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KUG

Landgericht Essen, Urteil vom 5 Juni 2014, AZ.: 4 O 107/14 - Videoberichterstattung über Opfer einer Straftat

LG Essen, Veröffentlichung von Videoaufnahmen von Opfern einer Straftat können zulässig sein
Urteilstext: 

Landgericht Essen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... , die Richterin am Landgericht ... und den Richter ...
für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 110 % des gegen den Kläger zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verbreitung einer Videoaufzeichnung zu seiner Person.

Der Kläger ist beruflich im Personenschutz tätig und Geschäftsführer der …

Die Beklagte ist eine Fernsehproduktionsgesellschaft im Bereich der Sensationspresse. Sie verbreitet Filmmaterial u.a. im Internet unter … und auf einem YouTube-Kanal (”…”). Sie gibt die von ihr gefertigten Aufnahmen auch an Fernsehsender weiter.

Am 11.11.2013 führte der Kläger eine Observierung im Bereich des Unterbacher Sees in Düsseldorf durch. Er war hierbei in seinem Dienstfahrzeug unterwegs. Der Kläger wurde von einem unbekannten Täter überfallen. Er alarmierte die Polizei, die sich kurz nach dem Überfall gemeinsam mit der Feuerwehr am Tatort einfand. Im weiteren Verlauf fand sich auch der Geschäftsführer der Beklagten mit einem Filmteam ein und fertigte vom Tatort und den dort anwesenden Personen Videoaufnahmen. Am 12.11.2013 verbreitete die Beklagte die Videoaufnahmen über ihren o.g. Youtube-Kanal. Dabei ist auch der Kläger unverpixelt zu sehen, und zwar von hinten und im Profil.

Ab dem 12.11.2013 wurden Ausschnitte bzw. Fotos aus der streitgegenständlichen Aufnahme bundesweit in Zeitungen und auch im lokalen Fernsehen gezeigt.

Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt in die Veröffentlichung der Videoaufnahme eingewilligt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie dazu auf, das Video zu löschen und nicht länger zugänglich zu machen. Das vorgenannte Schreiben ging der Beklagten per Fax am 19.12.2013 zu. Am 20.11.2013 löschte die Beklagte das Video im vorgenannten Youtube-Kanal.

Mit Fax-Schreiben vom 23.12.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Video zwar gelöscht habe, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung indes ablehne.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei bereits wenige Minuten nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei von dieser erfolglos aufgefordert worden, die Filmaufnahmen zu unterlassen. Er sei in dem auf Youtube abrufbaren Video erkennbar gewesen, ebenso wie das Autokennzeichen des von ihm genutzten PKW. Sein Auftraggeber habe ihn an Hand des Videos identifiziert und ihm deshalb zunächst keine weiteren Aufträge mehr erteilt. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletze ihn in seinem Recht am eigenen Bild. Die Beklagte habe gegen § 22 KUG verstoßen. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

1. diejenigen Passagen der streitgegenständliche Videoaufnahme vom 11.11.2013, in denen der Kläger zu sehen, öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere im Internet;

2. die vorgenannte Videoaufzeichnung an Dritte weiterzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr Filmteam sei erst ca. 45 min. nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei daher bei Anfertigung der Filmaufnahmen davon ausgegangen, dass sich das Opfer des Überfalls nicht mehr am Tatort befinde. Die Beklagte meint, dass eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung der Aufnahme jedenfalls nicht erforderlich gewesen sei. Die Bildberichterstattung sei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KUG zulässig gewesen. Der Überfall vom 11.11.2013 sei ein zeitgeschichtliches Ereignis. Jedenfalls sei der Kläger nur als Beiwerk einer Örtlichkeit abgebildet. Schließlich sei der Kläger auch lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

 

Entscheidungsgründe

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 22 f. KUG iV.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Zwar ist der Kläger auf den Aufnahmen im Sinne des § 22 KUG erkennbar und hat auch nicht in die Veröffentlichung eingewilligt. Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften; die Interessenabwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG fällt zu Lasten des Kläger aus.

