Mitgliedschaft im Deutschen AnwaltVerein Logo

 

Fortbildungssymbol-farbig-klein.png

 

MLogo_farbig-JPG_0.jpg

 

 

 

LG

LG Köln Ursula Sarrazin

Landgericht Köln - Ursula Sarrazin
Urteilstext: 

T e n o r

  1. Der Beklagten zu 1 wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern - verboten, die erste Auflage des Druckerzeugnisses „Y – “ (ISBN ##### ) in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, wenn die minderjährige Klägerin in dem genannten Werk mit vollständigem Namen oder als „B2“ benannt wird, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
     
  2. Der Beklagten zu 2 wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten, die Minderjährige B2 in ihrem Buch „Y – “ (ISBN ##### ) mit vollständigem Namen oder als „B2“ zu benennen, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
     
  3. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 1.196,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.157,- € seit dem 16.11.2012 und auf 39,43 € seit dem 4.5.2013 (Beklagte zu 1) bzw. seit dem 5.5.2013 (Beklagte zu 2) zu zahlen.
     
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
     
  5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten zu jeweils 1/6.
     
  6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 1. und zu 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 5.000,- €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
 

T a t b e s t a n d

Die minderjährige Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Unterlassung der identifizierenden Erwähnung ihrer Person in dem Buch „Y – “ sowie eine Entschädigung in Geld.

Die Beklagte zu 1 verlegt das Buch „Y – “, das im Oktober 2012 mit einer Erstauflage von ca. 30.000 Exemplaren in den Verkehr gebracht wurde, von denen noch 5.000 Exemplare im Handel sind, und dessen Autorin die Beklagte zu 2 ist. Letztere war bis zum Jahr 2011 Grundschullehrerin in Berlin und unterrichtete im Jahre 2007/2008 für einige Zeit die Klägerin, die probeweise von der zweiten in die dritte Klasse hochversetzt worden war, um zu bewerten, ob die Klägerin aufgrund ihrer angenommenen überdurchschnittlichen Begabung geeignet war, eine Klasse zu „überspringen“. Die Beklagte zu 2 schildert in ihrem Buch ihre Sichtweise zur damaligen probeweisen Hochversetzung der Klägerin und nennt den vollständigen Namen der Klägerin auf Seite 166 der Druckversion und des ebooks, ohne dass eine Einwilligung der Klägerin oder deren Mutter vorlag. Ferner wird die Klägerin in dem Buch als „B2“, als „Kind von B1“ und als „Tochter von B1“ bezeichnet.

Die Beklagten wurden mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2012 zur Unterlassung aufgefordert. Mit Schreiben vom 5.11.2012 und vom 9.11.2012 gaben die Beklagten strafbewehrte Unterlassungserklärungen für die zweite Auflage der Druckversion des Buches sowie für die ebook-Version hinsichtlich des vollständigen Namens der Klägerin ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K5 und K6 Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2013 haben die Beklagten erklärt, dass sich ihre Unterlassungserklärung auch auf die Nennung des abgekürzten Namens „B2“ bezieht.

Im Jahre 2008 erschienen mehrere Presseartikel, in denen über die Beklagte zu 2 und die geschilderte Schulsituation der damals siebenjährigen Klägerin berichtet wurde. In diesen Artikeln wurde die Mutter der Klägerin namentlich erwähnt und auf die Klägerin Bezug genommen, ohne diese namentlich zu nennen. An eine der Zeitungen, die Berliner Zeitung, hatte sich die Mutter der Klägerin im November 2008 selbst gewandt und unter ihrem Namen über die schulische Situation der Klägerin berichtet. Daraufhin erschien am 5.11.2008 ein entsprechender Artikel. Im Jahr 2011 erschienen erneut Presseberichte über die Beklagte zu 2, in denen über die Schulsituation der Klägerin im Jahre 2007/2008 berichtet wurde, ohne dass die Klägerin oder deren Mutter namentlich genannt wurden. Sämtliche Artikel sind weiterhin im Internet abrufbar. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K7, B7 und B8 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Meinung, dass aufgrund ihrer fehlenden namentlichen Nennung in den Presseartikeln aus dem Jahre 2008 eine Identifizierbarkeit nicht gegeben sei. Selbst wenn im Jahr 2008 seitens ihrer Mutter über die Klägerin identifizierende Merkmale bekannt gegeben worden seien , bedeute dies nicht, dass die Beklagten hierdurch das Recht erhielten, den vollständigen Namen der Klägerin zu nennen. Sie dürften, wenn überhaupt, lediglich die identifizierenden Merkmale der Klägerin nennen, die aufgrund der Berichterstattung aus dem Jahre 2008 bekannt gewesen seien. Außerdem müsse sich die Klägerin das Verhalten ihrer Mutter nicht zurechnen lassen. Sie selbst habe keine Einwilligung erteilt, dass über sie identifizierend, geschweige denn namensnennend, berichtet werde. Die Namensnennung im Zusammenhang mit der Darstellung der Klägerin als unreifer „Pseudo-Hochbegabten“, die in rechtswidriger Weise in die dritte Klasse hochversetzt worden sei, stelle eine Eingriff in die Intimsphäre, jedenfalls aber in die Privatsphäre der Klägerin dar. Zudem liege ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 GG vor, da der Schutz einer Minderjährigen, die sich in einem sehr sensiblen Alter befinde, in Rede stehe.

Die Klägerin ist ferner der Meinung, dass sie in dem streitgegenständlichen Buch mehrfach in identifizierender Weise benannt werde, so z.B. als „B2“ oder als „Kind von Frau B1“ oder als „Tochter von Frau B1“. Es sei erforderlich, dass sämtliche die Identifizierung ermöglichende Nennungen aus dem streitgegenständlichen Buch entfernt würden. Hierzu zählten unter anderem auch die namentliche Erwähnung der Mutter der Klägerin, da über diese  in Verbindung mit den Begriffen „Tochter“ und „Kind“ oder „B2“ eine Identifizierung der Klägerin ermöglicht werde.

