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OLG München, Beschluss vom 28.09.2015, AZ: 18 U 169/15 Pre - Glühender Antisemit -
PDF-Dokument Orignal-Abschrift des Beschlusses
Oberlandesgericht München
Az.: 18 U 169/15 Pre
25 0 14197/14 LG München I
In dem Rechtsstreit
Elsässer Jürgen, - Adresse -
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
XXXX
gegen
Ditfurth Jutta, - Adresse -
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
XXXX
wegen Unterlassung
erlässt das Oberlandesgericht München - 18. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Spangler, die Richterin am Oberlandesgericht von Geldern-Crispendorf und die Richterin am Oberlandesgericht Glocker am 28.09.2015 folgenden
Beschluss
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München l vom 10.12.2014, Aktenzeichen 25 O 14197/14, wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass es in Ziffer 2. des landgerichtlichen Tenors statt „nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014" heißt: „nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014".
- Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
- Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis 20.5.2015 auf 15.000,00 € festgesetzt, für die Zeit ab 21.5.2015 auf 4.153,95 €.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten noch über die Erstattung von Anwaltskosten und darüber, wem die Kosten der übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits zu überbürden sind.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2014 Bezug genommen.
Am 10.12.2014 hat das Landgericht München I folgendes Endurteil verkündet:
- Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen den Kläger als „glühenden Antisemit" zu bezeichnen, so wie in der Sendung „Kuturzeit" auf 3SAT am 17.04.2014 geschehen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.029,35 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung des Rechtsanwaltes von Sprenger vom 04.09.2014 in Höhe von € 642,60 in Sachen Elsässer gegen Ditfurth wegen Aufforderung Abgabe Abschlusserklärung freizustellen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags in Ziffern 2. Und 4. Gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,- in Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ist der Beklagten am 15.12.2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatzsatz vom 14.01.2014, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, hat die Beklagte Berufung eingelegt, die sie mit Schrittsatz vom 16.03.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht
München am selben Tag, begründet hat, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 09.02.2015 eingegangene Antrag bis 16.03.2015 verlängert worden war.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 16.03.2015 an den Klägervertreter (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 09.04.2015) wurde folgende Erklärung abgegeben:
„Um die Auseinandersetzung auf den Kern zu konzentrieren, darf ich für meine Mandantin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich - folgendes erklären:
Sie verpflichtet sich gegenüber Ihrem Mandanten, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von Ihrem Mandanten festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Landgericht zu überprüfenden Vertragsstrafe es zu unterlassen, Ihren Mandanten als „glühenden" Antisemiten zu bezeichnen, behält sich aber ausdrücklich vor, ihn im Zusammenhang seinen Äußerungen und politischen Aktionen und Verbindungen weiterhin als Antisemiten und seine Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen."
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 05.05.2015 an den Klägervertreter (Bl. 179 d.A.) wurde - nachdem der Klägervertreter Bedenken hinsichtlich der Formulierung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 16.03.2015 angemeldet hatte - folgende Erklärung abgegeben:
„ ... Ich wiederhole die Ihrem Wunsch entsprechend abgeänderte Unterlassungsverpflichtungserklärung wie folgt:
Meine Mandantin verpflichtet sich gegenüber Ihrem Mandanten, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von Ihrem Mandanten festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe es zu unterlassen, Ihren Mandanten als „glühenden" Antisemiten zu bezeichnen, behält sich aber ausdrücklich vor, ihn im Zusammenhang seinen Äußerungen und politischen Aktionen und Verbindungen weiterhin als Antisemiten und seine Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen."
Ich denke schon, dass diese Erklärung aus sich heraus verständlich ist. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung beschränkt sich auf das Beiwort „glühender".
Aus meiner Sicht müsste diese Unterlassungsverpflichtungserklärung die Wiederholungsgefahr hinsichtlich dieses Zusatzes ausräumen und im Falle der Annahme insoweit zu einer teilweisen Erledigung der Hauptsache führen."
Mit Schriftsatz vom 20.05.2015 (Bl. 185/186 d.A.) erklärte der Kläger Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils für erledigt. Dem stimmte die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.06.2015 (Bl. 188/191 d.A.) zu.
Wegen des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 13.03.2015 (Bl.122/146 d. A.), vom 17.04.2015 (Bl. 155 d. A.), vom 05.05.2015 (Bl. 179/180 d. A.), vom 12.05.2015 und 15.05.2015 (Bl. 182/183 und 184/185 d. A), vom 01.06.2015 (Bl. 188/191 d. A.}, vom 15.06.2015 (Bl. 196/197 d. A.) und vom 31.08.2015 (Bl. 214/232 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.
Die Beklagte stellt die Anträge gemäß Schriftsätzen vom 13.03.2015 (Bl. 122 d. A.) und 01.06.2015 (Bl. 188 d.A.).
Der Kläger stellt die Anträge gemäß Schriftsätzen vom 24.04.2015 (Bl. 157 d. A.) und 20.05.2015 (Bl. 185 d.A.).
Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 09.04.2015 (Bl. 153/154 d. A.), vom 24.04.2015 (Bl. 157/175 d. A.), vom 04.05.2015 (Bl. 176 d.A), vom 07.05.2015 (Bl. 178/180 d. A.), vom 20.05.2015 (Bl. 185/186 d. A.)T vom 01.06.2015 und 09.06.2015 (Bl. 192 und 193/195 d. A.) und vom 03.09.2015 (Bl. 233/237 d.A.) verwiesen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2014, Aktenzeichen 25 O 14197/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Klarstellung betreffend den Zinsausspruch in Ziffer 2. des Tenors wird auf den Beschluss des BGH vom 07.02.2013 -VII ZB 2/12 Bezug genommen.
1.
Nach einstimmiger Auffassung des Senats hat das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen in den Gegenerklärungen geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1.1
Die Beklagte kritisiert zwar wortreich die vom Landgericht und vom Senat für die Definition des Begriffs "Antisemit" herangezogenen Quellen, aber soweit ersichtlich nicht die Auslegung des Begriffs selbst. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass die von ihm vorgenommene Auslegung dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht und daher vom "Durchschnittszuschauer" auch dann geteilt wird, wenn dieser die zitierten Lexika nicht kennt.
1.2
Die Ausführungen der Beklagten zu dem Beiwort "glühend" erscheinen nicht nachvollziehbar, insbesondere was den Unterschied zwischen "glühen" und "brennen" betrifft.
a)
Die Bezeichnung einer Weltanschauung als "brennend" ist im Deutschen so wenig gebräuchlich, dass sich der Schluss, mit der Bezeichnung "glühender Antisemit" statt "brennender Antisemit" sei gewissermaßen ein Antisemit mittlerer Ausprägung gemeint, ebenso verbietet wie die Annahme, die Bezeichnung betreffe allein die innere Einstellung, die nicht notwendig nach außen dringen müsse. Letztere Auslegung erscheint auch deshalb fernliegend, weil eine nach außen nicht zu Tage tretende innere Einstellung Dritten wie der Beklagten nicht bekannt werden könnte, und von der Beklagten folglich auch weder festgestellt noch bewertet werden könnte.
b)
Nach Angabe der Beklagten wollte sie mit dem Beiwort "glühend" zum Ausdruck bringen, dass der Kläger kein "simpler, sozusagen durchschnittlicher Alltags-Antisemit" sei, sondern "ein Verbreiter antisemitischer Stichworte von erheblicher Raffinesse". Dies war aber für den maßgeblichen durchschnittlichen Zuhörer nicht erkennbar; das Beiwort "glühend" bezeichnet unmissverständlich die Intensität des Antisemitismus des Klägers, nicht aber die Intelligenz oder Raffinesse, mit der der Kläger seine Weltanschauung ausdrückt.
