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Köln
LG Köln Ursula Sarrazin
T e n o r
- Der Beklagten zu 1 wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern - verboten, die erste Auflage des Druckerzeugnisses „Y – “ (ISBN ##### ) in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, wenn die minderjährige Klägerin in dem genannten Werk mit vollständigem Namen oder als „B2“ benannt wird, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
- Der Beklagten zu 2 wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten, die Minderjährige B2 in ihrem Buch „Y – “ (ISBN ##### ) mit vollständigem Namen oder als „B2“ zu benennen, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
- Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.157,- € seit dem 16.11.2012 und auf 39,43 € seit dem 4.5.2013 (Beklagte zu 1) bzw. seit dem 5.5.2013 (Beklagte zu 2) zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten zu jeweils 1/6.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 1. und zu 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 5.000,- €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
T a t b e s t a n d
Die minderjährige Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Unterlassung der identifizierenden Erwähnung ihrer Person in dem Buch „Y – “ sowie eine Entschädigung in Geld.
Die Beklagte zu 1 verlegt das Buch „Y – “, das im Oktober 2012 mit einer Erstauflage von ca. 30.000 Exemplaren in den Verkehr gebracht wurde, von denen noch 5.000 Exemplare im Handel sind, und dessen Autorin die Beklagte zu 2 ist. Letztere war bis zum Jahr 2011 Grundschullehrerin in Berlin und unterrichtete im Jahre 2007/2008 für einige Zeit die Klägerin, die probeweise von der zweiten in die dritte Klasse hochversetzt worden war, um zu bewerten, ob die Klägerin aufgrund ihrer angenommenen überdurchschnittlichen Begabung geeignet war, eine Klasse zu „überspringen“. Die Beklagte zu 2 schildert in ihrem Buch ihre Sichtweise zur damaligen probeweisen Hochversetzung der Klägerin und nennt den vollständigen Namen der Klägerin auf Seite 166 der Druckversion und des ebooks, ohne dass eine Einwilligung der Klägerin oder deren Mutter vorlag. Ferner wird die Klägerin in dem Buch als „B2“, als „Kind von B1“ und als „Tochter von B1“ bezeichnet.
Die Beklagten wurden mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2012 zur Unterlassung aufgefordert. Mit Schreiben vom 5.11.2012 und vom 9.11.2012 gaben die Beklagten strafbewehrte Unterlassungserklärungen für die zweite Auflage der Druckversion des Buches sowie für die ebook-Version hinsichtlich des vollständigen Namens der Klägerin ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K5 und K6 Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2013 haben die Beklagten erklärt, dass sich ihre Unterlassungserklärung auch auf die Nennung des abgekürzten Namens „B2“ bezieht.
Im Jahre 2008 erschienen mehrere Presseartikel, in denen über die Beklagte zu 2 und die geschilderte Schulsituation der damals siebenjährigen Klägerin berichtet wurde. In diesen Artikeln wurde die Mutter der Klägerin namentlich erwähnt und auf die Klägerin Bezug genommen, ohne diese namentlich zu nennen. An eine der Zeitungen, die Berliner Zeitung, hatte sich die Mutter der Klägerin im November 2008 selbst gewandt und unter ihrem Namen über die schulische Situation der Klägerin berichtet. Daraufhin erschien am 5.11.2008 ein entsprechender Artikel. Im Jahr 2011 erschienen erneut Presseberichte über die Beklagte zu 2, in denen über die Schulsituation der Klägerin im Jahre 2007/2008 berichtet wurde, ohne dass die Klägerin oder deren Mutter namentlich genannt wurden. Sämtliche Artikel sind weiterhin im Internet abrufbar. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K7, B7 und B8 Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Meinung, dass aufgrund ihrer fehlenden namentlichen Nennung in den Presseartikeln aus dem Jahre 2008 eine Identifizierbarkeit nicht gegeben sei. Selbst wenn im Jahr 2008 seitens ihrer Mutter über die Klägerin identifizierende Merkmale bekannt gegeben worden seien , bedeute dies nicht, dass die Beklagten hierdurch das Recht erhielten, den vollständigen Namen der Klägerin zu nennen. Sie dürften, wenn überhaupt, lediglich die identifizierenden Merkmale der Klägerin nennen, die aufgrund der Berichterstattung aus dem Jahre 2008 bekannt gewesen seien. Außerdem müsse sich die Klägerin das Verhalten ihrer Mutter nicht zurechnen lassen. Sie selbst habe keine Einwilligung erteilt, dass über sie identifizierend, geschweige denn namensnennend, berichtet werde. Die Namensnennung im Zusammenhang mit der Darstellung der Klägerin als unreifer „Pseudo-Hochbegabten“, die in rechtswidriger Weise in die dritte Klasse hochversetzt worden sei, stelle eine Eingriff in die Intimsphäre, jedenfalls aber in die Privatsphäre der Klägerin dar. Zudem liege ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 GG vor, da der Schutz einer Minderjährigen, die sich in einem sehr sensiblen Alter befinde, in Rede stehe.
Die Klägerin ist ferner der Meinung, dass sie in dem streitgegenständlichen Buch mehrfach in identifizierender Weise benannt werde, so z.B. als „B2“ oder als „Kind von Frau B1“ oder als „Tochter von Frau B1“. Es sei erforderlich, dass sämtliche die Identifizierung ermöglichende Nennungen aus dem streitgegenständlichen Buch entfernt würden. Hierzu zählten unter anderem auch die namentliche Erwähnung der Mutter der Klägerin, da über diese in Verbindung mit den Begriffen „Tochter“ und „Kind“ oder „B2“ eine Identifizierung der Klägerin ermöglicht werde.
Die Klägerin ist der Meinung, dass eine Selbstöffnung nicht vorliege, da nicht sie, sondern nur ihre Mutter in den Presseberichten identifizierend erwähnt werde. Auch die Nennung der Schule und die Angabe der Schulklasse führten nicht zu einer mittelbaren Identifizierung der Klägerin. Die Klägerin ist der Meinung, dass entgegen der Annahme der Beklagten aufgrund der Angaben ihrer Mutter gegenüber der Berliner Zeitung an keiner Stelle Angaben über ihr Alter oder den Ort bzw. den Namen der Schule veröffentlicht worden seien. An den weiteren Presseartikeln sei die Mutter der Klägerin zu keiner Zeit beteiligt gewesen. Die Presseartikel aus dem Jahre 2011 seien ohne namentliche oder sonst identifizierende Erwähnung der Mutter der Klägerin, geschweige denn der Klägerin selbst, erschienen. Zudem hätten weder die Mutter der Klägerin noch die Klägerin an den 2011 erschienenen Presseartikeln mitgewirkt. Deshalb macht die Klägerin geltend, dass ihre Mutter sich im Jahr 2008 einmalig zu dem konkreten Verhalten der Beklagten zu 2 geäußert und in der Folge nicht mit der Presse kommuniziert habe. Aufgrund des nunmehr fünfjährigen Zeitablaufs und der fortgesetzten Ablehnung weiterer Presseanfragen durch die Mutter der Klägerin sei es zu einem Wiederaufleben des Schutzes der Privatsphäre in dieser Angelegenheit gekommen. Selbst wenn man von einer Selbstöffnung der Mutter ausginge, müsse die Klägerin sich diese nicht zurechnen lassen. Sie sei nicht damit einverstanden gewesen, dass sie durch ihre Mutter und die Beklagte zu 2 in identifizierender Weise in der Öffentlichkeit genannt werde.
Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass verschiedene unwahre Behauptungen der Beklagten zu 2 kreditgefährdend und herabwürdigend seien.
Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, dass eine Wiederholungsgefahr weiterhin bestehe, da die von den Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärungen – auch im Hinblick auf die Klageerweiterung – nicht geeignet seien, das Begehren der Klägerin zu erfüllen. Auch hinsichtlich der Nennung des Namens des Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit sei eine Wiederholungsgefahr gegeben, weil durch die Nennung des Namens in dem Buch die Gefahr bestehe, dass die Beklagte zu 2 den Namen im Zusammenhang mit Vorträgen und Buchvorstellungen nenne. Bereits einmal habe die Beklagte zu 2, ohne den Namen der Klägerin oder den ihrer Mutter zu nennen, den konkreten Fall während einer Buchvorstellung dargestellt.
Die Klägerin ist der Meinung, dass ihr gegen die Beklagten ein Geldentschädigungsanspruch in Höhe von 10.000,- € zustehe. Denn aufgrund der namentlichen Nennung in dem Literaturwerk, in dem die Beklagte zu 2 offensichtlich mit Personen aus ihrer Schulzeit „abrechne“, liege eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung. Ferner beschreibe die Beklagte zu 2 in teilweise wahrheitswidriger Weise umfassend das ihr angeblich geschehene Unrecht durch eine Mutter, nämlich der Mutter der Klägerin, die um jeden Preis ihrer Tochter als hochbegabt habe erscheinen lassen wollen, obwohl ihre Tochter sozial unreif, nur durchschnittlich begabt und demgemäß nicht förderungswürdig gewesen sei. Die namentliche Nennung, auch wenn sie nur an zwei Stellen des Buches geschehe, führe zu einer unerträglichen Situation für die Klägerin, da ihre gesamte damalige schulische Situation in dem Buch dargestellt werde. Ferner habe die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches bereits zu einer Erkrankung geführt, weil im Februar 2013 das streitgegenständliche Buch in der Schulklasse der Klägerin zweimal besprochen worden sei. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang sehr große Angst davor gehabt, dass ihr Name im Zusammenhang mit der Buchbesprechung bekannt würde und ihre Mitschüler von ihrer Schulgeschichte erfahren würden. Diese Angst der Klägerin habe zu sehr starken, häufig auftretenden Kopf- und Bauchschmerzen geführt. Der behandelnde Arzt der Klägerin attestierte ein sogenanntes psychosomatisches Syndrom. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K16 Bezug genommen.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass bezüglich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten eine 1,5 Geschäftsgebühr angemessen sei.
Die Klägerin beantragt,
- Es wird der Beklagten zu 1 verboten, dass Druckerzeugnis und ebook „Y – “ (ISBN ##### ) in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, wenn die Minderjährige Klägerin in dem genannten Werk mit vollständigem Namen oder in sonst identifizierender Weise, nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1, benannt wird, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
- Es wird der Beklagten zu 2 verboten, die Minderjährige B2 in der Öffentlichkeit, insbesondere in ihrem Buch „Y – “ (ISBN ##### ) und/oder in Bezug auf das Buch mit vollständigem Namen oder sonst in identifizierender Weise, nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1, zu benennen, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
- Den Beklagten werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf.
- Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 11.376,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.157,- € seit dem 16.11.2012 und auf 10.219,83 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Meinung, dass die Mutter der Klägerin ihre Einzelvertretungsbefugnis nicht dargelegt habe. Zudem sei die Klageerweiterung unzulässig, da die Voraussetzungen der §§ 263 f. ZPO, insbesondere die erforderliche Sachdienlichkeit, nicht vorlägen, und die Anträge im Hinblick auf die Formulierung „in sonst identifizierender Weise“ zu unbestimmt seien, da nicht ersichtlich sei, welche Äußerungen den Beklagten bei einem entsprechenden Urteil untersagt wären.
Die Beklagten sind ferner der Auffassung, dass es insbesondere an einer Rechtsverletzung fehle, da der in dem Buch dargestellte Sachverhalt bereits Gegenstand umfassender Presseberichterstattungen gewesen sei und bei dieser Gelegenheit durch eigene Initiative der Mutter nicht nur deren vollständiger Name genannt worden sei, sondern auch weitere Umstände, welche die Klägerin leicht identifizierbar gemacht hätten (Alter der Klägerin, Schulklasse, Ort und Name der Schule). Die Nennung des vollständigen Namens der Klägerin durch die Beklagten vereinfache diese Identifizierbarkeit nur unwesentlich. Darüber hinaus habe sich die Mutter der Klägerin selbst an die Presse gewandt, um die in dem Buch geschilderte und die Klägerin betreffende Angelegenheit aus ihrer Sicht darzustellen. Auch betreibe sie - unstreitig - die Internetseite www.anonym1.de, bei der es um schulische Probleme und Schulpolitik geht. Dort und auf der Internetseite www.anonym2.de habe sie angekündigt, ein „Gegenbuch“ zu verfassen, und zu Spenden zur Finanzierung dieses Rechtsstreits aufgerufen. Damit habe sie sich durch die Selbstöffnung der Privatsphäre ihres Rechts und des Rechts ihrer Tochter auf Anonymität begeben. Die erziehungsberechtigte Mutter und gesetzliche Vertreterin der Klägerin habe im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit freiwillig und wiederholt das Licht der Öffentlichkeit gesucht, so dass der Klägerin im Hinblick auf diese Angelegenheit kein Schutz ihrer Anonymität zukommen könne.
Ferner überwiege das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung die Interessen der Klägerin. Der Fall der Klägerin werde durch das streitgegenständliche Buch einem erheblichen und aktuellen Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerecht, welches angesichts der weitgehend ausgewogenen Darstellung zulässig sei. Das streitgegenständliche Buch leiste einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Schul- und Bildungspolitik, indem es etwa eine Diskussion zu der Frage der Elternrechte und des Lehrermobbing anstoße. Der Fall der Klägerin sei hierfür exemplarisch. Eine solche Debatte könne aber nur unter Verweis auf den konkreten Geschehensablauf und die einzelnen Beteiligten begründet, angestoßen und beleuchtet werden. Die namentliche Nennung der Person, um die es tatsächlich gehe, sei daher im öffentlichen Interesse zulässig. Bedeutsam sei darüber hinaus die geringe Intensität des Eingriffs, da die identifizierende Nennung des Namens der Klägerin lediglich an zwei Stellen kurz hintereinander auf Seite 166 des Buches erfolge. Zudem sei eine Identifizierung der Klägerin aufgrund der vorangegangen Presseberichte und der dort enthaltenen Details bereits unproblematisch möglich gewesen. In jedem Falle fehle es an der für den Unterlassungsanspruch zwingend erforderlichen Wiederholungsgefahr. Diese sei durch die Abgabe von ausreichenden Unterlassungserklärungen durch die Beklagten ausgeräumt worden.
Ein Anspruch auf Geldentschädigung liege ebenfalls nicht vor, denn es fehle bereits an einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin.
Die Beklagte zu 2 ist schließlich der Auffassung, dass der Antrag zu 2 zu weit gefasst sei, da er auch die Aufforderung zur Unterlassung der Namensnennung der Klägerin in der Öffentlichkeit enthalte. Sie habe jedoch den Namen der Klägerin in der Öffentlichkeit nicht genannt. Demzufolge fehle es zudem an einer Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr.