Der Kläger ist auf den Videoaufnahmen erkennbar im Sinne des § 22 KUG. Für die Erkennbarkeit kommt es nicht auf das Verständnis eines Durchschnittslesers- oder Zuschauers an. Vielmehr genügt es, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könnte erkannt werden. Hierfür reicht die Erkennbarkeit innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises aus. Die Identifizierbarkeit im engeren Familien- und Freundeskreis genügt hingegen nicht; die Erkennbarkeit muss mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann. Für die Erkennbarkeit genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildnisschutz ist der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden. Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3619; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2004, 6 U 39/04, NJW-RR 2004, 1633; LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2014, 3240 264/11, zitiert nach juris).

Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger hinreichend identifizierbar und damit erkennbar. Für die genannten Bilder besteht eine hinreichende Möglichkeit, dass der Kläger von dem beschriebenen Personenkreis und nicht nur im engen Familien- oder Freundeskreis erkannt werden kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er in einzelnen Sequenzen der Videoaufnahme wiederholt unverdeckt von der Seite zu sehen ist. Die genannten Sequenzen lassen den Betrachter die Gesichtszüge des Klägers, seinen Haarschnitt und teilweise seine Körperhaltung erkennen und ermöglichen durch die VViedergabe dieser charakteristischen Merkmale seine Identifizierung. Der Kläger ist auch weder aus übermäßiger Entfernung noch besonders verschwommen oder klein abgebildet. Auch geht der Kläger nicht in einer großen, unüberschaubaren Personengruppe unter. Vielmehr ist er sichtbarer Teil der Geschehnisse am Tatort, namentlich Teil einer abgesondert hinter einem Polizeiwagen stehenden Gruppe von drei Personen.

Der Kläger hat in die Veröffentlichung der Videoaufnahmen nicht eingewilligt.

Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 als Opfer und zugleich Zeuge einer nicht alltäglichen Straftat zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften.

§ 23 KUG bestimmt, wann die Veröffentlichung eines Bildnisses auch ohne Zustimmung des Abgebildeten erlaubt ist. Die Vorschrift beschränkt den Schutzumfang des Rechts am eigenen Bild im Interesse der Allgemeinheit an einer visuellen Information über das Zeitgeschehen. Soweit einer der in § 23 Abs. 1 KUG genannten Tatbestände erfüllt ist, sind Herstellung und Veröffentlichung eines Abbildung zulässig, sofern nicht ein vorrangiges berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Unterschied zur sogenannten absoluten Person der Zeitgeschichte treten relative Personen der Zeitgeschichte nur im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis vorübergehend aus der Anonymität und in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Informationsinteresse beschränkt sich hier auf das Geschehen, das den Betreffenden zur Person der Zeitgeschichte macht, wobei unerheblich ist, ob der Abgebildete bewusst oder wider Willen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf sich zieht.