c)
Das ergibt sich auch aus dem Kontext des streitgegenständlichen Interviews. Darin erklärt die Beklagte bereits auf die erste Frage der Moderatorin, dass sie sich bemühe, aufklärend gegen rechtsgerichtete Propaganda im Rahmen der Friedensdemonstrationen zu wirken und zu diesem Zweck an gefangen habe, alle diejenigen "zu entfreunden und zu entliken", die sowohl auf ihrer Facebook-Seite waren als auch "bei ... den Facebook-Seiten von Jürgen Elsässer, Ken Jebsen oder Lars Mährholz" (S. 1 der Mitschrift, Anlage K1). Dadurch kommt zum Ausdruck, dass die Beklagte die drei Genannten zu den rechten Propagandisten zählt, gegen die sie aufklären möchte. Auf die weitere Frage, wie sie die Spreu vom Weizen trenne, erläutert die Beklagte die von den faschistischen Kreisen verwendeten "neuen Begriffe" bzw. "Codes" und schildert beispielhaft eine Rede, in der Lars Mährholz solche Codes verwendet habe (S. 2 der Mitschrift). Auf die Frage, wer hinter der Bewegung stecke, nennt die Beklagte sodann außer Ken Jebsen, den sie als Propagandisten und Radiomacher bezeichnet, und Lars Mährholz, den "Organisator dieser Friedensdemos", auch den Kläger, von dem sie als einzigem sagt, er sei "glühender Antisemit und Schwulenfeind" (S. 3 oben der Mitschrift). Im weiteren Verlauf des Interviews erklärt die Beklagte ohne Bezugnahme auf einzelne Personen, welche Gruppen und Organisationen - neben der "klassischen" Friedensbewegung - zur Teilnahme an der Friedensdemonstration am bevorstehenden Ostermontag aufrufen, und dass deren gemeinsamer Grundkonsens bei aller sonstigen Verschiedenheit der Antisemitismus sei; sie beschreibt ferner Reaktionen auf ihr eigenes Vorgehen im Internet.
Auch wenn dem Hörer an der Stelle, an der die streitgegenständliche Äußerung fällt, der Anfang des Interviews noch präsent ist, muss er aus dem Umstand, dass die Beklagte Mährholz, dem sie ausdrücklich die Verwendung antisemitischer "Codes" in einer Rede vorwirft, nicht als Antisemiten bezeichnet, den Kläger aber sogar als "glühenden Antisemiten", schließen, dass der Antisemitismus des Klägers ausgeprägter ist als der Mährholz' und Jebsens und sich folglich - anders als bei Mährholz - gerade nicht durch "kluges, überlegtes Setzen antisemitisch zu verstehender Codes" und "subtile Vorgehensweise" auszeichnet, sondern sich deutlicher äußert.
1.3
Dafür sieht der Senat nach wie vor keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.
a)
Dabei ist unberücksichtigt zu lassen, dass die Beklagte am 21.05.2014 folgenden Facebook-Eintrag vornahm (vgl. Anlage K6):
„Die Akte Elsässer"
Der Neurechte Elsässer verklagt Jutta Diffurth Fb-Freundlnnen, die über Infos und Materialien zu Jürgen Elsässers Antisemitismus verfügen, bitte ich herzlich, mir solches möglichst HEUTE zuzusenden - am liebesten via e-mail, aber auch via PN bei Facebook. Lieben Dank! Natürlich werde ich das ganze Material am Ende dann zusammenstellen und allen, die mir geholfen haben, zur Verfügung stellen. Elsässer hat also einen dicken Fehler gemacht ...
Zwar könnte aus dem Eintrag der Beklagten geschlossen werden, dass sie am 21.05.2014 - mehr als einen Monat nach dem Interview in der „Kulturzeit" - die Tatsachengrundlage, auf Grund derer sie die streitgegenständliche Äußerung am 17.04.2014 tätigte, für ergänzungsbedürftig hielt. Sie war aber nicht gehalten, im Rahmen der Äußerung am 17.04.2014 Tatsachen zu benennen, auf die sie die Wertung stützte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 11.05.1975 -1 BvR 163/72 - Deutschland-Stiftung (NJW 1976, 1680) stellt es eine überhöhte, mit Art. 5 GG nicht vereinbare Anforderung an die Zulässigkeit von Kritik im öffentlichen Meinungskampf dar, wenn die Zulässigkeit ehrverletzender wertender Äußerungen im politischen Meinungskampf ohne Rücksicht auf die dargelegten Umstände schlechthin an die Voraussetzung gebunden wird, dass dem Publikum gleichzeitig Tatsachen mitgeteilt werden, die ihm eine kritische Beurteilung der Wertung ermöglichen.
b)
Der Beklagten ist zuzugeben, dass sich antisemitisch äußert, wer von jüdischer Weltverschwörung spricht. Der Senat zieht auch nicht in Zweifel, dass es antisemitische Personen und Gruppen geben mag, die mit Wörtern wie "Federal Reserve", "Finanzoligarchie an der amerikanischen Ostküste" oder gar nur "Ostküste" auf die angebliche jüdische Weltverschwörung anspielen. Er hält aber den Rückschluss für unzulässig, dass jeder, der diese Ausdrücke benützt, zu den genannten Personen gehört und die Ausdrücke folglich mit der erwähnten antisemitischen Konnotation benutzt. Auch legt der Umstand, dass jemand sich nie explizit antisemitisch, wohl aber wiederholt gegen den Antisemitismus äußert, weit eher den Schluss nahe, dass er eben kein Antisemit ist, als den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass er gerade deswegen ein besonders gefährlicher Antisemit sei, der seine Einstellung nur geschickt verschleiere.
c)
Aus dem Beklagtenvortrag lässt sich eine Zustimmung des Klägers zu antisemitischen Äußerungen Jebsens nicht entnehmen.
Aus den erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Anlagen CBH6, CBH7 und CBH8, die berücksichtigt werden können, weil ihr Inhalt als solcher nicht bestritten wird, ist ersichtlich, dass Jebsen wohl zweimal zusammen mit dem Kläger bei Veranstaltungen der Zeitschrift Compact auftrat, nämlich im April 2012 zum Thema Medien mit Schwerpunkt "Political Correctness" (CBH 6 und 8) und am 15.8.2013 zum Thema Überwachung durch US-Geheimdienste ("Big Brother USA hält Deutschland besetzt", CBH7,vorletzte und letzte Seite). Beide Veranstaltungen werden als Streitgespräche angekündigt. Die Anerkennung für Jebsen, die in den vorgelegten Texten des Klägers ausgedrückt wird, bezieht sich ersichtlich auf die Redegabe und den Kampfgeist Jebsens und nicht auf antisemitische Äußerungen, die, wie der Kläger unwiderlegt vorträgt, während der Gespräche nicht gefallen sind und von denen er auch sonst keine Kenntnis hatte. Die in den Anlagen CBH6 und CBH7 er wähnte Auseinandersetzung Jebsens mit Henryk Broder bezieht sich soweit ersichtlich auf den Umstand, dass Jebsen Broder für seien Entlassung beim Radiosender RBB verantwortlich macht, nicht aber auf politische Themen. Entsprechendes gilt für die ausweislich des Anlagenkonvoluts CBH7 von Jebsen angekündigten Gespräche mit dem Kläger am 1.5.2012 und 14.3.2013.
Dass zwei Journalisten wie der Kläger und Jebsen im Zeitraum von 17 Monaten viermal zu öffentlichen Diskussionen zusammentreffen, ist im Übrigen kein Beleg für eine besonders enge Zusammenarbeit.