Im nachgelassenen Schriftsatz vom 31.7.2013 hat die Klägerin hinsichtlich der Klageerweiterung, soweit sich das Unterlassungsbegehr dort auf die Bezeichnung der Klägerin als „B2“ erstreckt, einseitig für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Die Klägerin ist zwar nicht prozessfähig i.S.d. §§ 51 Abs. 1 Alt. 1, 52 ZPO, wird jedoch gemäß den §§ 51 Abs. 1 Alt. 2, 52 ZPO i.V.m. den §§ 1629 Abs. 1 S. 3, 1626a Abs. 3 BGB ordnungsgemäß durch ihre Mutter allein vertreten, da diese ausweislich der Negativbescheinigung des Bezirksamts Z vom 23.5.2013 alleinvertretungsbefugt ist.
2.
Die Klageerweiterung ist gemäß § 263 Alt. 2 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Streitrechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH, NJW 2000, 800). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung dieses Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob und inwieweit durch die Zulassung der Klageänderung der sachliche Streitstoff im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausgeräumt und einer andernfalls zu gewärtigenden neuen Klage vorgebeugt werden könnte. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, a.a.O.).
Letzteres ist nicht der Fall. Es wird zwar ein neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt, der bisherige Streitstoff kann jedoch im Zusammenhang mit dem zuvor geltend gemachten Ansprüchen verwendet werden. Zudem weisen beide Sachverhalte die Gemeinsamkeit auf, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf die Veröffentlichung eines Buches stützt.
3.
Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich der Nennung des abgekürzten Namens „B2“ im Schriftsatz vom 31.7.2013 ist unzulässig.
Denn zwischen den Instanzen ist die einseitige Erklärung der Erledigung nicht möglich (vgl. Vollkommer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage 2012, § 91a ZPO, Rn. 38). Ein solcher Fall liegt auch trotz des der Klägerin gewährten Schriftsatznachlasses i.S.d. § 283 ZPO vor. Denn nur eine Erwiderung auf den Sachvortrag des Gegners darf berücksichtigt werden, nicht jedoch nachgeschobene Anträge. Ein geänderter Sach- oder Verfahrensantrag darf ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Er ist verspätet i.S.d. § 296a ZPO, da er spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen war (vgl. Greger, a.a.O., § 283 ZPO, Rn. 5 und § 296a ZPO, Rn. 2a). Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 ZPO ist nicht angezeigt, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Auch eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2013 die Möglichkeit hatte, den nunmehr schriftsätzlich formulierten Antrag zu stellen.
4.
Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift außer der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Klageantrag enthalten. Dessen Angabe bedarf es zur Festlegung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 ZPO), zur Erkennbarkeit der Tragweite des begehrten Verbots und der Grenzen seiner Rechtskraft. Daher darf nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, NJW 1991, 296 - Flacon; BGH, NJW 1991, 1114 - Unbestimmter Unterlassungsantrag I). Für den Beklagten würde es eine nicht erträgliche Unsicherheit bedeuten, wenn er zur Unterlassung von Handlungen verurteilt würde, die nicht konkret umschrieben sind, um deren kennzeichnende Begriffe die Parteien streiten oder die auf einer rechtlich erst vorzunehmenden Beurteilung beruhen, und wenn demgemäß erst das Vollstreckungsgericht entscheiden müsste, wie weit das Unterlassungsgebot reicht (BGH, NJW-RR 1992, 1068 – Unterlassungsantrag II; vgl. auch Greger, a.a.O., § 253 ZPO, Rn. 13b m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen sind jedenfalls die von der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträge hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da durch die Konkretisierung des „oder in sonst identifizierender Weise“ durch „nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1“ hinsichtlich des begehrten Verbotsumfangs keine Unsicherheit (mehr) besteht.
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1.
Der Antrag zu 1 ist teilweise begründet.
a.
Die Klägerin hat trotz der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i.V.m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in der ersten Auflage des streitgegenständlichen Buchs.
Die angegriffene Berichterstattung verletzt die Klägerin aufgrund der Nennung ihres Namens in vollständiger und in abgekürzter Form in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form ihres Rechts auf Achtung ihrer Privatsphäre.
Die Nennung und Darstellung einer Person in einer Druckschrift - oder eines ebooks - und die damit erfolgte Mitteilung von Umständen über sie an die Öffentlichkeit ist ohne ihre Einwilligung grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung ihres durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechtes. Dieses jedermann schützende Recht beinhaltet auch, in selbst gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der mitzuteilende Umstand den Tatsachen entspricht, weil das Persönlichkeitsrecht auch eine solche Mitteilung der Disposition der betroffenen Person unterstellt. Die identifizierende Darstellung von Personen ist lediglich dann zulässig, wenn ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden ist. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn eine Aktualitätsbezug vorliegt oder der Betroffene zu einer solchen Darstellung selbst Anlass gegeben hat (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 10, Rn. 53).
Ausgehend von diesem Grundsatz ist die Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und in abgekürzter Form in dem streitgegenständlichen Buch rechtswidrig. Es bedarf auch grundsätzlich keiner weiteren Darlegung von Umständen seitens der Klägerin, in welcher Weise sie durch die Namensnennung beeinträchtigt worden ist oder noch beeinträchtigt werden könnte. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beklagte zu 1 ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung des Namens der Klägerin darlegen könnte. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Ob ein solches, dem Schutz des Persönlichkeitsrechts vorgehendes öffentliches Informationsinteresse vorliegt, ist im Einzelfall durch eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen, wobei auch die Kriterien, die die Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung der §§ 22, 23 KUG zur Bildveröffentlichung entwickelt hat, Berücksichtigung finden können (vgl. Burkhardt, a.a.O.). So ist dem öffentlichen Informationsinteresse regelmäßig der Vorrang einzuräumen, wenn der von der Berichterstattung Betroffene durch sein Verhalten zu einer entsprechenden Darstellung Veranlassung gegeben hat (BGH, NJW 1994, 124 – Greenpeace; BGH, NJW 2000, 1036, 1038 – Verdachtsberichterstattung).
Ein schützenswertes Interesse der Beklagten zu 1 an der Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und in abgekürzter Form ist jedoch nicht ersichtlich. Hierbei ist zu beachten, dass in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt ist, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen. Zwar wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021). Zudem gibt es keine Regelvermutung dahingehend, dass jedes Informationsinteresse hinter dem Anonymitätsinteresse von Minderjährigen grundsätzlich zurückzustehen habe (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1500).