Bereits bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Vorliegens eines Bildnisses “aus dem Bereich der Zeitgeschichte” i. S. von § 23 Abs. 1 KUG ist Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit zu nehmen und sind daher die Belange der Öffentlichkeit zu beachten (vgl. BVerfG, NJVV 2006, 3406, 3407 f). Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte (vgl. OlG Köln, Urteil vom 26. März 2013, 1-15 U 149/12, zitiert nach juris). Der Beurteilung ist dabei ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, VersR 1996, 341 f.). Maßgebend ist hierbei das interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist dabei zugunstender Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Bei den im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung heranzuziehenden Kriterien ist zum einen der Aspekt bedeutsam, ob das Erscheinen von Fotos oder Artikeln in der Presse einen Beitrag zu einer Auseinandersetzung von allgemeiner Bedeutung leistet, wobei sich dieser thematische Bezug nicht auf Vorgänge von historisch-politischer Relevanz oder auf spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse beschränkt, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, etwa unterhaltender Art umfasst, wie beispielsweise Sport oder das Verhalten prominenter Persönlichkeiten. Von Bedeutung ist ferner die Rolle oder Funktion der betroffenen Person und die Art ihrer Tätigkeit, die abgelichtet oder über die berichtet wird. Während eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson einen besonderen Schutz ihres Rechts auf Privatleben verlangen kann, gilt das nicht in gleichem Maß für Personen des öffentlichen Lebens. Als weiteres, in die Abwägung einzubeziehendes Kriterium ist das Verhalten der betroffenen Person vor der Veröffentlichung der Berichterstattung zu würdigen, wobei indes allein die Tatsache, dass die betroffene Person zuvor mit der Presse zusammengearbeitet hat, nicht geeignet ist, ihr jeglichen Schutz gegen die Veröffentlichung des fraglichen Beitrags oder des fraglichen Fotos zu entziehen. Einzubeziehen sind schließlich ebenfalls Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die. Umstände, unter denen das Foto aufgenommen wurde (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Nach den dargestellten Grundsätzen liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestand ein öffentliches Interesse an der Kenntnis der beanstandeten Aufnahmen. Bei dem Überfall auf den Kläger handelt es sich nicht um eine Tat aus dem Bereich der Kleinkriminalität, sondern um eine nicht alltägliche, durchaus spektakuläre Straftat. Die Berichterstattung über solche Straftaten, namentlich auch über Hergang, Tatort und Tatfolgen, erfüllt ein allgemeines Informationsinteresse.

Die Veröffentlichung erfolgte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen. Sie erfolgte hier ab dem 12.11.2013, d .h. einen Tag nach dem Vorfall. Darüber hinausgehend war der Berichterstattung der Beklagten zumindest für den Zeitraum von einigen Wochen Aktualität zuzubilligen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Überfall nach dem Vortrag des Klägers nicht unmittelbar aufgeklärt werden konnte.

Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 2 KUG die Veröffentlichung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte unzulässig sein können, liegen nicht vor. Die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht. Er genießt als Opfer einer Straftat, das aufgrund des Vorfalls vom 11.11.2013 auch nur zufällig ins öffentliche Interesse gerückt ist, zwar besonderen Schutz. Die Videoaufnahme ist für ihn indes nicht abträglich; sie zeigt ihn insbesondere nicht in einer Situation, in der es unschicklich wäre, einen Menschen genauer zu betrachten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.10.2008, 7 U 11/08, zitiert nach juris). Der Kläger wird namentlich nicht in einem erkennbaren emotionalen Ausnahmezustand gezeigt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass er verletzt, hilflos, emotional außer sich oder anderweitig unkontrolliert wäre. Auch springt nicht auf den ersten Blick ins Auge, dass es sich ausgerechnet bei dem Kläger um das Tatopfer handelt, zumal noch zwei weitere Personen am Tatort Zivilkleidung tragen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Umstände in der Berichterstattung der Beklagten vor, durch die der Kläger lächerlich gemacht oder verspottet werden würde.

Durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme wird auch nicht in die geschützte Privatsphäre des Klägers eingegriffen. Der Schutz der Privatsphäre lässt sich thematisch und räumlich bestimmen. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden, weil ihre Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch sich gehen lassen kann (vgl. zum Ganzen: Wandte/ßullinger, UrhR, 3. Auf!., S. 2105 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger ist hier während der Ausübung seines Berufes an einem öffentlich zugänglichen Ort zum Opfer einer Straftat geworden. Damit ist er lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