Das Beklagtenvorbringen zu dem nun als Anlage CBH10 in Mitschrift vorgelegten Vortrag Jebsens einschließlich der Behauptung und des Beweisangebots zur Kenntnis des Klägers von diesem Vortrag ist im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die verspätete Geltendmachung dieses Verteidigungsmittels auf Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Die Beklagte trägt selbst vor, sie habe von dem Vortrag Ende Juli 2014 erfahren, also noch vor Zustellung der Klage am 07.08.2014. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch über keinen Mitschnitt verfügte, ist nicht ersichtlich, dass ihr die Wiedergabe des ungefähren Inhalts nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz möglich gewesen wäre, erst recht die Behauptung, dass der Kläger „selbstverständlich" den Vortrag bereits im Jahr 2012 gekannt habe, und das zugehörige Beweisangebot. Hierbei handelt es sich im Übrigen um eine in Blaue hinein aufgestellte Behauptung, da die Klägerin von dem Vortrag nach eigenen Angaben ja selbst erst zwei Jahre später erfahren hat.
d)
Auch das Vorbringen zur Teilnahme des Klägers an der Konferenz "Let the Earth live" im Dezember 2009 und an der "Anti-Zensur-Konferenz" am 26.7.2014 ist nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Dieses Vorbringen ist neu, da es erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eingeführt wurde. Gründe, die eine Zulassung ausnahmsweise rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
e)
Hinsichtlich der Äußerungen des Klägers zu dem Film "Tal der Wölfe" wird auf die Ausführungen in dem Hinweisbeschluss des Senats verwiesen. Die Beklagte setzt insoweit nur ihre eigene Ansicht gegen die Wertung des Senats.
f)
Entsprechendes gilt für die Ausführungen zu dem Privatgutachten der Frau Prof. Dr. Dr. Schwarz-Friesel, das als qualifiziertes Parteivorbringen zu werten ist, da sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.06.2015 die darin enthaltenen Behauptungen und Wertungen zu Eigen gemacht hat.
Das Gutachten besteht, soweit es sich konkret auf den Kläger bezieht, überwiegend aus Interpretationen von aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerungen des Klägers durch die Verfasserin, die nicht überprüfbar und teilweise für sich genommen nicht nachvollziehbar sind. So wird Kritik am "Finanzkapitalismus" häufig auch von des Antisemitismus nicht verdächtiger Seite geäußert. Der Ausdruck „Finanzkapitalismus" wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts von dem der USPD und später der SPD angehörenden Sozialwissenschaftler, Politiker und Publizisten Hilferding im Rahmen seiner Imperialismus-Theorie geprägt. Er bezeichnet das in wenigen Händen (z. B.Großbanken) konzentrierte Geldkapital, das zur politischen und wirtschaftlichen Beeinflussung, besonders zur machtpolitischen Beherrschung großer Konzerne, ganzer Wirtschaftsgruppen oder zur politischen Beeinflussung von Regierungen dient und oft internationalen Charakter hat (Brockhaus a.a.O. Band 7 Seite 304 und Band 10 Seite 75). Der Umstand, dass Personen oder Organisationen diesem volkswirtschaftlichen Begriff eine antisemitische Konnotation beigemessen haben und noch beimessen, bedeutet nicht, dass der Begriff nicht mehr in seinem ursprünglichen Sinn im Rahmen der Kritik an einer Wirtschaftsform verwendet werden kann, sondern jede Verwendung Zeichen einer antisemitischen Gesinnung ist. Die Auffassung, der Kläger müsse etwa mit den von ihm - wie von vielen anderen - als "Heuschrecken" bezeichneten Hedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds in Wahrheit Juden gemeint haben, erscheint völlig fernliegend. Im Übrigen wird auf die Ausführungen oben unter 1.3.b) zu den vom Kläger angeblich verwendeten Codes Bezug genommen.
Einträge Dritter im Blog des Klägers sind nicht mit eigenen Äußerungen des Blogbetreibers gleichzusetzen. Dieser macht sich die Äußerungen auch nicht ohne Weiteres dadurch zu Eigen, dass er sie nicht umgehend entfernt. Unter welchen Voraussetzungen der Betreiber einer Internetplattform verpflichtet ist, rechtswidrige Beiträge Dritter von dort zu entfernen, ist im Übrigen eine umstrittene Frage.
1.4
Die Tatsache, dass die Auflage der vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift COMPACT zwischen Januar und September 2014 erheblich gestiegen ist, spricht nicht gegen die vom Senat angenommene Prangerwirkung der streitgegenständlichen Äußerung der Beklagten.
2.
Der Senat ist an der Zurückweisung der Berufung auch nicht nach § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 ZPO gehindert, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Die vorliegende Entscheidung richtet sich nach der ständigen, auch in neuen Entscheidungen bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach eine Äußerung, die das Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt, auf eine ausreichende tatsächliche Grundlage gestützt sein muss, auch wenn sie ein Werturteil darstellt. Eine solche Meinungsäußerung ist danach unzulässig, wenn sie keine Anknüpfungspunkte im Verhalten des Betroffenen hat (EGMR, Urteil vom 18.2.2014, AfP 2015, 30, 32 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 11.12.2013 - 1 BvR 194/13 - NJW 2014, 764 und vom 11.11.1992 - 1 BvR 693/92 - NJW 1993, 1845 BGH, Urteil vom 18.6.1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762 "Deutschlandstiftung").
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91a ZPO.
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war über die Kosten gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Kosten wurden der Beklagten auferlegt, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung auch insoweit unterlegen wäre. Der Kläger hatte jedenfalls bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, weil er dadurch rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde und Wiederholungsgefahr bestand. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 28.7.2015 und oben unter 2. Bezug genommen.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt. Er richtet sich bis zur Erledigungserklärung des Klägers nach dessen Interesse an der Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung; die vorgerichtlichen Kosten bleiben als Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 2.HS ZPO außer Betracht. Nach Eingang der Erledigungserklärung setzt sich der Streitwert zusammen aus dem Kosteninteresse hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache und aus den bezifferten vorgerichtlichen Kosten, die von da an nicht mehr als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
gez.
Dr. Spangler von Geldern-Crispendorf Glocker
Vorsitzende Richterin Richterin Richterin
am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht
Landgericht Essen, Urteil vom 5 Juni 2014, AZ.: 4 O 107/14 - Videoberichterstattung über Opfer einer Straftat
Landgericht Essen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... , die Richterin am Landgericht ... und den Richter ...
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 110 % des gegen den Kläger zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Verbreitung einer Videoaufzeichnung zu seiner Person.
Der Kläger ist beruflich im Personenschutz tätig und Geschäftsführer der …
Die Beklagte ist eine Fernsehproduktionsgesellschaft im Bereich der Sensationspresse. Sie verbreitet Filmmaterial u.a. im Internet unter … und auf einem YouTube-Kanal (”…”). Sie gibt die von ihr gefertigten Aufnahmen auch an Fernsehsender weiter.
Am 11.11.2013 führte der Kläger eine Observierung im Bereich des Unterbacher Sees in Düsseldorf durch. Er war hierbei in seinem Dienstfahrzeug unterwegs. Der Kläger wurde von einem unbekannten Täter überfallen. Er alarmierte die Polizei, die sich kurz nach dem Überfall gemeinsam mit der Feuerwehr am Tatort einfand. Im weiteren Verlauf fand sich auch der Geschäftsführer der Beklagten mit einem Filmteam ein und fertigte vom Tatort und den dort anwesenden Personen Videoaufnahmen. Am 12.11.2013 verbreitete die Beklagte die Videoaufnahmen über ihren o.g. Youtube-Kanal. Dabei ist auch der Kläger unverpixelt zu sehen, und zwar von hinten und im Profil.
Ab dem 12.11.2013 wurden Ausschnitte bzw. Fotos aus der streitgegenständlichen Aufnahme bundesweit in Zeitungen und auch im lokalen Fernsehen gezeigt.
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt in die Veröffentlichung der Videoaufnahme eingewilligt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie dazu auf, das Video zu löschen und nicht länger zugänglich zu machen. Das vorgenannte Schreiben ging der Beklagten per Fax am 19.12.2013 zu. Am 20.11.2013 löschte die Beklagte das Video im vorgenannten Youtube-Kanal.
Mit Fax-Schreiben vom 23.12.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Video zwar gelöscht habe, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung indes ablehne.