Die Klägerin ist der Meinung, dass eine Selbstöffnung nicht vorliege, da nicht sie, sondern nur ihre Mutter in den Presseberichten identifizierend erwähnt werde. Auch die Nennung der Schule und die Angabe der Schulklasse führten nicht zu einer mittelbaren Identifizierung der Klägerin. Die Klägerin ist der Meinung, dass entgegen der Annahme der Beklagten aufgrund der Angaben ihrer Mutter gegenüber der Berliner Zeitung an keiner Stelle Angaben über ihr  Alter oder den Ort bzw.  den Namen der Schule veröffentlicht worden seien. An den weiteren Presseartikeln sei die Mutter der Klägerin zu keiner Zeit beteiligt gewesen. Die Presseartikel aus dem Jahre 2011 seien ohne namentliche oder sonst identifizierende Erwähnung der Mutter der Klägerin, geschweige denn der Klägerin selbst, erschienen. Zudem hätten weder die Mutter der Klägerin noch die Klägerin an den 2011 erschienenen Presseartikeln mitgewirkt. Deshalb macht  die Klägerin geltend, dass ihre Mutter sich im Jahr 2008 einmalig zu dem konkreten Verhalten der Beklagten zu 2 geäußert  und in der Folge nicht mit der Presse kommuniziert habe. Aufgrund des nunmehr fünfjährigen Zeitablaufs und der fortgesetzten Ablehnung weiterer Presseanfragen durch die Mutter der Klägerin sei es zu einem Wiederaufleben des Schutzes der Privatsphäre in dieser Angelegenheit gekommen. Selbst wenn man von einer Selbstöffnung der Mutter ausginge, müsse die Klägerin sich diese nicht zurechnen lassen. Sie sei nicht damit einverstanden gewesen, dass sie durch ihre Mutter und die Beklagte zu 2 in identifizierender Weise in der Öffentlichkeit genannt werde.

Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass verschiedene unwahre Behauptungen der Beklagten zu 2 kreditgefährdend und herabwürdigend seien.

Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, dass eine Wiederholungsgefahr weiterhin bestehe, da die von den Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärungen – auch im Hinblick auf die Klageerweiterung – nicht geeignet seien, das Begehren der Klägerin zu erfüllen. Auch hinsichtlich der Nennung des Namens des Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit sei eine Wiederholungsgefahr gegeben, weil durch die Nennung des Namens in dem Buch die Gefahr bestehe, dass die Beklagte zu 2 den Namen im Zusammenhang mit Vorträgen und Buchvorstellungen nenne. Bereits einmal habe die Beklagte zu 2, ohne den Namen der Klägerin oder den ihrer Mutter zu nennen, den konkreten Fall während einer Buchvorstellung dargestellt.

Die Klägerin ist der Meinung, dass ihr gegen die Beklagten ein Geldentschädigungsanspruch in Höhe von 10.000,- € zustehe. Denn aufgrund der namentlichen Nennung in dem Literaturwerk, in dem die Beklagte zu 2 offensichtlich mit Personen aus ihrer Schulzeit „abrechne“, liege eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung. Ferner beschreibe die Beklagte zu 2 in teilweise wahrheitswidriger Weise umfassend das ihr angeblich geschehene Unrecht durch eine Mutter, nämlich der Mutter der Klägerin, die um jeden Preis ihrer Tochter als hochbegabt habe erscheinen lassen wollen, obwohl ihre Tochter sozial unreif, nur durchschnittlich begabt und demgemäß nicht förderungswürdig gewesen sei. Die namentliche Nennung, auch wenn sie nur an zwei Stellen des Buches geschehe, führe zu einer unerträglichen Situation für die Klägerin, da ihre gesamte damalige schulische Situation in dem Buch dargestellt werde. Ferner habe die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches bereits zu einer Erkrankung geführt, weil im Februar 2013 das streitgegenständliche Buch in der Schulklasse der Klägerin zweimal besprochen worden sei. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang sehr große Angst davor gehabt, dass ihr Name im Zusammenhang mit der Buchbesprechung bekannt würde und ihre Mitschüler von ihrer Schulgeschichte erfahren würden. Diese Angst der Klägerin habe zu sehr starken, häufig auftretenden Kopf- und Bauchschmerzen geführt. Der behandelnde Arzt der Klägerin attestierte ein sogenanntes psychosomatisches Syndrom. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K16 Bezug genommen.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass bezüglich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten eine 1,5 Geschäftsgebühr angemessen sei.

Die Klägerin beantragt,

  1. Es wird der Beklagten zu 1 verboten, dass Druckerzeugnis und ebook „Y – “ (ISBN ##### ) in den Verkehr zu bringen und öffentlich zu verbreiten, wenn die Minderjährige Klägerin in dem genannten Werk mit vollständigem Namen oder in sonst identifizierender Weise, nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1, benannt wird, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
     
  2. Es wird der Beklagten zu 2 verboten, die Minderjährige B2 in der Öffentlichkeit, insbesondere in ihrem Buch „Y – “ (ISBN ##### ) und/oder in Bezug auf das Buch mit vollständigem Namen oder sonst in identifizierender Weise, nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1, zu benennen, wenn dies wie in Anlage K1 dargestellt geschieht.
     
  3. Den Beklagten werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf.
     
  4. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 11.376,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.157,- € seit dem 16.11.2012 und auf 10.219,83 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Meinung, dass die Mutter der Klägerin ihre Einzelvertretungsbefugnis nicht dargelegt habe. Zudem sei die Klageerweiterung unzulässig, da die Voraussetzungen der §§ 263 f. ZPO, insbesondere die erforderliche Sachdienlichkeit, nicht vorlägen, und die Anträge im Hinblick auf die Formulierung „in sonst identifizierender Weise“ zu unbestimmt seien, da nicht ersichtlich sei, welche Äußerungen den Beklagten bei einem entsprechenden Urteil untersagt wären.

Die Beklagten sind ferner der Auffassung, dass es insbesondere an einer Rechtsverletzung fehle, da der in dem Buch dargestellte Sachverhalt bereits Gegenstand umfassender Presseberichterstattungen gewesen sei und bei dieser Gelegenheit durch eigene Initiative der Mutter nicht nur deren vollständiger Name genannt worden sei, sondern auch weitere Umstände, welche die Klägerin leicht identifizierbar gemacht hätten (Alter der Klägerin, Schulklasse, Ort und Name der Schule). Die Nennung des vollständigen Namens der Klägerin durch die Beklagten vereinfache diese Identifizierbarkeit nur unwesentlich. Darüber hinaus habe sich die Mutter der Klägerin selbst an die Presse gewandt, um die in dem Buch geschilderte und die Klägerin betreffende Angelegenheit aus ihrer Sicht darzustellen. Auch betreibe sie - unstreitig - die Internetseite www.anonym1.de, bei der es um schulische Probleme und Schulpolitik geht. Dort und auf der Internetseite www.anonym2.de habe sie angekündigt, ein „Gegenbuch“ zu verfassen, und zu Spenden zur Finanzierung dieses Rechtsstreits aufgerufen. Damit habe sie sich durch die Selbstöffnung der Privatsphäre ihres Rechts und des Rechts ihrer Tochter auf Anonymität begeben. Die erziehungsberechtigte Mutter und gesetzliche Vertreterin der Klägerin habe im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit freiwillig und wiederholt das Licht der Öffentlichkeit gesucht, so dass der Klägerin im Hinblick auf diese Angelegenheit kein Schutz ihrer Anonymität zukommen könne.