Der Kläger ist auch nicht aus sonstigen Gründen besonders schutzwürdig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefährdung einer Person durch die Bildveröffentlichung, insbesondere eine hierdurch bedingte konkrete Entführungsgefahr, eine nötigende Dauerverfolgung durch Paparazzi bei Prominenten sowie unter bestimmten Umständen die Ausnutzung von Heimlichkeit bei Anfertigung der Bildnisse den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 2 KUG erfüllen können. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Der Kläger macht zwar insoweit geltend, dass er durch die Bildveröffentlichung berufliche Nachteile erleide. Hierzu trägt er vor, dass sein Auftraggeber ihn nach dem Vorfall “bis zum 02.12.2013″ nicht mehr beauftragt und dies mit der Erkennbarkeit des Klägers auf den Videoaufnahmeh begründet habe. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, ist er in seiner Berufsausübung jedoch allenfalls mittelbar durch die Bildveröffentlichung beeinträchtigt. Der Umstand, dass ein Personenschützer Opfer eines Überfalls wird, stellt für sich genommen bei verständiger Würdigung seine beruflichen Fähiqkeiten noch nicht in Frage. Der Kläger trägt hierzu - im Gegenteil - selbst vor, dass er den Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen hat. Es mag sein, dass der Kläger durch die Veröffentlichung des Videos vorübergehend eine Bekanntheit erlanqt hat, die nach seiner Wahrnehmung für einen Personenschützer ungünstig ist. Die nur mittelbaren beruflichen Nachteile haben bei der vorzunehmenden Abwägung aber nicht das Gewicht einer persönlichen Gefährdung, die das typische Beispiel für eine zugunsten des Klägers vorzunehmende Interessenabwägung wäre.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,709 ZPO.

Unterschriften

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2014, AZ: VI ZR 197/13 - Mieterfest

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsgenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre.
Urteilstext: 

 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 197/13

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:

Die Revisionen gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. März 2013 werden auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, nehmen die Beklagte, eine Wohnungsbaugenossenschaft, auf Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos in Anspruch, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten im August 2010 veranstalteten Mieterfest zeigt.

Bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten wurden Fotos gefertigt, unter anderem das beanstandete Foto, auf dem im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen sind, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte in ihrer Broschüre "Informationen der Genossenschaft", Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt.

Auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben der Klägerinnen gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, den ebenfalls begehrten "Schadensersatz" in Höhe von insgesamt 3.000 € und die Abmahnkosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen. Die hierauf gerichteten Klagen hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufungen der Klägerinnen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung der Klägerinnen gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bereits deshalb aus, weil jedenfalls keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen vorliegt. Ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der Abmahnkosten scheitere daran, dass es bereits an der dafür erforderlichen Voraussetzung einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen bzw. ihres Rechts am eigenen Bild aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG fehle. Die Verbreitung des Bildnisses der Klägerinnen in der Mieterbroschüre der Beklagten ohne deren Einwilligung sei zwar nicht bereits nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt, weil die Teilnahme der Klägerinnen an dem Mieterfest kein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei. Jedoch sei die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen jedenfalls nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen. Der Anwendungsbereich dieser Regelung sei nicht von vorne- herein auf Fotos von Personengruppen beschränkt, sondern erfasse auch sogenannte repräsentative Aufnahmen, bei denen einzelne Personen als charakteristisch und beispielhaft für die Ansammlung herausgegriffen worden seien. Die auch im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerinnen am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von dem Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit führe zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen sei.

II.

A) Die Revision ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung uneingeschränkt zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selb- ständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte (Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, VersR 2011, 896 Rn. 8; vom 16. Juli 2013 - VI ZR 442/12, VersR 2013, 1181 Rn. 13; vom 17. September 2013 - VI ZR 95/13, VersR 2013, 1406 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, VersR 2012, 1140 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11, jeweils mwN). Hat das Berufungsgericht - wie hier - die Zulassungsentscheidung ohne einschränkenden Zusatz in den Tenor aufgenommen, kann sich eine Beschränkung der Zulassung aus der Begründung der Zulassungsentscheidung ergeben. Daran fehlt es hier. Vielmehr scheidet bei einer - vom Berufungsgericht angenommenen und mit der Zulassungsfrage angesprochenen - Zulässigkeit der Bildberichterstattung sowohl ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten als auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus.

B) Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten die Klägerinnen gegen die Beklagte allerdings bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht ver- letzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auf die Zulassungsfrage nach der Reichweite des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG kommt es deshalb nicht an.