Der Kläger behauptet, die Beklagte sei bereits wenige Minuten nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei von dieser erfolglos aufgefordert worden, die Filmaufnahmen zu unterlassen. Er sei in dem auf Youtube abrufbaren Video erkennbar gewesen, ebenso wie das Autokennzeichen des von ihm genutzten PKW. Sein Auftraggeber habe ihn an Hand des Videos identifiziert und ihm deshalb zunächst keine weiteren Aufträge mehr erteilt. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletze ihn in seinem Recht am eigenen Bild. Die Beklagte habe gegen § 22 KUG verstoßen. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,
1. diejenigen Passagen der streitgegenständliche Videoaufnahme vom 11.11.2013, in denen der Kläger zu sehen, öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere im Internet;
2. die vorgenannte Videoaufzeichnung an Dritte weiterzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, ihr Filmteam sei erst ca. 45 min. nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei daher bei Anfertigung der Filmaufnahmen davon ausgegangen, dass sich das Opfer des Überfalls nicht mehr am Tatort befinde. Die Beklagte meint, dass eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung der Aufnahme jedenfalls nicht erforderlich gewesen sei. Die Bildberichterstattung sei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KUG zulässig gewesen. Der Überfall vom 11.11.2013 sei ein zeitgeschichtliches Ereignis. Jedenfalls sei der Kläger nur als Beiwerk einer Örtlichkeit abgebildet. Schließlich sei der Kläger auch lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 22 f. KUG iV.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
Zwar ist der Kläger auf den Aufnahmen im Sinne des § 22 KUG erkennbar und hat auch nicht in die Veröffentlichung eingewilligt. Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften; die Interessenabwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG fällt zu Lasten des Kläger aus.
Der Kläger ist auf den Videoaufnahmen erkennbar im Sinne des § 22 KUG. Für die Erkennbarkeit kommt es nicht auf das Verständnis eines Durchschnittslesers- oder Zuschauers an. Vielmehr genügt es, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könnte erkannt werden. Hierfür reicht die Erkennbarkeit innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises aus. Die Identifizierbarkeit im engeren Familien- und Freundeskreis genügt hingegen nicht; die Erkennbarkeit muss mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann. Für die Erkennbarkeit genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildnisschutz ist der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden. Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3619; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2004, 6 U 39/04, NJW-RR 2004, 1633; LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2014, 3240 264/11, zitiert nach juris).
Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger hinreichend identifizierbar und damit erkennbar. Für die genannten Bilder besteht eine hinreichende Möglichkeit, dass der Kläger von dem beschriebenen Personenkreis und nicht nur im engen Familien- oder Freundeskreis erkannt werden kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er in einzelnen Sequenzen der Videoaufnahme wiederholt unverdeckt von der Seite zu sehen ist. Die genannten Sequenzen lassen den Betrachter die Gesichtszüge des Klägers, seinen Haarschnitt und teilweise seine Körperhaltung erkennen und ermöglichen durch die VViedergabe dieser charakteristischen Merkmale seine Identifizierung. Der Kläger ist auch weder aus übermäßiger Entfernung noch besonders verschwommen oder klein abgebildet. Auch geht der Kläger nicht in einer großen, unüberschaubaren Personengruppe unter. Vielmehr ist er sichtbarer Teil der Geschehnisse am Tatort, namentlich Teil einer abgesondert hinter einem Polizeiwagen stehenden Gruppe von drei Personen.
Der Kläger hat in die Veröffentlichung der Videoaufnahmen nicht eingewilligt.
Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 als Opfer und zugleich Zeuge einer nicht alltäglichen Straftat zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften.
§ 23 KUG bestimmt, wann die Veröffentlichung eines Bildnisses auch ohne Zustimmung des Abgebildeten erlaubt ist. Die Vorschrift beschränkt den Schutzumfang des Rechts am eigenen Bild im Interesse der Allgemeinheit an einer visuellen Information über das Zeitgeschehen. Soweit einer der in § 23 Abs. 1 KUG genannten Tatbestände erfüllt ist, sind Herstellung und Veröffentlichung eines Abbildung zulässig, sofern nicht ein vorrangiges berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUG).
Im Unterschied zur sogenannten absoluten Person der Zeitgeschichte treten relative Personen der Zeitgeschichte nur im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis vorübergehend aus der Anonymität und in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Informationsinteresse beschränkt sich hier auf das Geschehen, das den Betreffenden zur Person der Zeitgeschichte macht, wobei unerheblich ist, ob der Abgebildete bewusst oder wider Willen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf sich zieht.
Bereits bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Vorliegens eines Bildnisses “aus dem Bereich der Zeitgeschichte” i. S. von § 23 Abs. 1 KUG ist Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit zu nehmen und sind daher die Belange der Öffentlichkeit zu beachten (vgl. BVerfG, NJVV 2006, 3406, 3407 f). Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte (vgl. OlG Köln, Urteil vom 26. März 2013, 1-15 U 149/12, zitiert nach juris). Der Beurteilung ist dabei ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, VersR 1996, 341 f.). Maßgebend ist hierbei das interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist dabei zugunstender Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).
Bei den im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung heranzuziehenden Kriterien ist zum einen der Aspekt bedeutsam, ob das Erscheinen von Fotos oder Artikeln in der Presse einen Beitrag zu einer Auseinandersetzung von allgemeiner Bedeutung leistet, wobei sich dieser thematische Bezug nicht auf Vorgänge von historisch-politischer Relevanz oder auf spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse beschränkt, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, etwa unterhaltender Art umfasst, wie beispielsweise Sport oder das Verhalten prominenter Persönlichkeiten. Von Bedeutung ist ferner die Rolle oder Funktion der betroffenen Person und die Art ihrer Tätigkeit, die abgelichtet oder über die berichtet wird. Während eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson einen besonderen Schutz ihres Rechts auf Privatleben verlangen kann, gilt das nicht in gleichem Maß für Personen des öffentlichen Lebens. Als weiteres, in die Abwägung einzubeziehendes Kriterium ist das Verhalten der betroffenen Person vor der Veröffentlichung der Berichterstattung zu würdigen, wobei indes allein die Tatsache, dass die betroffene Person zuvor mit der Presse zusammengearbeitet hat, nicht geeignet ist, ihr jeglichen Schutz gegen die Veröffentlichung des fraglichen Beitrags oder des fraglichen Fotos zu entziehen. Einzubeziehen sind schließlich ebenfalls Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die. Umstände, unter denen das Foto aufgenommen wurde (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).
Nach den dargestellten Grundsätzen liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestand ein öffentliches Interesse an der Kenntnis der beanstandeten Aufnahmen. Bei dem Überfall auf den Kläger handelt es sich nicht um eine Tat aus dem Bereich der Kleinkriminalität, sondern um eine nicht alltägliche, durchaus spektakuläre Straftat. Die Berichterstattung über solche Straftaten, namentlich auch über Hergang, Tatort und Tatfolgen, erfüllt ein allgemeines Informationsinteresse.
Die Veröffentlichung erfolgte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen. Sie erfolgte hier ab dem 12.11.2013, d .h. einen Tag nach dem Vorfall. Darüber hinausgehend war der Berichterstattung der Beklagten zumindest für den Zeitraum von einigen Wochen Aktualität zuzubilligen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Überfall nach dem Vortrag des Klägers nicht unmittelbar aufgeklärt werden konnte.
Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 2 KUG die Veröffentlichung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte unzulässig sein können, liegen nicht vor. Die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht. Er genießt als Opfer einer Straftat, das aufgrund des Vorfalls vom 11.11.2013 auch nur zufällig ins öffentliche Interesse gerückt ist, zwar besonderen Schutz. Die Videoaufnahme ist für ihn indes nicht abträglich; sie zeigt ihn insbesondere nicht in einer Situation, in der es unschicklich wäre, einen Menschen genauer zu betrachten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.10.2008, 7 U 11/08, zitiert nach juris). Der Kläger wird namentlich nicht in einem erkennbaren emotionalen Ausnahmezustand gezeigt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass er verletzt, hilflos, emotional außer sich oder anderweitig unkontrolliert wäre. Auch springt nicht auf den ersten Blick ins Auge, dass es sich ausgerechnet bei dem Kläger um das Tatopfer handelt, zumal noch zwei weitere Personen am Tatort Zivilkleidung tragen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Umstände in der Berichterstattung der Beklagten vor, durch die der Kläger lächerlich gemacht oder verspottet werden würde.
Durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme wird auch nicht in die geschützte Privatsphäre des Klägers eingegriffen. Der Schutz der Privatsphäre lässt sich thematisch und räumlich bestimmen. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden, weil ihre Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch sich gehen lassen kann (vgl. zum Ganzen: Wandte/ßullinger, UrhR, 3. Auf!., S. 2105 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger ist hier während der Ausübung seines Berufes an einem öffentlich zugänglichen Ort zum Opfer einer Straftat geworden. Damit ist er lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.
Der Kläger ist auch nicht aus sonstigen Gründen besonders schutzwürdig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefährdung einer Person durch die Bildveröffentlichung, insbesondere eine hierdurch bedingte konkrete Entführungsgefahr, eine nötigende Dauerverfolgung durch Paparazzi bei Prominenten sowie unter bestimmten Umständen die Ausnutzung von Heimlichkeit bei Anfertigung der Bildnisse den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 2 KUG erfüllen können. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Der Kläger macht zwar insoweit geltend, dass er durch die Bildveröffentlichung berufliche Nachteile erleide. Hierzu trägt er vor, dass sein Auftraggeber ihn nach dem Vorfall “bis zum 02.12.2013″ nicht mehr beauftragt und dies mit der Erkennbarkeit des Klägers auf den Videoaufnahmeh begründet habe. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, ist er in seiner Berufsausübung jedoch allenfalls mittelbar durch die Bildveröffentlichung beeinträchtigt. Der Umstand, dass ein Personenschützer Opfer eines Überfalls wird, stellt für sich genommen bei verständiger Würdigung seine beruflichen Fähiqkeiten noch nicht in Frage. Der Kläger trägt hierzu - im Gegenteil - selbst vor, dass er den Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen hat. Es mag sein, dass der Kläger durch die Veröffentlichung des Videos vorübergehend eine Bekanntheit erlanqt hat, die nach seiner Wahrnehmung für einen Personenschützer ungünstig ist. Die nur mittelbaren beruflichen Nachteile haben bei der vorzunehmenden Abwägung aber nicht das Gewicht einer persönlichen Gefährdung, die das typische Beispiel für eine zugunsten des Klägers vorzunehmende Interessenabwägung wäre.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,709 ZPO.
Unterschriften
LG München I, Urteil vom 10.12.2014, AZ: 25 O 14197/14 - Glühender Antisemit -
(Original-Urteilsausfertigung als PDF)
Landgericht München I
Az: 25 O 14197/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Elsässer, Jürgen, (Adresse)
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
Ditfurth, Jutta, (Adresse)
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
wegen Unterlassung
erlässt das Landgericht München I – 25, Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Gröncke-Müller als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2014 folgendes
Endurteil
- Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren zu unterlassen, den Kläger als ‘glühenden Antisemit” zu bezeichnen, so wie in der Sendung “Kulturzeit” auf 3SAT am 17.042014 geschehen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.029,30 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung des Rechtsanwaltes von Sprenger vom 04.09.2014 in Höhe von € 642.60 in Sachen Elsässer gegen Ditfurth wegen Aufforderung Abgabe Abschlusserklärung freizustellen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags in Ziffern 2. und 4., gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,- in Ziffer 1. vorläufig vollstreckbar.
- Der Streitwert wird auf 16.642,60 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, ihn als glühenden Antisemiten zu bezeichnen. Darüber hinaus macht der Kläger die Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.029,35 nebst Zinsen und die Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von € 642,60 wegen der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung geltend.
Der Kläger ist Journalist, Autor sowie Mitinhaber und Chefredakteur des Monatsmagazins “Compact”. Ein weiterer Mitinhaber dieser Zeitschrift ist neben Kai Homilius der muslimische Rechtsanwalt Andreas Rieger, der auch Herausgeber der Islamischen Zeitung ist. Der Kläger schrieb fast 10 Jahre lang bis zum Jahr 2002 für die Allgemeine Jüdische Wochenzeitschrift.
Die Beklagte war Mitbegründerin der Partei “Die Grünen” und ist Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt am Main für die Partei “ÖkoLinX”.
Die Beklagte wurde am 17.04.2014 in der Sendung “Kulturzeit” des Fernsehsenders 3SAT interviewt. Auf die Frage der Moderatorin:
“Sie haben sich ja mit dieser Bewegung intensiv befasst. Wer steckt dahinter, wer steckt hinter diesen Aufrufen, eine einheitliche Bewegung oder sind das so verschiedenen Aktivsten, Einzelne?”
führte sie aus:
“Das sind so verschiedene Ebenen. Also um es ganz kurz zu kriegen, es sind drei Namen im
Moment relativ wichtig. Das ist ein Propagandist, ein Radiomacher ein früherer, Ken Jebsen, der auch unter anderen Identitäten auftritt. Dann gibt es Jürgen Elsässer, der mal Kommunist war und heute glühender Antisemit und Schwulenfeind ist und sein Magazin COMPACT, und als Organisator dieser Friedensdemos gibt es jetzt Lars Mährholz, der so tut. als sei er ein unschuldiges Individuum, aber offensichtlich der Hintergrund rechts ä rechts äh ähm rechtsesoterischer Kreise, wie Zeitgeistbewegung oder faschistischer Kreise wie Reichsbürger hat.”
Wegen des weiteren Inhalts des Interviews wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben vom 24.04.2014 wegen der Bezeichnung “glühender Antisemit” abmahnen.
Der in dem streitgegenständlichen Interview angesprochen Lars Mährholz halte in einem Interview am 07.04.2014 mit Voice of Russia geäußert:
“Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ‘n bisschen auseinander klamüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über 100 Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht."
Auf seiner Webseite veröffentlichte Lars Mährholz zeitweilig eine Karikatur (“Hello there, my name is Jacob Rothschild”), die Jacob Rothschild und ein Bild des Simpson-Zeichentrickbösewichts Mr. Burn mit folgendem Text zeigt:
“HELLO THERE,
MY NAME IS JACOB ROTHSCHILD.
MY FAMILY IS WORTH 500 TRILLION DOLLARS.
WE OWN NEARLY EVERY CENTRAL BANK IN THE WORLD.
WE FINANCED BOTH SIDES OF EVERY WAR SINCE NAPOLEON.
WE OWN YOUR NEWS,THE MEDIA,YOUR OIL AND YOUR GOVERNMENT.
You have probably never heard of me”
(Mein Name ist Jacob Rothschild, meine Familie ist 500 Trillionen Dollar schwer. Uns gehört praktisch jede Zentralbank der Welt. Seit Napoleon haben wir in jedem Krieg beide Seite finanziert. Uns gehören die Median, das Öl und eure Regierungen. … ).
Wegen der genauen Gestaltung und Einzelheiten wird auf die entsprechende Anlage zum Schriftsatz vom 15.09.2014 Bezug genommen.
Der ebenfalls angesprochene Ken Jebsen richtete an die Bundeskanzlerin die Frage:
“Warum ist folgendes antisemitisch? Die Nationalsozialisten haben Israel okkupiert wie Nazis 33 Deutschland okkupiert haben.”
Er schrieb an Henryk M. Broder:
“Ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat, der Neffe Freuds, Bernays. in seinem Buch Propaganda schrieb er, wie man solche Kampagnen durchführt. Goebbels hat das gelesen und umgesetzt.”