Hier wird in dem streitgegenständlichen Buch der Name der erst zwölf Jahre alten Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form im Zusammenhang mit einem Streit über ihre Hochbegabung genannt. Dadurch besteht zumindest die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund ihrer vermeintlichen Hochbegabung und des Versuchs, eine Klasse zu „überspringen“, Anfeindungen oder Hänseleien etwa von Mitschülern ausgesetzt wird. Demgegenüber ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form als gering einzustufen. Die Klägerin hat auch nicht durch eigenes Verhalten Anlass zu der Namensnennung gegeben; insbesondere hat sie sich nicht gegenüber Medien zu dem Streit um ihre Hochversetzung geäußert und damit ihre Privatsphäre geöffnet. Das mag zwar bei ihrer Mutter anders sein; sofern die Mutter Details aus der Privatsphäre ihrer Tochter der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, muss sich die Klägerin dies auch gemäß den §§ 1626, 1629 BGB zurechnen lassen. Dies bedeutet aber lediglich, dass die Klägerin sich nicht gegen Veröffentlichungen wenden kann, die gerade die von ihrer Mutter genannten Details aus ihrem Privatleben enthalten; der vollständige oder abgekürzte Name der Klägerin wurde zuvor jedoch unstreitig nicht veröffentlicht. Ferner ist nicht ersichtlich, welches öffentliche Interesse nun fast fünf Jahre nach der Auseinandersetzung an der Namensnennung der Klägerin in vollständiger oder abgekürzter Form bestehen soll. Dass manche Leser auch ohne Namensnennung aufgrund der Namensnennung der Mutter wissen oder herausfinden können, um welches Kind es geht, ist nicht entscheidend, da dies jedenfalls ein kleinerer Personenkreis wäre als bei einer Namensnennung der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form. Demgegenüber ist das Interesse der Klägerin, nicht namentlich genannt zu werden, mit Blick auf Art. 6 GG und ihre ungestörte Entwicklung besonders schutzwürdig.
Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung grundsätzlich zu vermuten und kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH, NJW 1994, 1281).
Dies ist hier mit den Schreiben vom 5.11.2012 und vom 9.11.2012 bezüglich der Druckversion ab der zweiten Auflage und bezüglich des ebook geschehen, so dass ein Unterlassungsanspruch insoweit mangels Wiederholungsgefahr nicht (mehr) besteht. Da der Antrag zu 1 jedoch seinem Wortlaut nach auch die folgenden Auflagen der Druckversion und das ebook umfasst, ist er insofern unbegründet.
Da sich die Unterlassungserklärung der Beklagten zu 1 nicht auf die erste Auflage der Druckversion des streitgegenständlichen Buches bezieht, ist insofern die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
Eine sich auch auf die erste Auflage der Druckversion beziehende Unterlassungserklärung war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch nicht entbehrlich.
Ist eine unzulässige Darstellung bereits gedruckt, kann eine sofortige Wirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung einem Verbreitungsstopp für die gesamte noch in der Verfügungsgewalt des Unterlassungsschuldners befindliche Auflage gleichkommen. Das kann als unerträglich erscheinen, wenn die Unzulässigkeit nur geringes Gewicht hat oder einen nur unverhältnismäßig kleinen Teil der Druckschrift ausmacht. In diesem Fall kann die sofortige Wirksamkeit mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar sein. Abgesehen davon entspricht es einem aus Treu und Glauben folgenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die Erfüllung einer Verpflichtung nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert werden kann. Hier sind die Interessen beider Parteien abzuwägen. Als Ergebnis hiervon kann die Leistungspflicht bei überobligationsmäßigen Belastungen des Unterlassungsschuldners entfallen bzw. diese der besonderen Situation über eine Aufbrauchfrist anzupassen sein (Burkhardt, a.a.O. Kap. 12, Rn. 99 f.; Kammer, Urteil vom 4.8.2010 – Az. 28 O 636/09; Kammer, NJOZ 2010, 445; OLG Hamburg, DtZ 1993, 349).
Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist es der Beklagten zu 1 zumutbar, den vollständigen und abgekürzten Namen der Klägerin in allen Büchern der ersten Auflage – gleich ob aufgebunden oder nicht - zu schwärzen, die sich noch in ihrem Herrschaftsbereich bzw. ihrer Verfügungsgewalt befinden. Dies umfasst nicht solche Exemplare des streitgegenständlichen Buches, die bereits an den Buchhandel ausgeliefert wurden und sich somit nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Beklagten zu 1 befinden.
Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich zwar lediglich um zwei Nennungen des vollständigen Namens der Klägerin und eine von Seiten der Klägerin vorgetragene Nennung des abgekürzten Namens auf zwei von insgesamt 287 Seiten handelt, so dass die Unzulässigkeit auf den ersten Blick nur ein geringes Gewicht zu haben und einen nur kleinen Teil des Buches zu betreffen scheint. Es ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin aufgrund der Namensnennung auf diesen Seiten auch im Hinblick auf die zuvor in dem Buch beschriebenen Passagen (vgl. bspw. Seiten 119 ff., 141 ff.) für den Leser identifizierbar wird. Dort geht es zwar nicht primär um ihre vermeintliche Hochbegabung, sondern exemplarisch um die Einflussnahme der Mutter der Klägerin auf den schulischen Lebensweg der Klägerin. Jedoch werden auch dort Details über die schulische Leistungsfähigkeit der Klägerin verbreitet, die geeignet sind, sie im Schülerkreis Spötteleien auszusetzen. Zwar war die Klägerin durch die Vorveröffentlichungen in der Presse, gegen die sie sich – unabhängig davon, ob ihre Mutter sich lediglich gegenüber einer Zeitung geäußert hat - nicht gewehrt hat, bereits für einen großen Kreis von Personen – so auch ihre Mitschüler – identifizierbar. Dies ist jedoch ein kleinerer Kreis als bei einer Namensnennung der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form. Zu bedenken ist zudem, dass in dem streitgegenständlichen Buch der Name der erst zwölf Jahre alten Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form im Zusammenhang mit einem Streit über ihre Hochbegabung genannt wird. Dadurch besteht – wie bereits ausgeführt - zumindest die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund ihrer vermeintlichen Hochbegabung und des Versuchs, eine Klasse zu „überspringen“, Anfeindungen oder Hänseleien etwa von Mitschülern ausgesetzt wird, zumal sie noch auf einige Jahre die Schule besuchen wird. Die Klägerin hat auch nicht – wie bereits ausgeführt - durch eigenes Verhalten Anlass zu der Namensnennung gegeben; insbesondere hat sie sich nicht gegenüber Medien zu dem Streit um ihre Hochversetzung geäußert und damit ihre Privatsphäre geöffnet. Das mag zwar bei ihrer Mutter anders sein; der vollständige oder abgekürzte Name der Klägerin wurde zuvor jedoch auch von dieser unstreitig nicht veröffentlicht. Ferner ist der Zeitablauf von nun fast fünf Jahren nach der Auseinandersetzung hinsichtlich der Hochversetzung der Klägerin zu berücksichtigen. Auch insofern ist der Klägerin mit Blick auf ihre ungestörte Entwicklung die Möglichkeit zu geben, mit diesem Thema abzuschließen.
Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1 bereits seit etwa zehn Monaten ca. 25.000 von 30.000 Exemplaren des Buches verkauft hat. Somit bezieht sich der Aufwand der Schwärzung auf einen relativ kleinen Teil der Auflage und einen relativ kleinen Teil des Buches. Vor dem Hintergrund des insofern geringen Aufwands der Schwärzung einerseits und des erheblichen Gewichts des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin andererseits ist es der Beklagten zu 1 zumutbar, die Passagen hinsichtlich der Bücher, die sich noch in ihrer Verfügungsgewalt befinden, zu schwärzen.
b.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Denn die Klägerin muss sich insoweit die Selbstöffnung ihrer Mutter im Hinblick auf diese Äußerungen gemäß den §§ 1626, 1629 BGB zurechnen lassen.
In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein und in seinem Verhalten nicht Gegenstand einer Medienberichterstattung zu werden, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbezug des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann etwa dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Niemand ist an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich sodann jedoch nicht unbeschränkt auf einen öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen (BVerfG, GRUR 2006, 1051). Zudem wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021).