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

3. Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

a) Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebilde- ten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 mwN). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von all- gemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO). Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhalten- den Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 20 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 20; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 14 und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 f.). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.

b) Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasst sich mit dem - jährlich stattfindenden - Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigt repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Die Bildberichterstattung vermittelt den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehun- gen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der Klägerin- nen, welches drei Generationen vereint. Zwar gibt es - außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr - keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wird dem Leser - so zutreffend das Berufungsgericht - ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt. Das Mieterfest ist ein Ereig- nis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teil- nahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Beklagte kann sich - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse beru- fen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

c) Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das - ohne Namensnennung - veröffentlichte Foto ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Be- klagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten. Die Revision macht schließlich nicht geltend, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

4. Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild ist in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Entsprechendes macht die Revision auch nicht geltend.

5. War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Galke    Wellner    Pauge  Stöhr    von Pentz

1. Instanz: AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 19.10.2012 - 224 C 184/12

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Berlin
Datum Vorinstanz: 
26. März 2013
Aktenzeichen Vorinstanz: 
27 S 18/12

Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.09.2012, AZ: 7 U 56/11

OLG Hamburg zur Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Presseveröffentlichung eines manipulierten Bildes
Urteilstext: 

 

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 7. Zivilsenat, Urteil vom 04.09.2012, 7 U 56/11

§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 22 S 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 27. Mai 2011, Az: 324 O 648/10, Urteil
 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.05.2011, Az. 324 O 648/10, wird zurückgewiesen.

 

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

3. Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 Euro, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 

I.

1

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung, es zu unterlassen, das Titelbild der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ Nr. ... vom ... September ... erneut zu veröffentlichen. Abgebildet sind die Klägerin und ihr Ehemann auf deren Weingut zwischen Weinreben. Anlass zur Klage ist eine auf Seiten der Beklagten am Foto vorgenommene Farbveränderung, die die Klägerin stärker geschminkt erscheinen lässt als auf dem unbearbeiteten Foto, nämlich mit einem auffälligen hellblauen Lidschatten auf den Ober- und Unterlidern (Anl. K 1, K 8, B 1).

2

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

 

3

Gegen das ihr am 31. Mai 2011 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 9. Juni 2011 Berufung eingelegt und eine Berufungsbegründung vor Ablauf der verlängerten Begründungsfrist eingereicht.

 

4

Die Beklagte beruft sich auf eine von der Klägerin erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotografie und rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht verkannt habe, dass die am Foto vorgenommenen Helligkeits- und Farbanpassungen zur Veröffentlichung auf der Titelseite reproduktionstechnisch erforderlich und für den Aussagegehalt unbedeutend gewesen seien. Maßstab für die reproduktionstechnische Erforderlichkeit sei die Angleichung der Fotografie an das gesamte Erscheinungsbild des Titels unter Einbeziehung des für den Druck verwendeten Hochglanzpapiers. Für die zu treffenden Feststellungen habe sie einen sachverständigen Zeugen und ein Sachverständigengutachten angeboten.

5

Die Beklagte führt ferner gegen den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch an, dass die geringfügige Veränderung der Fotografie durch die Bildbearbeitung nur wahrgenommen werde, wenn das Originalfoto zu einem unmittelbaren Vergleich herangezogen werde. Auf Grund dieser Geringfügigkeit sei eine nennenswerte Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht eingetreten. Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte führe zu einem Vorrang der Pressefreiheit.

 

6

Die Beklagte beantragt,

 

7

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

 

8

Die Klägerin beantragt,

 

9

die Berufung zurückzuweisen.

 

10

Für den Vortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

II.

11

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

 

12

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 Abs. 2 KUG bejaht.

 

13

1. Im angefochtenen Urteil wird zutreffend festgestellt, dass das beanstandete Bildnis der Klägerin ohne deren Einwilligung veröffentlicht worden ist (§ 22 S. 1 KUG), weil die bei der Aufnahme des Fotos (das zu Zwecken der Veröffentlichung angefertigt wurde) erteilte Einwilligung die nachträgliche Bildbearbeitung nicht deckte. Auf der Grundlage der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14. Februar 2005, 1 BvR 240/04, AfP 2005, 171ff, 173) kann dahinstehen, ob etwa „…rein reproduktionstechnisch bedingte … Veränderungen …“ die Einwilligung unberührt lassen würden; denn dies gilt jedenfalls nicht für Veränderungen, die den Aussagegehalt des Bildnisses nicht nur unbedeutend beeinflussen und zu einer unzutreffenden Bildaussage führen.