Der Mitinhaber der Zeitschrift Compact, Andreas Rieger, sich äußerte 1993 wie folgt:
“Wir sind eine Gruppe deutscher Muslime und freuen uns, dass wir von euch türkischen Brüdern so freundlich aufgenommen wurden ( .. ). Wir haben heute hier sehr sehr viele Kämpfer gesehen, künftige Kämpfer für den Din vom Islam und das hat uns sehr viel Mut gemacht (… ). Wie die Türken, so haben auch wir Deutsche oft schon in der Geschichte für eine gute Sache gekämpft, obwohl ich zugeben muss, dass meine Großväter bei unseren gemeinsamen Hauptfeind nicht ganz gründlich waren.”
Er distanzierte sich seither unbestritten mehrfach von dieser Ansicht. Die von ihm herausgegebene Islamische Zeitschrift tritt nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers für einen Ausgleich mit Israel ein, ist ein vehementer Kritiker der Hamas und grenzt sich vom radikalen Islam ab.
Der Kläger äußerte sich am 21.04.2014 auf der Friedensdemo am Brandenburger Tor wie folgt:
“… die internationale Finanzoligarchie, die die 99 %, darunter Arbeiter, Arbeitslose. Elende und auch viele Unternehmen in ihrer Zinsschlinge erwürgt und erdrosselt. Und internationale Finanzoligarchie, das klingt vielleicht ein bisschen abstrakt. Deswegen möchte ich mit Bertold Brecht sagen. das Verbrechen hat Namen und Anschrift und Telefonnummer. Und man kann doch durchaus einige Namen nennen. Wer gehört denn zu dieser Finanzoligarchie? Die Herren Rockefeller, Rothschild, Soros. Cholokowski, das englische Königshaus und das saudische Königshaus. Und warum soll es Antisemitismus sein, wenn man darüber spricht, wie diese winzig kleine Schicht von Geldaristokraten die Federal Reserve benutzen, um die ganze Welt ins Chaos zu stürzen.”
Der Kläger fuhr fort:
“Diese Oligarchen haben keine Religion, sie beten weder zu Gott noch zu Jahwe, noch zu Allah, sie huldigen nur einen einzigen Götzen, nämlich dem kalten Mammon.”
In einem Vortrag vom 28.06.2013 äußerte sich der Kläger zu den Zielen der EU.
Es gehe um einen, so wörtlich,
“geplanten Angriff auf die bisherigen Lebensgrundlagen der Menschheit, vorgetragen von der angloamerikanischen Finanzindustrie mit den Schwerpunkten Wallstreet und City of London,”
…
“Die beiden wichtigsten Institutionen für die Zerstörung, von Kontinentaleuropa sind in der Hand von Goldman Sachs.”
Die Sache gehe solange weiter,
“bis möglichst viel von den deutschen Sparguthaben – ca. 400 Billionen Euro – entsprechend umgebucht wird. Und es wird natürlich nicht bei den Griechen landen, sondern bei Goldmann Sachs”.
Der Kläger reiste als Mitglied einer aus mehreren Teilnehmern bestehenden Gruppe im Jahr 2012 in den Iran und traf den damaligen Präsidenten Ahmadinedschad, der mehrfach den Holocaust leugnete und dazu ein Symposium veranstaltet hatte. Im Iran traf der Kläger auch Parlamentsabgeordnete der jüdischen und anderer Minderheiten.
Der Kläger nahm zu dem Film “Das Tal der Wölfe”, in dem in einer Szene ein jüdischer Arzt Gefangenen Organe entnimmt und mit diesen handelt, auszugsweise wie folgt Stellung:
“Auch der Vorwurf des Antisemitismus ist unzutreffend. Es gibt im Filme zwar einen jüdischen Arzt, der Gefangenen Organe entnimmt und weiterverkauft. Doch er versucht die Killer an einigen Stellen zu bremsen. Im Vergleich zu ihnen ist er eine eher harmlose Figur – nicht, wie im Klischee, der Drahtzieher, sondern eher der kleine Profiteur der US-Aggression. Wer sollte bestreiten, dass das eine zutreffende Allegorie des Verhältnisses zwischen den Regierungen in Jerusalem und in Washington ist.”
In den Regeln des von dem Kläger betriebenen Blogs (juergenelsaesser.wordpress.com) heißt es:
“Auf diesem Blog werden keine Diskussionen über die Jahre 1933 bis 1945 geführt. Holocaust-Leugner, Hitler- und Stalinfans mögen sich anderswo abreagieren”.
Über eine rechtsradikale Demonstration zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens am 13.02.1945 schrieb der Kläger in seinem Blog am 09.02.2010:
“Natürlich darf man sich den Nazis nicht anschließen. Das Gedenken an die Opfer wird von ihnen ausgenutzt und missbraucht, um Werbung für den Nazismus zu machen. Mit dem Schlagwort -Bomben-Holocaust- setzen sie gleich, was nicht gleichgesetzt werden darf. Nazi-Deutschland hat den Weltkrieg entfesselt und die Ermordung der europäischen Juden betrieben – das darf nicht vergessen und nicht rela1iviert werden.”
Am 23.02.2009 schrieb der Kläger dort:
.,Die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee ist für mich die größte Tat des 20. Jahrhunderts.”
Am 29.11.2011 äußerte der Kläger in dem Blog:
“Gegen Juden sagt auf diesem Blog niemand etwas, andernfalls fliegt er.”
Die Beklagte rief am 31.05.2004 im Internet dazu auf, ihr Informationen und Material zu dem Antisemitismus des Klägers zuzusenden (Anlage K 6).
Der Kläger erwirkte bei dem Landgericht München I unter dem Aktenzeichen 25 O 9817/14 am 26.05.2014 den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der der Beklagten untersagt wurde, den Kläger als glühenden Antisemiten zu bezeichnen. Auf den Widerspruch der Beklagten wurde die einstweilige Verfügung in erster Instanz mit Urteil vom 30.07.2014 aufgehoben, da die Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO als nicht gewahrt angesehen wurde.
Der Kläger hatte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 30.06.2014 auffordern lassen, zu erklären, dass sie die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkenne. Für die Abmahnung entstanden dem Kläger ausgehend von einem Streitwert von € 15,000,- bereits bezahlte vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 1.029,35 (1.3-Gebühr) und für das Abschlussschreiben noch nicht bezahlte Kosten in Höhe von € 642,60 (0,8-Gebühr).
Der Kläger trägt vor, er sei kein Antisemit, geschweige denn , ein “glühender Antisemit”, es sei das Gegenteil der Fall. Ein Antisemit, der glühe, trage seine Botschaft nach außen und sei dadurch identifizierbar. Er jedoch habe zu keinem Zeitpunkt in irgend einer Weise etwas Judenfeindliches geäußert, die jüdische Religion angegriffen oder sich über die Gesamtheit der sich als Juden bezeichnenden Menschen abwertend geäußert. Er habe sich für das Gedenken an den Holocaust und gegen dessen Leugnung eingesetzt. Auch die Holocaust-Leugnung des früheren iranischen Präsidenten Ahmadinedschad habe er sich nie zu eigen gemacht. Die Möglichkeit, als Journalist ein ausländisches Staatsoberhaupt zu sprechen, habe er sich als Journalist nicht entgehen lassen können.
Bei der Äußerung handele es sich daher um eine substanzielle unwahre Tatsachenbehauptung. Soweit man die Äußerung als Meinungsäußerung beurteile, handele es sich jedenfalls um Schmähkritik. Es sei der Beklagten ausschließlich darum gegangen, den Kläger zu beschimpfen und zu verunglimpfen, der Zuschauer solle sich mit Abscheu von ihm abwenden. Bei der Äußerung handele es sich um ein Totschlagargument, das den Kläger stigmatisiere, und um eine Formalbeleidigung.