Ferner überwiege das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung die Interessen der Klägerin. Der Fall der Klägerin werde durch das streitgegenständliche Buch einem erheblichen und aktuellen Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerecht, welches angesichts der weitgehend ausgewogenen Darstellung zulässig sei. Das streitgegenständliche Buch leiste einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Schul- und Bildungspolitik, indem es etwa eine Diskussion zu der Frage der Elternrechte und des Lehrermobbing anstoße. Der Fall der Klägerin sei hierfür exemplarisch. Eine solche Debatte könne aber nur unter Verweis auf den konkreten Geschehensablauf und die einzelnen Beteiligten begründet, angestoßen und beleuchtet werden. Die namentliche Nennung der Person, um die es tatsächlich gehe, sei daher im öffentlichen Interesse zulässig. Bedeutsam sei darüber hinaus die geringe Intensität des Eingriffs, da die identifizierende Nennung des Namens der Klägerin lediglich an zwei Stellen kurz hintereinander auf Seite 166 des Buches erfolge. Zudem sei eine Identifizierung der Klägerin aufgrund der vorangegangen Presseberichte und der dort enthaltenen Details bereits unproblematisch möglich gewesen. In jedem Falle fehle es an der für den Unterlassungsanspruch zwingend erforderlichen Wiederholungsgefahr. Diese sei durch die Abgabe von ausreichenden Unterlassungserklärungen durch die Beklagten ausgeräumt worden.

Ein Anspruch auf Geldentschädigung liege ebenfalls nicht vor, denn es fehle bereits an einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin.

Die Beklagte zu 2 ist schließlich der Auffassung, dass der Antrag zu 2 zu weit gefasst sei, da er auch die Aufforderung zur Unterlassung der Namensnennung der Klägerin in der Öffentlichkeit enthalte. Sie habe jedoch den Namen der Klägerin in der Öffentlichkeit nicht genannt. Demzufolge fehle es zudem an einer Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr.

Im nachgelassenen Schriftsatz vom 31.7.2013 hat die Klägerin hinsichtlich der Klageerweiterung, soweit sich das Unterlassungsbegehr dort auf die Bezeichnung der Klägerin als „B2“ erstreckt, einseitig für erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Die Klägerin ist zwar nicht prozessfähig i.S.d. §§ 51 Abs. 1 Alt. 1, 52 ZPO, wird jedoch gemäß den §§ 51 Abs. 1 Alt. 2, 52 ZPO i.V.m. den §§ 1629 Abs. 1 S. 3, 1626a Abs. 3 BGB ordnungsgemäß durch ihre Mutter allein vertreten, da diese ausweislich der Negativbescheinigung des Bezirksamts Z vom 23.5.2013 alleinvertretungsbefugt ist.

2.

Die Klageerweiterung ist gemäß § 263 Alt. 2 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Streitrechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH, NJW 2000, 800). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung dieses Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Im Vordergrund steht  dabei die Frage, ob und inwieweit durch die Zulassung der Klageänderung der sachliche Streitstoff im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausgeräumt und einer andernfalls zu gewärtigenden neuen Klage vorgebeugt werden könnte. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, a.a.O.).

Letzteres ist nicht der Fall. Es wird zwar ein neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt, der bisherige Streitstoff kann jedoch im Zusammenhang mit dem zuvor geltend gemachten Ansprüchen verwendet werden. Zudem weisen beide Sachverhalte die Gemeinsamkeit auf, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf die Veröffentlichung eines Buches stützt.

3.

Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich der Nennung des abgekürzten Namens „B2“ im Schriftsatz vom 31.7.2013 ist unzulässig.

Denn zwischen den Instanzen ist die einseitige Erklärung der Erledigung nicht möglich (vgl. Vollkommer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage 2012, § 91a ZPO, Rn. 38). Ein solcher Fall liegt auch trotz des der Klägerin gewährten Schriftsatznachlasses i.S.d. § 283 ZPO vor. Denn nur eine Erwiderung auf den Sachvortrag des Gegners darf berücksichtigt werden, nicht jedoch nachgeschobene Anträge. Ein geänderter Sach- oder Verfahrensantrag darf ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Er ist verspätet i.S.d. § 296a ZPO, da er spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen war (vgl. Greger, a.a.O., § 283 ZPO, Rn. 5 und § 296a ZPO, Rn. 2a). Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 ZPO ist nicht angezeigt, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Auch eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2013 die Möglichkeit hatte, den nunmehr schriftsätzlich formulierten Antrag zu stellen.

4.

Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift außer der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Klageantrag enthalten. Dessen Angabe bedarf es zur Festlegung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 ZPO), zur Erkennbarkeit der Tragweite des begehrten Verbots und der Grenzen seiner Rechtskraft. Daher darf nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, NJW 1991, 296  - Flacon; BGH, NJW 1991, 1114 - Unbestimmter Unterlassungsantrag I). Für den Beklagten würde es eine nicht erträgliche Unsicherheit bedeuten, wenn er zur Unterlassung von Handlungen verurteilt würde, die nicht konkret umschrieben sind, um deren kennzeichnende Begriffe die Parteien streiten oder die auf einer rechtlich erst vorzunehmenden Beurteilung beruhen, und wenn demgemäß erst das Vollstreckungsgericht entscheiden müsste, wie weit das Unterlassungsgebot reicht (BGH, NJW-RR 1992, 1068 – Unterlassungsantrag II; vgl. auch Greger, a.a.O., § 253 ZPO, Rn. 13b m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind jedenfalls die von der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträge hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da durch die Konkretisierung des „oder in sonst identifizierender Weise“ durch „nämlich als B2, Tochter der Frau B1 und/oder Kind der Frau B1“ hinsichtlich des begehrten Verbotsumfangs keine Unsicherheit (mehr) besteht.

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

1.

Der Antrag zu 1 ist teilweise begründet.

a.

Die Klägerin hat trotz der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) aus  §§ 823 Abs. 1 und 2 i.V.m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in  der ersten Auflage des streitgegenständlichen Buchs.

Die angegriffene Berichterstattung verletzt die Klägerin aufgrund der Nennung ihres Namens in vollständiger und  in abgekürzter Form in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form ihres Rechts auf Achtung ihrer Privatsphäre.