Hier ist zu berücksichtigen, dass sich die Mutter der Klägerin im Jahre 2008 an die Berliner Zeitung gewandt und dort ihre Sicht der Dinge geschildert hat. In diesem Artikel vom 5.11.2008 wird sowohl der volle Name der Mutter der Klägerin genannt als auch die Tatsache, dass die Klägerin ihre Tochter ist. Ferner wird berichtet, dass die Klägerin die zweite bzw. dritte Klasse besuchte und dass sich die Grundschule in Z befand. Hierdurch kam es hinsichtlich dieser Details zu einer Selbstöffnung der Mutter der Klägerin, welche sich die Klägerin zurechnen lassen muss. Zudem ist weder die Klägerin noch ihre Mutter gegen die weiteren Artikel aus dem Jahre 2008 vorgegangen, aus denen sich ebenfalls die nunmehr angegriffenen Äußerungen entnehmen lassen. Sofern die Klägerin die Auffassung vertritt, dass eine Selbstöffnung zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des Zeitablaufs und der Nichtmitwirkung an den Artikeln aus dem Jahre 2011 nicht mehr vorliege, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die nunmehr angegriffenen Äußerungen finden sich auch in den Artikeln aus dem Jahre 2011, ohne dass die Klägerin oder ihre Mutter hiergegen vorgegangen wären.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und was die Mutter der Klägerin auf den Internetseiten www.anonym1.de undwww.anonym2.de zu einem anvisierten „Gegenbuch“ veröffentlicht hat.
2.
Der Antrag zu 2 ist teilweise begründet.
a.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 einen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i.V.m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der ersten Auflage des streitgegenständlichen Buchs.
Insofern wird auf die Darstellungen unter Ziffer 1.a. Bezug genommen.
Abweichend hiervon hat die Beklagte zu 2 nicht die Pflicht, die streitgegenständlichen Passagen eigenhändig zu schwärzen, sondern die Pflicht, im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zu der Beklagten zu 1 auf diese einzuwirken, dass diese ihrer Unterlassungspflicht nachkommt.
b.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Insofern wird auf die Darstellungen unter Ziffer 1.b. Bezug genommen.
c.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) und der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ in der Öffentlichkeit und/oder in Bezug auf das streitgegenständliche Buch aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Denn es besteht keine Wiederholungs- oder Begehungsgefahr hinsichtlich einer identifizierenden Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 im Rahmen von Buchvorstellungen oder in der Öffentlichkeit. Eine Begehungsgefahr wäre dann gegeben, wenn konkrete Tatsachen vorlägen, die die Vorbereitung und die Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs mit Sicherheit erkennen ließen, so dass eine rechtswidrige Störung als unmittelbar bevorstehend anzusehen wäre. Dies ist nicht der Fall.
Die Klägerin hat keine Tatsachen dargelegt, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Beklagte zu 2 sie in identifizierender Weise in der Öffentlichkeit, insbesondere im Rahmen von Buchvorstellungen erwähnen wird. Vielmehr ist es unstreitig, dass dies bisher nicht geschehen ist. Der Vortrag der Klägerin erschöpft sich in Vermutungen, die eine Begehungsgefahr nicht begründen können. Einen allgemeinen Anspruch auf Nichtnennung des Namens gibt es jedoch nicht (vgl. Burkhardt, a.a.O., Rn. 52).
Die Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch führt auch nicht zu einer Wiederholungsgefahr für die identifizierende Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit. Denn eine Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch ist im Hinblick auf den Adressatenkreis, den Verbreitungsgrad und die Verbreitungsart eine sich von der identifizierenden Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit unterscheidende Begehungsart. Als Kontrollüberlegung mag fungieren, dass die identifizierende Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit von einem Verbot der Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch nicht erfasst wäre. Ob eine Handlung eine Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Dabei ist von der Urteilsformel auszugehen. Zu deren Auslegung können aber auch Tatbestand und Entscheidungsgründe herangezogen werden (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 286). Der Schutzumfang eines Unterlassungsgebots umfasst nicht nur die Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch solche gleichwertigen Äußerungen, die ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen den Äußerungskern unberührt lassen. Dass ein Unterlassungsgebot sich auf den Inhalt der zu unterlassenden Behauptung bezieht und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall, ist auch für den Unterlassungsschuldner erkennbar. Zudem hat dieser die Möglichkeit, bereits im Erkenntnisverfahren auf eine sachgerechte Formulierung des Titels hinzuwirken und so etwaigen fehlerhaften und ausufernden Deutungen des Entscheidungstenors vorzubeugen (BVerfG, GRUR 2007, 618). Eine weitergehende Titelauslegung ist dagegen schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unstatthaft (BGH, NJW 1989, 2327). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wäre eine Kerngleichheit der Äußerungen aufgrund der differierenden Medien zu verneinen.
3.
Der Antrag zu 4 ist teilweise begründet.
a.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.196,43 € gemäß den §§ 823 Abs. 1, 830, 840, 249 BGB, da die Beklagten das Persönlichkeitsrecht der Klägerin - wie dargelegt - verletzten.
Zu dem wegen einer unerlaubten Handlung zu ersetzenden Schaden zählen auch die notwendigen Rechtsanwaltskosten. Dies sind insbesondere die Kosten eines mit der Sache befassten, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH NJW-RR 2010, 428).
Der Klägerin ist ein Schaden in Form von Anwaltskosten entstanden der auch adäquat kausal auf der Rechtsverletzung beruht, da die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine 1,3 Geschäftsgebühr dem Bemühen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausreichend Rechnung trägt. Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war; sie ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20% der gerichtlichen Überprüfung entzogen (BGH NJW 2012, 2813). Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall, da die Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentierung, die Prüfung einer Selbstöffnung und des Bestehens einer Wiederholungsgefahr im Presserecht zu den immer bis regelmäßig zu prüfenden Umständen gehören.
Somit steht der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zu. Dieser berechnet sich nach einem Gegenstandwert von 30.000,- €. Denn nach der gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Beeinträchtigung geht die Kammer davon aus, dass dieser Streitwert dem materiellen Interesse der Klägerin an der Unterlassung der namentlichen Nennung in der Druckversion in sämtlichen Auflagen und in der ebook-Version des streitgegenständlichen Buches entspricht.
Aus diesem Gegenstandswert ergibt sich eine Gebühr von 985,40 €. Hinzuzurechnen sind eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,- € sowie 19% Umsatzsteuer. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 1.196,43 €.
Der Zinsanspruch erfolgt aus den §§ 286, 288 BGB bzw. den §§ 291, 288 BGB.
b.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Geldentschädigung aus den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 830, 840 BGB.
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte anderenfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH, NJW 1995, 861; BVerfG, NJW 1973, 1221). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen.
Es kann dahinstehen, ob die Persönlichkeitsverletzung nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers schwerwiegend ist.