Der Kläger sei zwar ein Kritiker des internationalen Finanzkapitals, seine Kritik sei aber keineswegs antisemitisch oder sonst wie rassistisch. Er bediene sich bei seinen Äußerungen keiner Codes, er habe sich immer von der antisemitischen Verwendung der Kritik an der FED oder am internationalen Finanzkapital klar abgegrenzt. Das oben genannte Zitat von Mährholz sei nur dann antisemitisch zu verstehen, wenn man behaupten würde, die Großfinanziers seien mehrheitlich Juden, was jedoch nicht zutreffe.
Auf die Äußerungen Dritter habe der Kläger keinen Einfluss. Mit Ken Jebsen arbeite er nicht zusammen, mit Lars Mährholz habe es lediglich einen gemeinsamen Auftritt am 21.04.2014 gegeben. Die von der Beklagten zitierte Studie sei einseitig wiedergegeben und falsch rezipiert.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren zu unterlassen, den Kläger als “glühenden Antisemit” zu bezeichnen, so wie in der Sendung “Kulturzeit” auf 3SAT am 17.04 .2014 geschehen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.029,35 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes zu bezahle,
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung des Rechtsanwaltes von Sprenger vom 04.09.2014 in Höhe von € 642,60 in Sachen Elsässer gegen Ditfurth wegen Aufforderung Abgabe Abschlusserklärung freizustellen.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung
Die Beklagte meint, es handele sich bei der Äußerung um eine Meinungsäußerung, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreite. Wegen der Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit sei der Begriff der Schmähung eng auszulegen, er läge bei einer die Öffentlichkeit berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und sei eher auf die Privatfehde beschränkt. Da es der Beklagten um die politische Auseinandersetzung mit einer Gruppe, zu der an führender Stelle der Kläger zähle und die insbesondere auf den sogenannten Friedensdemonstrationen unter anderem rechtspopulistische Auffassungen mit beachtlichem Geschick unter die Menschen bringe, gegangen sei, liege weder eine Privatfehde vor noch stehe die Diffamierung des Klägers im Vordergrund.
Die Beklagte trägt vor, offen faschistische Kreise hätten ihre Sprache gemäßigt und bedienten sich nunmehr eines Codes. So werde nicht mehr geäußert, wir bezweifeln, dass sechs Millionen Juden von den Nazis, von Deutschland vernichtet wurden, sondern es werde angedeutet und gesagt “Ostküste” oder “die FED ist schuld”. Es gehe daher nicht um eindeutig antisemitische Äußerungen des Klägers, sondern um die in den Codes verschlüsselten Aussagen. Der Kläger sei gewiss zu geschickt und klug, um eindeutig als antisemitisch zu entlarvende Aussagen zu machen.
Die Beklagte habe den Kläger zusammen mit den anderen Hauptbeteiligten der Friedensdemos Lars Mährholz und Kai Jebsen kritisiert. Wer in kompakter Weise mit diesen gemeinsam auftrete, müsse sich auch eine Kritik gefallen lassen, in diese einbezogen würden.
Die von dem Kläger am 21.04.2014 verwendete Metapher der Zinsschlinge entspreche dem eindeutig auf Juden bezogenen Begriff der Zinsknechtschaft, der in das 1920 verkündete Programm der NSDAP aufgenommen wurde. Die von dem Kläger in einem Vortrag am 28.06.2013 an der angloamerikanischen Finanzindustrie und Goldman Sachs geäußerte Kritik vermittle ein eindeutiges Bild. Dieses Bankhaus offenkundig jüdischer Tradition sauge dank enger Verbindungen und mit der US-Macht im Hintergrund die europäischen Staaten und damit den deutschen Steuerzahler aus. Es handele sich dabei um das klassische Klischee des Finanzjudentums, die Juden seien an allem Schuld.
Auch das Echo auf die Aktivitäten des Klägers sei von Bedeutung, aus einer Studie ergäbe sich, dass dieses in eine Richtung gehe, die man als antisemitisch bewerten dürfe, weshalb auch der Kläger diesem Bereich zugerechnet werden dürfe.
Die Deutung des Klägers der Szene im Film “Tal der Wölfe” sei rein antisemitisch gemeint.
Den Mitinhaber der Zeitschrift Compact Andreas Abu Bakr Rieger dürfe man uneingeschränkt dem Kreis der Antisemiten zurechnen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Der neue Tatsachenvortrag in dem der Beklagte nachgelassenen Schriftsatz vom 24.10.2014 wurde nur insoweit berücksichtigt, als er sich auf den neuen Sachvortrag aus dem gegnerischen Schriftsatz vom 06.10.2014 bezieht, da mehr der Beklagten nicht nachgelassen war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, da es den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, dass die Beklagte ihn am 17.04.2014 als “glühender Antisemit” bezeichnet hat, und er daher gemäß §§ 1004 analog, 823 I BGB einen Anspruch auf Unterlassung hat. Grundlage für diese Beurteilung ist wegen des Beibringungsgrundsatzes der ZPO nur der Sachvortrag der Parteien, soweit er bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte.
- Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um eine Meinungsäußerung. Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199, 20J m.w.N.). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen (BGH, Urteil vom 23,02,1999, VI ZR 140/98).
- Der Beurteilung, ob jemand ein glühender Antisemit ist, liegt eine Bewertung der Äußerungen und des Auftretens des so Bezeichneten zugrunde, bei der die subjektive Sicht des sich Äußernden auf den so Beurteilten maßgeblich ist, so dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Begriff Antisemit oder Antisemitismus eine allgemein gültige Bedeutung hat.
Nach einer von dem European Forum on Antisemitism (EFA) verwendeten “Arbeitsdefinition” ist Antisemitismus eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird Ziel solcher Angriffe sein. Oft enthalten antisemitische Äußerungen die Anschuldigung, die Juden betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung und seien dafür verantwortlich, dass “die Dinge nicht richtig laufen”. Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild, sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt negative Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge.
Aktuelle Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, in den Medien … sind dabei unter anderem: Falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Juden oder die Macht der Juden als Kollektiv – insbesondere die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung, oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Juden (www.european-forum-on-antisemitism.org/working-definition-of-antisemitis...).
Der Präsident des Zentralrats der Juden Dieter Graumann definierte einen Antisemiten in einem Interview wie folgt: Wer überall eine jüdische Weltverschwörung wittert oder “die Juden” für alle Übel im Zusammenleben der Völker verantwortlich macht. Wer Israel das Existenzrecht abspricht, es verteufelt oder seine Vernichtung in Kauf nimmt. Wer grobschlächtige Nazi-Vergleiche anbringt, um israelische Politik zu verdammen, der ist ein Antisemit (r-p online vom 14.01.2013. Artikel Jakob Augstein: “Ich bin kein Antisemit”).
Nach der Definition im Duden (www.duden.de/) bedeutet glühen “von einer leidenschaftlichen Gemütsbewegung erfüllt, erregt, begeistert sein”, glühend wird als “von Begeisterung erfüllt, leidenschaftlich, stark” definiert.
Ein glühender Antisemit ist damit eine Person, die von Begeisterung erfüllt und leidenschaftlich sich in Wort oder Tat gegen jüdische Menschen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen, religiöse Einrichtungen oder den Staat Israel als jüdisches Kollektiv wendet und dabei beispielsweise falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Juden oder die Macht der Juden als Kollektiv – insbesondere die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Juden gebraucht.
Ob die Äußerungen oder Handlungen einer Person dem entsprechen, ist maßgeblich von der Wertung des sich Äußernden geprägt und damit Meinungsäußerung.
- Meinungsäußerungen stehen dabei grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Qualität, insbesondere ihre Richtigkeit unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG und dürfen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn sie beleidigenden oder schmähenden Charakter haben, untersagt werden. Eine Äußerung nimmt den Charakter einer Schmähung erst dann an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person des Gegners im Vordergrund steht und sie jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person des Gegners besteht; eine für den Betroffenen herabsetzende Wirkung reicht nicht aus (vgl. 1. BGH VI ZR 14107; Vi ZR 51199; VI ZR 276/99; VI ZR 298/03; BVer/GE 82. 272, 284; 93. 266, 294; BVeriG. NJW 1991, 95,96; 1991,1475.1477: 1993, 1462; 2003, 3760; 2004,590,591; 2013, 3021; Az: 1 BvR 444113).
