem das Werk nach dem Anklicken des Links durch den Nutzer auf einer anderen Internetseite erscheint, und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Werk nach dem Anklicken durch den Nutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf derselben Internetseite erscheint?
4. Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen?
Zu den Vorlagefragen
Zu den ersten drei Fragen
Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu auf einer anderen Internetseite verfügbaren geschützten Werken bereitgestellt werden, wobei die betreffenden Werke auf dieser anderen Seite frei zugänglich sind.
Hierzu ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes vom Inhaber des Urheberrechts erlaubt werden muss.
Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe hat nach dieser Bestimmung somit zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werkes und seine „öffentliche“ Wiedergabe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2013, ITV Broadcasting u. a., C‑607/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 21 und 31).
Was das erste Tatbestandsmerkmal, das Vorliegen einer „Handlung der Wiedergabe“, angeht, ist diese weit zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, Slg. 2011, I‑9083, Rn. 193), um, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 4 und 9 der Richtlinie 2001/29 ergibt, für die Inhaber eines Urheberrechts ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.
Dass auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangsbeschränkung veröffentlicht sind, bietet den Nutzern der erstgenannten Seite im vorliegenden Fall direkten Zugang zu diesen Werken.
Wie aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, reicht es für eine „Handlung der Wiedergabe“ insbesondere aus, wenn ein Werk einer Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht wird, dass deren Mitglieder dazu Zugang haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diese Möglichkeit nutzen oder nicht (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, Slg. 2006, I‑11519, Rn. 43).
Daraus folgt, dass die Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne der genannten Bestimmung einzustufen ist.
Was das zweite der oben angeführten Tatbestandsmerkmale betrifft, dass das geschützte Werk tatsächlich „öffentlich“ wiedergegeben werden muss, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, dass „Öffentlichkeit“ im Sinne dieser Bestimmung eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten umfasst und zudem eine ziemlich große Zahl von Personen impliziert (Urteile SGAE, Rn. 37 und 38, sowie ITV Broadcasting u. a., Rn. 32).
Eine Handlung der Wiedergabe wie die, die der Betreiber einer Internetseite mit anklickbaren Links vornimmt, betrifft sämtliche potenziellen Nutzer der von ihm betriebenen Seite, d. h. eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten.
Deshalb ist davon auszugehen, dass dieser Betreiber eine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vornimmt.
Jedoch kann eine Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (vgl. entsprechend Urteil SGAE, Rn. 40 und 42, Beschluss vom 18. März 2010, Organismos Sillogikis Diacheirisis Dimiourgon Thetrikon kai Optikoakoustikon Ergon, C‑136/09, Rn. 38, und Urteil ITV Broadcasting u. a., Rn. 39).
Im vorliegenden Fall führt der Umstand, dass die betreffenden Werke über einen anklickbaren Link der im Ausgangsverfahren verwendeten Art zugänglich gemacht werden, nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum.
Das Zielpublikum der ursprünglichen Wiedergabe waren nämlich alle potenziellen Besucher der betreffenden Seite; da feststeht, dass der Zugang zu den Werken auf dieser Seite keiner beschränkenden Maßnahme unterlag, war sie demnach für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich.
Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten.
Mangels neuen Publikums ist deshalb für eine öffentliche Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.
Diese Feststellung kann nicht in Frage gestellt werden, wenn das vorlegende Gericht konstatieren sollte, was aus den Akten nicht eindeutig hervorgeht, dass das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf der Seite erscheint, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt.
Dieser weitere Umstand ändert nämlich nichts an der Schlussfolgerung, dass die auf einer Seite erfolgte Bereitstellung eines anklickbaren Links zu einem geschützten Werk, das auf einer anderen Seite veröffentlicht und frei zugänglich ist, bewirkt, dass dieses Werk den Nutzern der erstgenannten Seite zugänglich gemacht wird und deshalb eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Da es jedoch kein neues Publikum gibt, ist jedenfalls für eine solche öffentliche Wiedergabe keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.
Demgegenüber sind in dem Fall, in dem ein anklickbarer Link es den Nutzern der Seite, auf der sich der Link befindet, ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der Seite, auf der das geschützte Werk zu finden ist, getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, und es sich damit um einen Eingriff handelt, ohne den die betreffenden Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten, alle diese Nutzer als neues Publikum anzusehen, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten, so dass für eine solche öffentliche Wiedergabe die Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Werk auf der Seite, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, nicht mehr öffentlich zugänglich ist oder wenn es nunmehr auf dieser Seite nur einem begrenzten Publikum zugänglich ist, während es auf einer anderen Internetseite ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich ist.
Demnach ist auf die ersten drei Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
Hierzu ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 1, 6 und 7 der Richtlinie 2001/29, dass mit ihr vor allem die rechtlichen Unterschiede und Unsicherheiten rund um den Urheberrechtsschutz beseitigt werden sollen. Dürfte ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe auch andere als die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Handlungen umfasst, entstünden dadurch rechtliche Unterschiede und somit für Dritte Rechtsunsicherheit.
Deshalb würde das mit der Richtlinie 2001/29 verfolgte Ziel zwangsläufig beeinträchtigt, wenn verschiedene Mitgliedstaaten die öffentliche Wiedergabe so verstehen dürften, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen.
Nach ihrem siebten Erwägungsgrund bezweckt diese Richtlinie zwar nicht, Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, zu beseitigen oder zu verhindern. Wäre jedoch den Mitgliedstaaten die Befugnis zuzuerkennen, zuzulassen, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie hinausgehen, würde dadurch zwangsläufig das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt.
Folglich kann Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 nicht so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen darf, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den von den Klägern des Ausgangsverfahrens in ihrer schriftlichen Stellungnahme angeführten Umstand in Frage gestellt, dass die Unterzeichnerländer nach Art. 20 der Berner Übereinkunft „Sonderabkommen“ miteinander treffen können, um den Urheberrechtsinhabern Rechte zu verleihen, die über die in dieser Übereinkunft vorgesehenen Rechte hinausgehen.
Insoweit genügt der Hinweis, dass ein Mitgliedstaat vom Erlass einer unionsrechtswidrigen Maßnahme absehen muss, wenn eine Übereinkunft ihm gestattet, eine solche Maßnahme zu treffen, ohne ihn jedoch dazu zu verpflichten (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C‑277/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 62).
Da das Ziel der Richtlinie 2001/29 zwangsläufig beeinträchtigt würde, wenn die öffentliche Wiedergabe so zu verstehen wäre, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen, muss ein Mitgliedstaat davon absehen, von der ihm durch Art. 20 der Berner Übereinkunft eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen.
Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.
2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Schwedisch.