Denn es liegt jedenfalls kein unabwendbares Bedürfnis vor. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsverletzung fehlt. Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Die Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient insoweit zum einen der Genugtuung des Opfers und zum anderen der Prävention (vgl. BGH, NJW 1996, 985). Im Rahmen der Abwägung ist aber andererseits auch das Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit zu berücksichtigen. Diese grundlegenden Kommunikationsfreiheiten wären gefährdet, wenn jede Persönlichkeitsrechtsverletzung die Gefahr einer Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung in sich bergen würde. Die Zuerkennung einer Geldentschädigung kommt daher nur als ultima ratio in Betracht, wenn die Persönlichkeit in ihren Grundlagen betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn die Persönlichkeitsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt und wenn sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 14, Rn. 128).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass bei der Namensnennung – vergleichbar mit der Veröffentlichung eines Bildnisses – eine nicht wieder rückgängig zu machende Tatsache geschaffen worden ist und dass aus diesem Grund nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Bildnisschutz eher gewährt wird. Denn es ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, dass die Identifizierbarkeit der Klägerin – wie zuvor ausgeführt - bereits vor der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches aufgrund der Vorveröffentlichungen in der Presse gegeben war und sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens an zwei Stellen in dem streitgegenständlichen Buch erschöpft. Zudem ist zu beachten, dass die Beklagten hinsichtlich des ebooks und der Druckversion - ab der zweiten Auflage - unmittelbar nach der jeweiligen Aufforderung Unterlassungserklärungen hinsichtlich der Namensnennung abgaben und mit der Schwärzung des vollständigen und abgekürzten Namens in der ersten Auflage belastet sind. Nicht zu berücksichtigen war das von der Klägerin vorgelegte Attest. Dieses ist – unabhängig von der Frage der Qualifikation der Ärztin für dieses Fachgebiet – nicht geeignet, eine schwerwiegende Erkrankung zu belegen. Es wird nur ausgeführt, dass es der Klägerin an diesem Tag schlecht ging. Auf welcher Grundlage und anhand welcher Umstände die weitere Prognose getätigt wurde, ist nicht ersichtlich bzw. von der Klägerin vorgetragen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Streitwert: 60.000,- Euro
(Antrag zu 1: 20.000,- Euro; Antrag zu 2: 30.000,- Euro; Antrag zu 4: 10.000,- Euro)
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 05.10.2010, AZ: 6 W 82/10 - Offensichtlichkeit einer Rechtsverletzung im Urheberrecht
Oberlandesgericht Köln
Beschluss
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 230 O 49/10 - vom 23.04.2010 die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten gestattet worden ist, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am 11.03.2010 um 10:51:00 Uhr MEZ die IP-Adresse … zugewiesen war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens ist Inhaberin ausschließlicher von den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern abgeleiteter Nutzungsrechte an einem im August 2008 erschienenen Popmusik-Album. Mit Hilfe automatischer, von einem Beauftragten entwickelter und kontrollierter Ermittlungen stellte sie fest, dass dieses Album in Form digitaler Musikdateien innerhalb eines P2P-Netzwerks (einer sogenannten Internet-Tauschbörse) unter anderem am 11.03.2010 um 10:51:00 Uhr MEZ öffentlich zugänglich gemacht wurde. Auf ihren Antrag hat das Landgericht Köln der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 9 UrhG gestattet, unter Verwendung der Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift des Nutzers zu erteilen, dem die für den betreffenden Vorgang ermittelte IP-Adresse zugewiesen war. Die Beteiligte erteilte die Auskunft und benannte die Beschwerdeführerin als Anschlussinhaberin; von der Antragstellerin wurde diese unter Beifügung einer Kopie des landgerichtlichen Gestattungsbeschlusses zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Kostenübernahme oder zur Zahlung eines abschließenden Vergleichsbetrages von 1.200,00 € aufgefordert. Mit ihrer persönlich eingelegten Beschwerde beanstandet die Anschlussinhaberin nunmehr, dass die Beteiligte Informationen über ihren Internetanschluss weitergegeben und das Landgericht dies gestattet habe, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen. In der Sache verweist sie darauf, dass das Musikalbum nur von ihrer 11jährigen Enkeltochter, die gerade einen Computerkurs beendet habe, aus dem Internet heruntergeladen worden sein könne. Sie sehe nicht ein, für so eine Kindermusik und den Übereifer ihrer Enkelin einen Betrag in der geforderten Höhe bezahlen zu sollen.
II.
Die Beschwerde, mit der erkennbar die Feststellung der Rechtswidrigkeit der die Beschwerdeführerin betreffenden Anordnung im angefochtenen Beschluss erstrebt wird, ist zulässig. Soweit der Senat in anderer Besetzung vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 01.01.2009 und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010 (NJW 2010, 833 - Vorratsdatenspeicherung [Rn. 251, 254 ff.]) eine eigene Beschwerdeberechtigung des am Ausgangsverfahren nicht beteiligten Anschlussinhabers verneint hat (Senatsbeschluss vom 05.05.2009 - 6 W 39/09 = GRUR-RR 2009, 321 - John Bello Story 2; vgl. - die Frage für den geltenden Rechtszustand offen lassend - die Senatsbeschlüsse vom 18.05.2010 - 6 W 51/10; vom 21.07.2010 - 6 W 63/10; 69/10; 79/10; 18.8.2010 - 6 W 112/10), wird daran nicht festgehalten.
1.
Der Anschlussinhaber - hier die Beschwerdeführerin - ist durch die richterliche Gestattungsanordnung beschwert.
a)
Eine formelle Beschwer, die bei Zurückweisung des Antrags auf richterliche Anordnung nur in der Person des Antragstellers besteht (§ 101 Abs. 9 S. 4 und 6 UrhG i.V.m. § 59 Abs. 2 FamFG), kann der Anschlussinhaber allerdings nicht geltend machen. Weil er dem Antragsteller wie dem Gericht vor Erteilung der Auskunft durch die Beteiligte, über deren Zulässigkeit in dem Anordnungsverfahren erst entschieden wird, naturgemäß noch unbekannt ist, kann er weder vor der richterlichen Anordnung angehört noch von Amts wegen davon benachrichtigt oder über mögliche Rechtsbehelfe belehrt werden; da schon eine entsprechende verfahrensrechtliche Verpflichtung des Gerichts nicht besteht, kommt es nicht darauf an, ob ihre Verletzung allein ein Beschwerderecht begründen könnte.
b)
Eine materielle Beschwer, also eine mit der angefochtenen Entscheidung bewirkte Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in seinen Rechten, die für das Beschwerderecht in dem FamFG unterfallenden Verfahren regelmäßig - auch in Antragsverfahren bei stattgebender Entscheidung - genügt (§ 59 Abs. 1 FamFG, vgl. Keidel / Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 59 Rn. 44), kann dagegen im Ergebnis nicht verneint werden. Im Licht des grundrechtlich verbürgten Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 GG), das gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) die speziellere Garantie darstellt (BVerfG, NJW 2010, 833 [Rn. 191]) und in § 101 Abs. 10 UrhG als durch § 101 Abs. 2 und 9 UrhG eingeschränktes Grundrecht genannt wird, dient der dort vorgesehene Richtervorbehalt vor allem dem Schutz der rechtlichen Interessen der noch unbekannten Anschlussinhaber. Obgleich verfassungsrechtlich für die Auskunft über Bestandsdaten - wozu die Identität des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers gehört - kein Richtervorbehalt gefordert wird, zumal wenn ein prozessordnungsgemäßes Ersuchen der Staatsanwaltschaft vorliegt (BVerfG, a.a.O. [Rn. 261]; BGH, GRUR 2010, 633 = WRP 2010, 912 [Rn. 29] - Sommer unseres Lebens; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 16/5048 S. 56), hat der Gesetzgeber für das Verhältnis zwischen privatem Rechtsinhaber und Provider am Erfordernis einer richterlichen Anordnung festgehalten, weil der Provider für die Zuordnung der IP-Adresse besonders schutzwürdige, im Vergleich zu Telefonverbindungen wesentlich sensiblere Verkehrsdaten heranziehen muss (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, a.a.O. [Rn. 259]). Auch wenn sich der Entscheidungssatz des Gerichtsbeschlusses nur an den Provider richtet, betrifft er insofern doch auch unmittelbar die an Hand der angegebenen Daten identifizierbaren Anschlussinhaber - dies umso mehr, als der Provider durch die richterliche Anordnung von eigenen Prüfungen entlastet und damit praktisch zur Auskunft veranlasst wird (vgl. BT-Drucks. 16/5048 S. 63; BT-Plenarprot. 16/16318 B/C).