Die Nennung und Darstellung einer Person in einer Druckschrift - oder eines ebooks - und die damit erfolgte Mitteilung von Umständen über sie an die Öffentlichkeit ist ohne ihre Einwilligung grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung ihres durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechtes. Dieses jedermann schützende Recht beinhaltet auch, in selbst gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der mitzuteilende Umstand den Tatsachen entspricht, weil das Persönlichkeitsrecht auch eine solche Mitteilung der Disposition der betroffenen Person unterstellt. Die identifizierende Darstellung von Personen ist lediglich dann zulässig, wenn ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorhanden ist. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn eine Aktualitätsbezug vorliegt oder der Betroffene zu einer solchen Darstellung selbst Anlass gegeben hat (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 10, Rn. 53).

Ausgehend von diesem Grundsatz ist die Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und  in abgekürzter Form in dem streitgegenständlichen Buch rechtswidrig. Es bedarf auch grundsätzlich keiner weiteren Darlegung von Umständen seitens der Klägerin, in welcher Weise sie durch die Namensnennung beeinträchtigt worden ist  oder noch beeinträchtigt werden  könnte. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beklagte zu 1 ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung des Namens der Klägerin darlegen könnte. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Ob ein solches, dem Schutz des Persönlichkeitsrechts vorgehendes öffentliches Informationsinteresse vorliegt, ist im Einzelfall durch eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen, wobei auch die Kriterien, die die Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung der §§ 22, 23 KUG zur Bildveröffentlichung entwickelt hat, Berücksichtigung finden können (vgl. Burkhardt, a.a.O.). So ist dem öffentlichen Informationsinteresse regelmäßig der Vorrang einzuräumen, wenn der von der Berichterstattung Betroffene durch sein Verhalten zu einer entsprechenden Darstellung Veranlassung gegeben hat (BGH, NJW 1994, 124 – Greenpeace; BGH, NJW 2000, 1036, 1038 – Verdachtsberichterstattung).

Ein schützenswertes Interesse der Beklagten zu 1 an der Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und  in abgekürzter Form ist jedoch nicht ersichtlich. Hierbei ist zu beachten, dass in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt ist, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen. Zwar wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021). Zudem gibt es keine Regelvermutung dahingehend, dass jedes Informationsinteresse hinter dem Anonymitätsinteresse von Minderjährigen grundsätzlich zurückzustehen habe (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1500).

Hier wird in dem streitgegenständlichen Buch der Name der erst zwölf Jahre alten Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form im Zusammenhang mit einem Streit über ihre Hochbegabung genannt. Dadurch besteht zumindest die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund ihrer vermeintlichen Hochbegabung und des Versuchs, eine Klasse zu „überspringen“, Anfeindungen oder Hänseleien etwa von Mitschülern ausgesetzt wird. Demgegenüber ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Nennung des Namens der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form als gering einzustufen. Die Klägerin hat auch nicht durch eigenes Verhalten Anlass zu der Namensnennung gegeben; insbesondere hat sie sich nicht gegenüber Medien zu dem Streit um ihre Hochversetzung geäußert und damit ihre Privatsphäre geöffnet. Das mag zwar bei ihrer Mutter anders sein; sofern die Mutter Details aus der Privatsphäre ihrer Tochter der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, muss sich die Klägerin dies auch gemäß den §§ 1626, 1629 BGB zurechnen lassen. Dies bedeutet aber lediglich, dass die Klägerin sich nicht gegen Veröffentlichungen wenden kann, die gerade die von ihrer Mutter genannten Details aus ihrem Privatleben enthalten; der vollständige oder abgekürzte Name der Klägerin wurde zuvor jedoch unstreitig nicht veröffentlicht. Ferner ist nicht ersichtlich, welches öffentliche Interesse nun fast fünf Jahre nach der Auseinandersetzung an der Namensnennung der Klägerin in vollständiger oder abgekürzter Form bestehen soll. Dass manche Leser auch ohne Namensnennung aufgrund der Namensnennung der Mutter wissen oder herausfinden können, um welches Kind es geht, ist nicht entscheidend, da dies jedenfalls ein kleinerer Personenkreis wäre als bei einer Namensnennung der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form. Demgegenüber ist das Interesse der Klägerin, nicht namentlich genannt zu werden, mit Blick auf Art. 6 GG und ihre ungestörte Entwicklung besonders schutzwürdig.

Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung grundsätzlich zu vermuten und kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH, NJW 1994, 1281).

Dies ist hier mit den Schreiben vom 5.11.2012 und vom 9.11.2012 bezüglich der Druckversion ab der zweiten Auflage und bezüglich des ebook geschehen, so dass ein Unterlassungsanspruch insoweit mangels Wiederholungsgefahr nicht (mehr) besteht. Da der Antrag zu 1 jedoch seinem Wortlaut nach auch die folgenden Auflagen der Druckversion und das ebook umfasst, ist er insofern unbegründet.

Da sich die Unterlassungserklärung der Beklagten zu 1 nicht auf die erste Auflage der Druckversion des streitgegenständlichen Buches bezieht, ist insofern die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.

Eine sich auch auf die erste Auflage der Druckversion beziehende Unterlassungserklärung war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch nicht entbehrlich.

Ist eine unzulässige Darstellung bereits gedruckt, kann eine sofortige Wirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung einem Verbreitungsstopp für die gesamte noch in der Verfügungsgewalt des Unterlassungsschuldners befindliche Auflage gleichkommen. Das kann als unerträglich erscheinen, wenn die Unzulässigkeit nur geringes Gewicht hat oder einen nur unverhältnismäßig kleinen Teil der Druckschrift ausmacht. In diesem Fall kann die sofortige Wirksamkeit mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar sein. Abgesehen davon entspricht es einem aus Treu und Glauben folgenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die Erfüllung einer Verpflichtung nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert werden kann. Hier sind die Interessen beider Parteien abzuwägen. Als Ergebnis hiervon kann die Leistungspflicht bei überobligationsmäßigen Belastungen des Unterlassungsschuldners entfallen bzw. diese der besonderen Situation über eine Aufbrauchfrist anzupassen sein (Burkhardt, a.a.O. Kap. 12, Rn. 99 f.; Kammer, Urteil vom 4.8.2010 – Az. 28 O 636/09; Kammer, NJOZ 2010, 445; OLG Hamburg, DtZ 1993, 349).

Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist es der Beklagten zu 1 zumutbar, den vollständigen und abgekürzten Namen der Klägerin in allen Büchern der ersten Auflage – gleich ob aufgebunden oder nicht - zu schwärzen, die sich noch in ihrem Herrschaftsbereich bzw. ihrer Verfügungsgewalt befinden. Dies umfasst nicht solche Exemplare des streitgegenständlichen Buches, die bereits an den Buchhandel ausgeliefert wurden und sich somit nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Beklagten zu 1 befinden.