14

Auch nach Auffassung des Senats hat die auf Seiten der Beklagten vorgenommene Bildbearbeitung indes die Bildaussage nicht nur unbedeutend verändert, da die Klägerin auf dem veröffentlichten Foto stärker geschminkt erscheint, als es in der abgebildeten Situation der Realität entsprach. Die Farbveränderung erweckt insbesondere den unzutreffenden Eindruck, dass die Klägerin für das auf dem Weingut aufgenommene Foto ihre Ober- und Unterlider mit einem auffälligen hellblauen, glänzenden Lidschatten geschminkt hatte. Tatsächlich hatte sie zwar ihre Augen geschminkt, jedoch wirkte ihr Makeup wesentlich dezenter und war ihr äußerer Eindruck deshalb natürlicher. Ergänzend wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden.

15

2. Es kann zwar angenommen werden, dass die Abbildung im Hinblick darauf, dass der Ehemann der Klägerin ein Weingut erworben hatte, als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne eine Einwilligung verbreitet werden durfte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG); dennoch stuft der Senat die erfolgte Veröffentlichung nicht als rechtmäßig ein, weil sie ein berechtigtes Interesse der Klägerin verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Diese Rechtsverletzung ist in der durch die Bildbearbeitung verursachten unzutreffenden Bildaussage begründet, die nach den vorstehenden Ausführungen (zu Ziffer 1.) nicht als nur unbedeutende Veränderung gelten kann.

16

Auch eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien, einerseits der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit der Beklagten, andererseits des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

17

Die Pressefreiheit und insbesondere die Freiheit der redaktionellen Gestaltung haben hier schon deshalb geringere Bedeutung, weil eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut ist (vgl. BVerfG a.a.O. S. 173 für die Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten). Diese Einschränkung gilt auch für Manipulationen von Fotografien, die zu einer unzutreffenden Bildaussage führen, auch wenn sie im Einzelfall dazu dienen, unter bildredaktionellen und fotografischen Gesichtspunkten die Qualität der Abbildung zu verbessern (vgl. BVerfG a.a.O. S. 173). Während die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass ihre Abbildung vor der Veröffentlichung so verändert würde, dass ihre Augen – wie auch immer dies technisch bewirkt wurde - mit auffälligem Lidschatten versehen wurden und sie stärker geschminkt erschien als in der Realität der abgebildeten Situation, lag es für die mit der Manipulation befassten Bildredaktion auf der Hand, dass dadurch eine nicht unbedeutende Veränderung der Bildaussage eintrat. Bei Nutzung moderner elektronischer Kommunikationsmittel hätte es im Übrigen nur wenig Mühe und Zeit gekostet, die Klägerin um ihre Einwilligung in die Bildveränderungen zu bitten. Bei einer Versagung der Einwilligung hätte noch die Möglichkeit bestanden, dass nicht aufgehellte Bild zu benutzen und es entweder im Heftinneren abzudrucken und auf das Titelblatt eine Abbildung nur des Ehemannes der Klägerin zu drucken oder das beanstandete Foto in der dunkleren und weniger scharfen Originalfassung.

18

Nach allem führt die Interessenabwägung wegen der - auch mit Rücksicht auf die angeführten redaktionellen Alternativen - geringeren Beeinträchtigung der Pressefreiheit zu einem Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

 

19

Abschließend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils ergänzend Bezug genommen.

 

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

21

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

 

22

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erfüllt sind.

 

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Hamburg
Datum Vorinstanz: 
27. Mai 2011
Aktenzeichen Vorinstanz: 
324 O 648/10
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