2.
Da sich die Auskunft des Providers über die Person des hinter einer bestimmten IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers an Hand von Verkehrsdaten nach ihrer Erteilung nicht mehr rückgängig machen lässt, so dass sich damit die richterliche Gestattungsanordnung in der Hauptsache erledigt, ist für die Statthaftigkeit der Beschwerde eines betroffenen Anschlussinhabers allerdings zusätzlich ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse erforderlich. Näher geregelt ist diese Konstellation nunmehr in § 62 FamFG i.V.m. § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, wonach das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die in der Hauptsache erledigte erstinstanzliche Entscheidung den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
a)
Insbesondere wenn der Betroffene - wie die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren - nicht anwaltlich vertreten ist, dürfen die Anforderungen an die Formulierung eines solchen Antrags nicht überspannt werden; es genügt, dass sich aus dem gesamten Vorbringen des Betroffenen konkludent das Begehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung überprüfen zu lassen (Keidel / Budde, a.a.O., § 62 Rn. 10; Bork / Jacoby / Schwab / Müther, FamFG, § 62 Rn. 6; Schulte-Bunert / Weinreich / Unger, FamFG, 2. Aufl., § 62 Rn. 16 f. m.w.N.). So liegt es hier: Die Beschwerdeführerin beanstandet den in das Telekommunikationsgeheimnis eingreifenden, ohne ihre Beteiligung ergangenen Gestattungsbeschluss ersichtlich als unrechtmäßig und erstrebt dazu eine - nur noch als nachträgliche Feststellung mögliche - Entscheidung des Beschwerdegerichts.
b)
Nach zutreffender Ansicht setzt der Antrag auf Fortsetzung eines abgeschlossenen Verfahrens in der Beschwerdeinstanz zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der in der Hauptsache erledigten erstinstanzlichen Entscheidung nicht voraus, dass die Beschwerde - was bei Einwänden der Anschlussinhaber gegen eine richterliche Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG praktisch nie der Fall ist - schon vor dem erledigenden Ereignis eingelegt war. Gemäß der vom Gesetzgeber (BT-Drucks. 16/6308 S. 205) aufgegriffenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 104, 220 [231 ff.] = NJW 2002, 2456; NStZ 2009, 166 [167] m.w.N.) muss der Begriff der Erledigung vielmehr weit ausgelegt und das Feststellungsbegehren im Interesse effektiven Rechtsschutzes auch dann als zulässig angesehen werden, wenn sich die angegriffene Maßnahme - wie hier - bei Einlegung der Beschwerde bereits erledigt hatte (Keidel / Budde, a.a.O., Rn. 7-9; Prütting / Helms / Abramenko, FamFG, § 62 Rn. 5; Schulte-Bunert / Weinreich / Unger, a.a.O., Rn. 3).
c)
Ein berechtigtes Interesse der Beschwerdeführerin an der begehrten Feststellung besteht im Streitfall in der Form des Regelbeispiels eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).
Die richterliche Anordnung betrifft - wie oben zu Nr. 1 lit. b dargestellt - das von Verfassungs wegen unverletzliche und nur auf Grund eines Gesetzes beschränkbare Telekommunikationsgeheimnis (Art.10 Abs. 1 und 2 GG). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010 bedarf die Aufhebung der Anonymität im Internet gerade wegen des erheblichen Gewichts des darin liegenden Eingriffs ihrerseits einer Rechtsgutbeeinträchtigung, der von der Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird (BVerfG, NJW 2010, 833 [Rn. 262]). Der Betroffene, der in der Regel davon ausgehen kann, das Internet anonym zu nutzen, hat nicht nur grundsätzlich ein Recht zu erfahren, dass und warum diese Anonymität aufgehoben wurde (BVerfG, a.a.O. [Rn. 263]), sondern ihm ist auch, wenn er vor Durchführung der Maßnahme keine Gelegenheit hatte, sich vor den Gerichten gegen die Verwendung seiner Telekommunikationsdaten zur Wehr zu setzen, eine gerichtliche Kontrolle nachträglich zu ermöglichen (vgl. BVerfG, a.a.O. [Rn. 251]), und zwar wenigstens in denjenigen Konstellationen, für die der Gesetzgeber - wie in § 101Abs. 9 UrhG - eine vorbeugende richterliche Kontrolle der Maßnahme bewusst vorgesehen hat, in denen dem davon Betroffenen innerhalb der Zeitspanne bis zur Erledigung der Maßnahme aber typischerweise kein rechtliches Gehör gewährt werden kann.
Obwohl der Erlass der richterlichen Anordnung noch keine Entscheidung über das Vorliegen einer gerade vom Anschlussinhaber zu verantwortenden Rechtsverletzung erfordert und insoweit keine schwerwiegende stigmatisierende oder diskriminierende Wirkung von ihr ausgehen mag, ist im Ergebnis ein Rehabilitationsinteresse (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.07.2010 - 1 BvR 2579/08 [Rn. 32] m.w.N., zitiert nach juris) des betroffenen Anschlussinhabers zu bejahen, der sich gegen die gerichtliche Feststellung einer offensichtlichen Verletzung geschützter Rechte des Gläubigers in gewerblichem Ausmaß unter Benutzung der seinem Internetanschluss zugeordneten IP-Adresse wendet. Denn er wird durch die erledigte richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, insofern sich der Gläubiger nach erteilter Auskunft zunächst an ihn wendet und ihn gegebenenfalls zwingt, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung verteidigen zu müssen. Ohne eigenes nachträgliches Beschwerderecht im Anordnungsverfahren wäre der betroffene Anschlussinhaber gegenüber dem Auskunftsgläubiger zwar nicht rechtlos gestellt. In Bezug auf die im Verfahren nach § 101 Abs. 2 und 9 UrhG zu prüfenden Anspruchsvoraussetzungen (namentlich Rechtsinhaberschaft des Gläubigers, Offensichtlichkeit und gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung) wäre seine Verteidigung aber wesentlich erschwert, wenn er aus seiner Sicht fehlerhafte Feststellungen des anordnenden Gerichts erst im Rahmen eines späteren Klageverfahrens zur Überprüfung stellen könnte. Soweit nicht das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung, sondern nur deren fehlendes gewerbliches Ausmaß und damit das Bestehen eines Auskunftsanspruchs in Rede steht, ist es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes im Folgeprozess ebenfalls von nicht zu unterschätzender Bedeutung, ob der Anschlussinhaber auf eine noch im Anordnungsverfahren getroffene Beschwerdeentscheidung verweisen kann.