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich zwar lediglich um zwei Nennungen des vollständigen Namens der Klägerin und eine von Seiten der Klägerin vorgetragene Nennung des abgekürzten Namens auf zwei von insgesamt 287 Seiten handelt, so dass die Unzulässigkeit auf den ersten Blick nur ein geringes Gewicht zu haben und einen nur kleinen Teil des Buches zu betreffen scheint. Es ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin aufgrund der Namensnennung auf diesen Seiten auch im Hinblick auf die zuvor in dem Buch beschriebenen Passagen (vgl. bspw. Seiten 119 ff., 141 ff.) für den Leser identifizierbar wird. Dort geht es zwar nicht primär um ihre vermeintliche Hochbegabung, sondern exemplarisch um die Einflussnahme der Mutter der Klägerin auf den schulischen Lebensweg der Klägerin. Jedoch werden auch dort Details über die schulische Leistungsfähigkeit der Klägerin verbreitet, die geeignet sind, sie im Schülerkreis Spötteleien auszusetzen. Zwar war die Klägerin durch die Vorveröffentlichungen in der Presse, gegen die sie sich – unabhängig davon, ob ihre  Mutter sich lediglich gegenüber einer Zeitung geäußert hat - nicht gewehrt hat, bereits für einen großen Kreis von Personen – so auch ihre Mitschüler – identifizierbar. Dies ist jedoch ein kleinerer Kreis als bei einer Namensnennung der Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form. Zu bedenken ist zudem, dass in dem streitgegenständlichen Buch der Name der erst zwölf Jahre alten Klägerin in vollständiger und abgekürzter Form im Zusammenhang mit einem Streit über ihre Hochbegabung genannt wird. Dadurch besteht – wie bereits ausgeführt - zumindest die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund ihrer vermeintlichen Hochbegabung und des Versuchs, eine Klasse zu „überspringen“, Anfeindungen oder Hänseleien etwa von Mitschülern ausgesetzt wird, zumal sie noch auf einige Jahre die Schule besuchen wird. Die Klägerin hat auch nicht – wie bereits ausgeführt - durch eigenes Verhalten Anlass zu der Namensnennung gegeben; insbesondere hat sie sich nicht gegenüber Medien zu dem Streit um ihre Hochversetzung geäußert und damit ihre Privatsphäre geöffnet. Das mag zwar bei ihrer Mutter anders sein; der vollständige oder abgekürzte Name der Klägerin wurde zuvor jedoch auch von dieser unstreitig nicht veröffentlicht. Ferner ist der Zeitablauf von nun fast fünf Jahren nach der Auseinandersetzung hinsichtlich der Hochversetzung der Klägerin zu berücksichtigen. Auch insofern ist der Klägerin mit Blick auf ihre ungestörte Entwicklung die Möglichkeit zu geben, mit diesem Thema abzuschließen.

Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1 bereits seit etwa  zehn Monaten ca. 25.000 von 30.000 Exemplaren des Buches verkauft hat. Somit bezieht sich der Aufwand der Schwärzung auf einen relativ kleinen Teil der Auflage und einen relativ kleinen Teil des Buches. Vor dem Hintergrund des insofern geringen Aufwands der Schwärzung einerseits und des erheblichen Gewichts des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin andererseits ist es der Beklagten zu 1 zumutbar, die Passagen hinsichtlich der Bücher, die sich noch in ihrer Verfügungsgewalt befinden, zu schwärzen.

b.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Denn die Klägerin muss sich insoweit die Selbstöffnung ihrer Mutter im Hinblick auf diese Äußerungen gemäß den §§ 1626, 1629 BGB zurechnen lassen.

In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein und in seinem Verhalten nicht Gegenstand einer Medienberichterstattung zu werden, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbezug des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann etwa dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Niemand ist an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich sodann jedoch nicht unbeschränkt auf einen öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen (BVerfG, GRUR 2006, 1051). Zudem wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021).

Hier ist zu berücksichtigen, dass sich die Mutter der Klägerin im Jahre 2008 an die Berliner Zeitung gewandt und dort ihre Sicht der Dinge geschildert hat. In diesem Artikel vom 5.11.2008 wird sowohl der volle Name der Mutter der Klägerin genannt als auch die Tatsache, dass die Klägerin ihre  Tochter  ist. Ferner wird berichtet, dass die Klägerin die zweite bzw. dritte Klasse besuchte und dass sich die Grundschule in Z befand. Hierdurch kam es hinsichtlich dieser Details zu einer Selbstöffnung der Mutter der Klägerin, welche sich die Klägerin zurechnen lassen muss. Zudem ist weder die Klägerin noch ihre Mutter gegen die weiteren Artikel aus dem Jahre 2008 vorgegangen, aus denen sich ebenfalls die nunmehr angegriffenen Äußerungen entnehmen lassen. Sofern die Klägerin die Auffassung vertritt, dass eine Selbstöffnung zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des Zeitablaufs und der Nichtmitwirkung an den Artikeln aus dem Jahre 2011 nicht mehr vorliege, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die nunmehr angegriffenen Äußerungen finden sich auch in den Artikeln aus dem Jahre 2011, ohne dass die Klägerin oder ihre Mutter hiergegen vorgegangen wären.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und was die Mutter der Klägerin auf den Internetseiten www.anonym1.de undwww.anonym2.de zu einem anvisierten „Gegenbuch“ veröffentlicht hat.

2.

Der Antrag zu 2 ist teilweise begründet.

a.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 einen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i.V.m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der ersten Auflage des streitgegenständlichen Buchs.

Insofern wird auf die Darstellungen unter Ziffer 1.a. Bezug genommen.

Abweichend hiervon hat die Beklagte zu 2 nicht die Pflicht, die streitgegenständlichen Passagen eigenhändig zu schwärzen, sondern die Pflicht, im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zu der Beklagten zu 1 auf diese einzuwirken, dass diese ihrer Unterlassungspflicht nachkommt.

b.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Insofern wird auf die Darstellungen unter Ziffer 1.b. Bezug genommen.

c.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung ihres vollständigen und ihres abgekürzten Namens („B2“) und der Äußerungen „Kind von B1“ und „Tochter von B1“ in der Öffentlichkeit und/oder in Bezug auf das streitgegenständliche Buch aus den §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Denn es besteht keine Wiederholungs- oder Begehungsgefahr hinsichtlich einer identifizierenden Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 im Rahmen von Buchvorstellungen oder in der Öffentlichkeit. Eine Begehungsgefahr wäre  dann gegeben, wenn konkrete Tatsachen vorlägen, die die Vorbereitung und die Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs mit Sicherheit erkennen ließen, so dass eine rechtswidrige Störung als unmittelbar bevorstehend anzusehen wäre. Dies ist nicht der Fall.

Die Klägerin hat keine Tatsachen dargelegt, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Beklagte zu 2 sie  in identifizierender Weise in der Öffentlichkeit, insbesondere im Rahmen von Buchvorstellungen erwähnen wird. Vielmehr ist es unstreitig, dass dies bisher nicht geschehen ist. Der Vortrag der Klägerin erschöpft sich in Vermutungen, die eine Begehungsgefahr nicht begründen können. Einen allgemeinen Anspruch auf Nichtnennung des Namens gibt es jedoch nicht (vgl. Burkhardt, a.a.O., Rn. 52).

Die Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch führt auch nicht zu einer Wiederholungsgefahr für die identifizierende Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit. Denn eine Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch ist im Hinblick auf den Adressatenkreis, den Verbreitungsgrad und die Verbreitungsart eine sich von der identifizierenden Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit unterscheidende Begehungsart. Als Kontrollüberlegung mag fungieren, dass die identifizierende Erwähnung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 in der Öffentlichkeit von einem Verbot der Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens der Klägerin in dem streitgegenständlichen Buch nicht erfasst wäre. Ob eine Handlung eine Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Dabei ist von der Urteilsformel auszugehen. Zu deren Auslegung können aber auch Tatbestand und Entscheidungsgründe herangezogen werden (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 286). Der Schutzumfang eines Unterlassungsgebots umfasst nicht nur die Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch solche gleichwertigen Äußerungen, die ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen den Äußerungskern unberührt lassen. Dass ein Unterlassungsgebot sich auf den Inhalt der zu unterlassenden Behauptung bezieht und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall, ist auch für den Unterlassungsschuldner erkennbar. Zudem hat dieser die Möglichkeit, bereits im Erkenntnisverfahren auf eine sachgerechte Formulierung des Titels hinzuwirken und so etwaigen fehlerhaften und ausufernden Deutungen des Entscheidungstenors vorzubeugen (BVerfG, GRUR 2007, 618). Eine weitergehende Titelauslegung ist dagegen schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unstatthaft (BGH, NJW 1989, 2327). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wäre eine Kerngleichheit der Äußerungen aufgrund der differierenden Medien zu verneinen.

3.

Der Antrag zu 4 ist teilweise begründet.

a.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.196,43 € gemäß den §§ 823 Abs. 1, 830, 840, 249 BGB, da die Beklagten das Persönlichkeitsrecht der Klägerin - wie dargelegt - verletzten.

Zu dem wegen einer unerlaubten Handlung zu ersetzenden Schaden zählen auch die notwendigen Rechtsanwaltskosten. Dies sind insbesondere die Kosten eines mit der Sache befassten, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH NJW-RR 2010, 428).

Der Klägerin ist ein Schaden in Form von Anwaltskosten entstanden der auch adäquat kausal auf der Rechtsverletzung beruht, da die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine 1,3 Geschäftsgebühr dem Bemühen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausreichend Rechnung trägt. Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war; sie ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20% der gerichtlichen Überprüfung entzogen (BGH NJW 2012, 2813). Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall, da die Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentierung, die Prüfung einer Selbstöffnung und des Bestehens einer Wiederholungsgefahr im Presserecht zu den immer bis regelmäßig zu prüfenden Umständen gehören.

Somit steht der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zu. Dieser berechnet sich nach einem Gegenstandwert von 30.000,- €. Denn nach der gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Beeinträchtigung geht die Kammer davon aus, dass dieser Streitwert dem materiellen Interesse der Klägerin an der Unterlassung der namentlichen Nennung in der Druckversion in sämtlichen Auflagen und in der ebook-Version des streitgegenständlichen Buches entspricht.

Aus diesem Gegenstandswert ergibt sich eine Gebühr von 985,40 €. Hinzuzurechnen sind eine Auslagenpauschale in Höhe von  20,- € sowie 19% Umsatzsteuer. Hieraus ergibt sich ein Betrag von 1.196,43 €.

Der Zinsanspruch erfolgt aus den §§ 286, 288 BGB bzw. den §§ 291, 288 BGB.

b.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Geldentschädigung aus den  Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 830, 840 BGB.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte anderenfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH, NJW 1995, 861; BVerfG, NJW 1973, 1221). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen.

Es kann dahinstehen, ob die Persönlichkeitsverletzung nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers schwerwiegend ist.

Denn es liegt jedenfalls kein unabwendbares Bedürfnis vor. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsverletzung fehlt. Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Die Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient insoweit zum einen der Genugtuung des Opfers und zum anderen der Prävention (vgl. BGH, NJW 1996, 985). Im Rahmen der Abwägung ist aber andererseits auch das Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit zu berücksichtigen. Diese grundlegenden Kommunikationsfreiheiten wären gefährdet, wenn jede Persönlichkeitsrechtsverletzung die Gefahr einer Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung in sich bergen würde. Die Zuerkennung einer Geldentschädigung kommt daher nur als ultima ratio in Betracht, wenn die Persönlichkeit in ihren Grundlagen betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn die Persönlichkeitsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt und wenn sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 14, Rn. 128).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass bei der Namensnennung – vergleichbar mit der Veröffentlichung eines Bildnisses – eine nicht wieder rückgängig zu machende Tatsache geschaffen worden ist und dass aus diesem Grund nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Bildnisschutz eher gewährt wird. Denn es ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, dass die Identifizierbarkeit der Klägerin – wie zuvor ausgeführt - bereits vor der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches aufgrund der Vorveröffentlichungen in der Presse gegeben war und sich die Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Nennung des vollständigen und abgekürzten Namens an zwei Stellen in dem streitgegenständlichen Buch erschöpft. Zudem ist zu beachten, dass die Beklagten hinsichtlich des ebooks und der Druckversion - ab der zweiten Auflage - unmittelbar nach der jeweiligen Aufforderung Unterlassungserklärungen hinsichtlich der Namensnennung abgaben und mit der Schwärzung des vollständigen und abgekürzten Namens in der ersten Auflage belastet sind. Nicht zu berücksichtigen war das von der Klägerin vorgelegte Attest. Dieses ist – unabhängig von der Frage der Qualifikation der Ärztin für dieses Fachgebiet – nicht geeignet, eine schwerwiegende Erkrankung zu belegen. Es wird nur ausgeführt, dass es der Klägerin an diesem Tag schlecht ging. Auf welcher Grundlage und anhand welcher Umstände die weitere Prognose getätigt wurde, ist nicht ersichtlich bzw. von der Klägerin vorgetragen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: 60.000,- Euro

(Antrag zu 1: 20.000,- Euro; Antrag zu 2: 30.000,- Euro; Antrag zu 4: 10.000,- Euro)

Landgericht Essen, Urteil vom 5 Juni 2014, AZ.: 4 O 107/14 - Videoberichterstattung über Opfer einer Straftat

LG Essen, Veröffentlichung von Videoaufnahmen von Opfern einer Straftat können zulässig sein
Urteilstext: 

Landgericht Essen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... , die Richterin am Landgericht ... und den Richter ...
für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 110 % des gegen den Kläger zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verbreitung einer Videoaufzeichnung zu seiner Person.