Dem fortbestehenden berechtigten Interesse der Beschwerdeführerin an einer Überprüfung der richterlichen Gestattungsanordnung steht das gleichfalls anzuerkennende Interesse der Antragstellerin am Schutz ihres geistigen Eigentums (Art. 14 GG) nicht entgegen. Dieses Interesse erfordert nicht, dass die vom erstinstanzlichen Gericht getroffene, mit Erlass wirksam gewordene und mit Auskunftserteilung in der Hauptsache erledigte Anordnung über die Verwendung von Verkehrsdaten bei der Auskunft über die Zuordnung bestimmter IP-Adressen zu einzelnen Anschlussinhabern jeder nachträglichen Überprüfung auf Grund einer (Fortsetzungsfeststellungs-) Beschwerde der Anschlussinhaber entzogen bleibt. Insoweit droht auch kein mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbarer Schwebezustand - um so weniger, als das Beschwerderecht unabhängig von gesetzlichen Fristen (§ 101 Abs. 9 S. 4 und 7 UrhG, § 63 FamFG), deren Anwendbarkeit auf die betroffenen Anschlussinhaber zweifelhaft sein mag, zumindest Verwirkungsregeln unterliegt (vgl. BVerfG, NStZ 2009, 166 [167]) und die Antragstellerin es regelmäßig selbst in der Hand hat, wann sie die ihr vom Provider benannten Anschlussinhaber über den Inhalt der sie betreffenden richterlichen Anordnung in Kenntnis setzt.
d)
Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte für eine Verfristung oder Verwirkung des Beschwerderechts. Der Beschwerdeführerin ist der angefochtene Beschluss des Landgerichts zuerst mit dem Anspruchsschreiben der Antragstellerin vom 11.06.2010 in Kopie übermittelt worden (Bl. 159 ff. d.A.); schon mit Einschreiben vom 13.06.2010 (Bl. 155) hat sie Beschwerde eingelegt.
III.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Wie bereits aus den vorstehenden Erwägungen (zu Nr. II 2 c) erhellt, kann die von einem Anschlussinhaber begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit einer seine Internetdaten betreffenden richterlichen Anordnung allerdings nicht mit Erfolg auf Umstände gestützt werden, deren Prüfung überhaupt nicht Gegenstand des Anordnungsverfahrens sind, also insbesondere nicht auf eine angeblich fehlerhafte Auskunft des Providers über die Zuordnung der angegebenen IP-Adresse oder auf tatsächliche Vorgänge in Bezug auf die Nutzung des fraglichen Internet-Anschlusses durch den Beschwerdeführer, seine Familienangehörigen oder sonstige Dritte (vgl. zu derartigen Konstellationen die Senatsbeschlüsse vom 21.07.2010 - 6 W 69/10 - und vom 18.08.2010 - 6 W 112/10).
Hier macht die Beschwerdeführerin aber in der Sache (jedenfalls auch) mit Erfolg geltend, dass das Landgericht zu Unrecht ein gewerbliches Ausmaß der in Rede stehenden Rechtsverletzung angenommen habe, die nach den dargestellten Ermittlungen der Antragstellerin am 11.03.2010 um 10:51:00 Uhr MEZ durch öffentliches Zugänglichmachen einer geschützten Musikdatei von dem Internetanschluss mit der IP-Adresse … aus begangen wurde. Ob eine Rechtsverletzung gewerbliches Ausmaß hat (vgl. zu diesem der Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14, entlehnten Merkmal BT-Drucks. 16/5048 S. 65; BT-Drucks. 16/8783 S. 50; BT-Plenarprot. 16/155 S. 16318 C, 16320 A, 16321 B; Senat, GRUR-RR 2009, 9 - Ganz anders; MMR 2009, 334 - Die schöne Müllerin; OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 239 f.; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222 [1223]), ist nach der Rechtsprechung des Senats unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles festzustellen. Vorausgesetzt werden Handlungen zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils, ausgenommen gutgläubige Handlungen von Endverbrauchern (Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14), was aus objektiven Kriterien abgeleitet wird: Bei Rechtsverletzungen im Internet ist neben der Zahl der von einem Verletzer öffentlich zugänglich gemachten Dateien (die vor erteilter Auskunft über die Nutzer dynamischer IP-Adressen schwerlich feststellbar ist) vor allem die Schwere der einzelnen Rechtsverletzung zu beachten - etwa wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland im Internet angeboten wird (BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Das Anbieten irgendeiner Datei in einer Internet-Tauschbörse genügt für sich allein nicht, obwohl es ein Handeln um wirtschaftlicher Vorteile willen indiziert; vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob entweder ein besonders wertvolles Werk (vgl. Senatsbeschluss vom 3.11.2008 - 6 W 136/08, bei juris) oder eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wurde (Senat, GRUR-RR 2009, 9 [11] - Ganz anders; ebenso OLG Schleswig,GRUR-RR 2010, 239 [240]; für kurz nach der Erstveröffentlichung angebotene Dateien im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2009, 15 [16]; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 379 [381]; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222 [1223]; anders für einmalige Download-Angebote OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12 [13]; OLG Oldenburg, MMR 2009, 188 [189]). Dabei ist den besonderen Vermarktungsbedingungen des jeweiligen Werkes Rechnung zu tragen, so dass eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß im Einzelfall auch noch vorliegen kann, wenn seit der Veröffentlichung des Werks bereits längere Zeit vergangen ist (Senat, MMR 2009, 334 [335] - Die schöne Müllerin), etwa wenn das Werk in Neuauflage erschienen (Senatsbeschluss vom 04.06.2009 - 6 W 48/09, bei juris) oder in den TOP 50 der Verkaufscharts platziert ist (Senatsbeschlüsse vom 08.01.2010 - 6 W 153/09 - und vom 13.04.2010 - 6 W 28/10). Das gewerbliche Ausmaß der Rechtsverletzung muss nicht offensichtlich sein und ein in Ranglisten zum Ausdruck kommender besonders großer kommerzieller Erfolg wird nicht vorausgesetzt (Senatsbeschluss vom 04.06.2009 -6 W 48/09). Jedoch müssen bei einem aktuellen Musikalbum schon besondere Umstände vorliegen, um nach Ablauf von sechs Monaten seit der Veröffentlichung eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können (Senatsbeschlüsse vom 26.07.2010 - 6 W 98/10; 77/10; 86/10).
Im Streitfall geht es darum, dass im März 2010 ein schon im August 2008 erschienenes, also über eineinhalb Jahre auf dem Markt befindliches aktuelles Musikalbum innerhalb eines P2P-Netzwerks öffentlich zugänglich gemacht wurde. Von einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß kann deshalb nicht ohne besondere Umstände ausgegangen werden. Derartige Umstände hat die Antragstellerin trotz eines konkreten Hinweises des Senats (Bl. 172 d.A.) nicht mitgeteilt. Mangels zumutbarer Mitwirkung der Antragstellerin entfiel eine weitergehende Pflicht zur Amtsermittlung (§101 Abs. 9 S. 4 UrhG i.V.m. §§ 26 und 27 FamFG; Zöller / Feskorn, ZPO 28. Aufl., FamFG § 26 Rn. 4 m.w.N.; § 27 Rn. 4), für die erfolgversprechende Ansätze auch nicht ersichtlich sind.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 84 FamFG.
V.
Der Senat hat gemäß § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil eine höchstrichterliche Klärung der in diesem Beschluss erörterten Fragen noch aussteht, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aber geboten erscheint.
Beschwerdewert: 1.200,00 €