Der Kläger ist beruflich im Personenschutz tätig und Geschäftsführer der …

Die Beklagte ist eine Fernsehproduktionsgesellschaft im Bereich der Sensationspresse. Sie verbreitet Filmmaterial u.a. im Internet unter … und auf einem YouTube-Kanal (”…”). Sie gibt die von ihr gefertigten Aufnahmen auch an Fernsehsender weiter.

Am 11.11.2013 führte der Kläger eine Observierung im Bereich des Unterbacher Sees in Düsseldorf durch. Er war hierbei in seinem Dienstfahrzeug unterwegs. Der Kläger wurde von einem unbekannten Täter überfallen. Er alarmierte die Polizei, die sich kurz nach dem Überfall gemeinsam mit der Feuerwehr am Tatort einfand. Im weiteren Verlauf fand sich auch der Geschäftsführer der Beklagten mit einem Filmteam ein und fertigte vom Tatort und den dort anwesenden Personen Videoaufnahmen. Am 12.11.2013 verbreitete die Beklagte die Videoaufnahmen über ihren o.g. Youtube-Kanal. Dabei ist auch der Kläger unverpixelt zu sehen, und zwar von hinten und im Profil.

Ab dem 12.11.2013 wurden Ausschnitte bzw. Fotos aus der streitgegenständlichen Aufnahme bundesweit in Zeitungen und auch im lokalen Fernsehen gezeigt.

Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt in die Veröffentlichung der Videoaufnahme eingewilligt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie dazu auf, das Video zu löschen und nicht länger zugänglich zu machen. Das vorgenannte Schreiben ging der Beklagten per Fax am 19.12.2013 zu. Am 20.11.2013 löschte die Beklagte das Video im vorgenannten Youtube-Kanal.

Mit Fax-Schreiben vom 23.12.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Video zwar gelöscht habe, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung indes ablehne.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei bereits wenige Minuten nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei von dieser erfolglos aufgefordert worden, die Filmaufnahmen zu unterlassen. Er sei in dem auf Youtube abrufbaren Video erkennbar gewesen, ebenso wie das Autokennzeichen des von ihm genutzten PKW. Sein Auftraggeber habe ihn an Hand des Videos identifiziert und ihm deshalb zunächst keine weiteren Aufträge mehr erteilt. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletze ihn in seinem Recht am eigenen Bild. Die Beklagte habe gegen § 22 KUG verstoßen. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

1. diejenigen Passagen der streitgegenständliche Videoaufnahme vom 11.11.2013, in denen der Kläger zu sehen, öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere im Internet;

2. die vorgenannte Videoaufzeichnung an Dritte weiterzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr Filmteam sei erst ca. 45 min. nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei daher bei Anfertigung der Filmaufnahmen davon ausgegangen, dass sich das Opfer des Überfalls nicht mehr am Tatort befinde. Die Beklagte meint, dass eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung der Aufnahme jedenfalls nicht erforderlich gewesen sei. Die Bildberichterstattung sei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KUG zulässig gewesen. Der Überfall vom 11.11.2013 sei ein zeitgeschichtliches Ereignis. Jedenfalls sei der Kläger nur als Beiwerk einer Örtlichkeit abgebildet. Schließlich sei der Kläger auch lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

 

Entscheidungsgründe

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 22 f. KUG iV.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Zwar ist der Kläger auf den Aufnahmen im Sinne des § 22 KUG erkennbar und hat auch nicht in die Veröffentlichung eingewilligt. Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften; die Interessenabwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG fällt zu Lasten des Kläger aus.

Der Kläger ist auf den Videoaufnahmen erkennbar im Sinne des § 22 KUG. Für die Erkennbarkeit kommt es nicht auf das Verständnis eines Durchschnittslesers- oder Zuschauers an. Vielmehr genügt es, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könnte erkannt werden. Hierfür reicht die Erkennbarkeit innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises aus. Die Identifizierbarkeit im engeren Familien- und Freundeskreis genügt hingegen nicht; die Erkennbarkeit muss mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann. Für die Erkennbarkeit genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildnisschutz ist der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden. Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3619; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2004, 6 U 39/04, NJW-RR 2004, 1633; LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2014, 3240 264/11, zitiert nach juris).

Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger hinreichend identifizierbar und damit erkennbar. Für die genannten Bilder besteht eine hinreichende Möglichkeit, dass der Kläger von dem beschriebenen Personenkreis und nicht nur im engen Familien- oder Freundeskreis erkannt werden kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er in einzelnen Sequenzen der Videoaufnahme wiederholt unverdeckt von der Seite zu sehen ist. Die genannten Sequenzen lassen den Betrachter die Gesichtszüge des Klägers, seinen Haarschnitt und teilweise seine Körperhaltung erkennen und ermöglichen durch die VViedergabe dieser charakteristischen Merkmale seine Identifizierung. Der Kläger ist auch weder aus übermäßiger Entfernung noch besonders verschwommen oder klein abgebildet. Auch geht der Kläger nicht in einer großen, unüberschaubaren Personengruppe unter. Vielmehr ist er sichtbarer Teil der Geschehnisse am Tatort, namentlich Teil einer abgesondert hinter einem Polizeiwagen stehenden Gruppe von drei Personen.

Der Kläger hat in die Veröffentlichung der Videoaufnahmen nicht eingewilligt.

Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 als Opfer und zugleich Zeuge einer nicht alltäglichen Straftat zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften.

§ 23 KUG bestimmt, wann die Veröffentlichung eines Bildnisses auch ohne Zustimmung des Abgebildeten erlaubt ist. Die Vorschrift beschränkt den Schutzumfang des Rechts am eigenen Bild im Interesse der Allgemeinheit an einer visuellen Information über das Zeitgeschehen. Soweit einer der in § 23 Abs. 1 KUG genannten Tatbestände erfüllt ist, sind Herstellung und Veröffentlichung eines Abbildung zulässig, sofern nicht ein vorrangiges berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Unterschied zur sogenannten absoluten Person der Zeitgeschichte treten relative Personen der Zeitgeschichte nur im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis vorübergehend aus der Anonymität und in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Informationsinteresse beschränkt sich hier auf das Geschehen, das den Betreffenden zur Person der Zeitgeschichte macht, wobei unerheblich ist, ob der Abgebildete bewusst oder wider Willen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf sich zieht.

Bereits bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Vorliegens eines Bildnisses “aus dem Bereich der Zeitgeschichte” i. S. von § 23 Abs. 1 KUG ist Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit zu nehmen und sind daher die Belange der Öffentlichkeit zu beachten (vgl. BVerfG, NJVV 2006, 3406, 3407 f). Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte (vgl. OlG Köln, Urteil vom 26. März 2013, 1-15 U 149/12, zitiert nach juris). Der Beurteilung ist dabei ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, VersR 1996, 341 f.). Maßgebend ist hierbei das interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist dabei zugunstender Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Bei den im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung heranzuziehenden Kriterien ist zum einen der Aspekt bedeutsam, ob das Erscheinen von Fotos oder Artikeln in der Presse einen Beitrag zu einer Auseinandersetzung von allgemeiner Bedeutung leistet, wobei sich dieser thematische Bezug nicht auf Vorgänge von historisch-politischer Relevanz oder auf spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse beschränkt, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, etwa unterhaltender Art umfasst, wie beispielsweise Sport oder das Verhalten prominenter Persönlichkeiten. Von Bedeutung ist ferner die Rolle oder Funktion der betroffenen Person und die Art ihrer Tätigkeit, die abgelichtet oder über die berichtet wird. Während eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson einen besonderen Schutz ihres Rechts auf Privatleben verlangen kann, gilt das nicht in gleichem Maß für Personen des öffentlichen Lebens. Als weiteres, in die Abwägung einzubeziehendes Kriterium ist das Verhalten der betroffenen Person vor der Veröffentlichung der Berichterstattung zu würdigen, wobei indes allein die Tatsache, dass die betroffene Person zuvor mit der Presse zusammengearbeitet hat, nicht geeignet ist, ihr jeglichen Schutz gegen die Veröffentlichung des fraglichen Beitrags oder des fraglichen Fotos zu entziehen. Einzubeziehen sind schließlich ebenfalls Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die. Umstände, unter denen das Foto aufgenommen wurde (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Nach den dargestellten Grundsätzen liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestand ein öffentliches Interesse an der Kenntnis der beanstandeten Aufnahmen. Bei dem Überfall auf den Kläger handelt es sich nicht um eine Tat aus dem Bereich der Kleinkriminalität, sondern um eine nicht alltägliche, durchaus spektakuläre Straftat. Die Berichterstattung über solche Straftaten, namentlich auch über Hergang, Tatort und Tatfolgen, erfüllt ein allgemeines Informationsinteresse.

Die Veröffentlichung erfolgte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen. Sie erfolgte hier ab dem 12.11.2013, d .h. einen Tag nach dem Vorfall. Darüber hinausgehend war der Berichterstattung der Beklagten zumindest für den Zeitraum von einigen Wochen Aktualität zuzubilligen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Überfall nach dem Vortrag des Klägers nicht unmittelbar aufgeklärt werden konnte.

Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 2 KUG die Veröffentlichung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte unzulässig sein können, liegen nicht vor. Die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht. Er genießt als Opfer einer Straftat, das aufgrund des Vorfalls vom 11.11.2013 auch nur zufällig ins öffentliche Interesse gerückt ist, zwar besonderen Schutz. Die Videoaufnahme ist für ihn indes nicht abträglich; sie zeigt ihn insbesondere nicht in einer Situation, in der es unschicklich wäre, einen Menschen genauer zu betrachten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.10.2008, 7 U 11/08, zitiert nach juris). Der Kläger wird namentlich nicht in einem erkennbaren emotionalen Ausnahmezustand gezeigt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass er verletzt, hilflos, emotional außer sich oder anderweitig unkontrolliert wäre. Auch springt nicht auf den ersten Blick ins Auge, dass es sich ausgerechnet bei dem Kläger um das Tatopfer handelt, zumal noch zwei weitere Personen am Tatort Zivilkleidung tragen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Umstände in der Berichterstattung der Beklagten vor, durch die der Kläger lächerlich gemacht oder verspottet werden würde.

Durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme wird auch nicht in die geschützte Privatsphäre des Klägers eingegriffen. Der Schutz der Privatsphäre lässt sich thematisch und räumlich bestimmen. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden, weil ihre Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch sich gehen lassen kann (vgl. zum Ganzen: Wandte/ßullinger, UrhR, 3. Auf!., S. 2105 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger ist hier während der Ausübung seines Berufes an einem öffentlich zugänglichen Ort zum Opfer einer Straftat geworden. Damit ist er lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

Der Kläger ist auch nicht aus sonstigen Gründen besonders schutzwürdig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefährdung einer Person durch die Bildveröffentlichung, insbesondere eine hierdurch bedingte konkrete Entführungsgefahr, eine nötigende Dauerverfolgung durch Paparazzi bei Prominenten sowie unter bestimmten Umständen die Ausnutzung von Heimlichkeit bei Anfertigung der Bildnisse den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 2 KUG erfüllen können. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Der Kläger macht zwar insoweit geltend, dass er durch die Bildveröffentlichung berufliche Nachteile erleide. Hierzu trägt er vor, dass sein Auftraggeber ihn nach dem Vorfall “bis zum 02.12.2013″ nicht mehr beauftragt und dies mit der Erkennbarkeit des Klägers auf den Videoaufnahmeh begründet habe. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, ist er in seiner Berufsausübung jedoch allenfalls mittelbar durch die Bildveröffentlichung beeinträchtigt. Der Umstand, dass ein Personenschützer Opfer eines Überfalls wird, stellt für sich genommen bei verständiger Würdigung seine beruflichen Fähiqkeiten noch nicht in Frage. Der Kläger trägt hierzu - im Gegenteil - selbst vor, dass er den Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen hat. Es mag sein, dass der Kläger durch die Veröffentlichung des Videos vorübergehend eine Bekanntheit erlanqt hat, die nach seiner Wahrnehmung für einen Personenschützer ungünstig ist. Die nur mittelbaren beruflichen Nachteile haben bei der vorzunehmenden Abwägung aber nicht das Gewicht einer persönlichen Gefährdung, die das typische Beispiel für eine zugunsten des Klägers vorzunehmende Interessenabwägung wäre.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,709 ZPO.

Unterschriften

Originalurteil als PDF bei JURPC

Inhalt abgleichen