Es kann dahinstehen, ob die streitgegenständliche Bezeichnung des Klägers bereits als Schmähkritik zu beurteilen ist oder ob noch ein ausreichender Sachbezug der Äußerung gegeben ist, da bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1, 2 GG und dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG auf Seiten der Beklagten das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegt. Auch soweit eine Meinungsäußerung keine Schmähung darstellt, kann sich aus der gebotenen Abwägung der beteiligten Grundrechte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben (vgl. dazu BVer/G, stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Mai 2006 – 1 BvR 49100. 1 BvR 55100, 1 BvR 2031100 -, Rz. 43, juris).
Es ist daher geboten, bei der Entscheidung über den Unterlassungsantrag zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung abzuwägen. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechtes als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523 mwN; vom 20. April 201(1- VI ZR 245108, NJN 2010,2728 Rn, 12). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urteil vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243108. VersR 2010,673 Rn. 14 – Onlinearchiv 11: vom 20. April 2010 – VI ZR 245108).
- Bei der Bezeichnung “glühender Antisemit” handelt es sich um eine Beleidigung im Sinne von § 185 StGB und eine Bezeichnung, die geeignet ist, das Persönlichkeitsrecht des Klägers in erheblicher und weitgehender Weise zu verletzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade vor dem Hintergrund der Verbrechen der Nazidiktatur sowie des Holocaust die Bezeichnung als “glühender Antisemit” in besonderer Weise geeignet ist, den so Bezeichneten herabzuwürdigen und in seiner Ehre zu verletzen. Denn in dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass derjenige die Überzeugungen teilt, die zu der Ermordung von 6 Millionen Juden unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft geführt haben, und die Menschen alleine aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft angreifen und für die Übel der Welt verantwortlich machen.
In der gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten ist daher zu berücksichtigen, ob die Beklagte über ausreichende Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen verfügt, aus denen sich eine glühende antisemitische Überzeugung oder Einstellung des Klägers in dem unter Ziffer 2. geschilderten Sinne entnehmen lässt.
- Die von der Beklagten vorgetragenen Äußerungen und Handlungen des Klägers, auf die sich die Beklagte beruft, bieten zur Überzeugung des Gerichts keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen dafür, den Kläger als “glühender Antisemit” beurteilen zu können.
5.1 Soweit sich die Beklagte auf gemeinsame Auftritte des Klägers mit den im Interview ebenfalls genannten Lars Mährholz und Ken Jebsen bezieht, reichen diese, unabhängig davon, ob es tatsächlich einen gemeinsamen Auftritt aller Drei gegeben hat, nicht aus, um daraus auf eine leidenschaftliche antisemitische Überzeugung des Klägers zu schließen.
Mit Recht kann die Karikatur, die Lars Mährholz zeitweilig auf seiner Internetseite eingestellt hatte, als antisemitisch bewertet werden. Das gleiche gilt für die von der Beklagten zitierten Anfragen des Ken Jebsen an Henryk M. Broder oder die Bundeskanzlerin. Ein Rückschluss auf entsprechende Überzeugungen des Klägers wäre aber nur dann gerechtfertigt, wenn dieser zum Ausdruck gebracht hätte, dass er diese Überzeugungen teilt oder zumindest mit der Veröffentlichung der Karikatur einverstanden war oder den oben zitierten Anfragen zustimmt. Dieser Rückschluss kann aber aus gemeinsamen Auftritten nicht gezogen werden, zumal die Beklagte allein den Kläger als glühenden Antisemiten bezeichnet und die beiden anderen in diese Bezeichnung nicht einbezieht. Damit macht die Beklagte auch deutlich, dass sie zwischen den von ihr aufgezählten Personen unterscheidet.
5.2 Auch die andauernde Zusammenarbeit mit dem Mitherausgeber der Zeitschrift “Compact” Andreas Rieger bietet keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für die streitgegenständliche Äußerung.
Die Äußerung Riegers, auf die sich die Beklagte beruft, stammt aus dem Jahr 1993 und liegt damit 21 Jahre zurück. Dass sich Rieger von dieser Äußerung mittlerweile mehrfach distanziert hat und dass die von ihm herausgegebene Zeitschrift sich für einen Ausgleich mit Israel einsetzt und sich vom radikalen Islam abgrenzt, hat die Beklagte nicht bestritten. Damit kann aber als der Zusammenarbeit des Klägers mit Rieger heute nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger sei ein glühender und damit leidenschaftlicher Antisemit.
5.3. Die von der Beklagten zitierte Äußerung des Klägers am 21.04.2014, die nach dem streitgegenständlichen Interview der Beklagter erfolgte, bietet ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung des Klägers als glühender Antisemit.
Der Kläger beschäftigt sich in der zitierten Rede mit seiner Sicht auf die internationale Finanzoligarchie und nennt als Mitglieder neben dem englischen und saudischen Königshaus und Rockefeller auch die Namen Rothschild, Cholokowski sowie Soros, mit denen jüdische Bankiers, Unternehmer oder Investoren gemeint waren. Weder der von dem Kläger benutzte Begriff der Zinsschlinge noch seine Aussage, dass “diese winzig kleine Schicht von Geldaristokraten die Federal Reserve benutzen, um die Welt ins Chaos zu stürzen” bezieht sich ausschließlich oder auch nur vorrangig auf Juden, was eine Wertung der Aussage als antisemitisch rechtfertigen könnte. Die vom Kläger damit verbundene Frage, warum diese Äußerung Antisemitismus sein solle, ist nach seinen (unbestrittenen) Angaben eine Reaktion auf den Vorwurf der Beklagten. Eine Kontrolle der “Finanzoligarchie” durch die Juden und damit der Vorwurf, dass die Juden für die vor dem Kläger angeprangerte Zinsschlinge verantwortlich seien, kann der Äußerung nicht entnommen werden, da der Kläger neben jüdischen Bankiers und Investoren auch christliche und muslimische in gleicher Weise anspricht und verantwortlich macht, indem er sie sämtlich für gottlos und nur den Mammon anbetend erachtet. Damit ist der Äußerung die für den Antisemitismus maßgebliche Herabsetzung gerade wegen des Judentums oder der jüdischen Herkunft nicht zu entnehmen, unabhängig davon, ob man die Überzeugungen des Klägers teilt oder nicht.
5.4 Das gleiche gilt für die Äußerungen des Klägers vom 28.06.2013 zu den Zielen der EU und der Bedrohung durch die EU sowie der Verstrickung des Bankhauses Goldman Sachs.
Soweit der Kläger die Rolle des Bankhauses bei der Kaschierung des Haushaltsdefizits durch Griechenland schildert und darauf abstellt, dass Mario Draghi und Klaus Regling (Managing Director des Euro-Rettungsschirms) bei Goldman Sachs gearbeitet haben, wird dies für Mario Draghi und die Handlungen der Bank in Griechenland von der Beklagten nicht in Frage gestellt. Die von dem Kläger gezogenen Schlussfolgerungen, dass damit die “wichtigsten Institutionen für die Zerstörung Kontinentaleuropas in der Hand von Goldman Sachs” seien und dass wegen der zur Rettung Griechenlands übernommenen Garantien “möglichst viel von den deutschen Sparguthaben von rd. 400 Billionen Euro – entsprechend umgebucht wird. Und es wird natürlich nicht bei den Griechen landen, sondern bei Goldman Sachs” mögen vor dem Hintergrund, dass Goldman Sachs ein Bankhaus mit jüdischer Tradition ist, als antisemitisch gedeutet werden können. Allerdings ist dies weder zwingend noch eindeutig und kann genauso gut als Kritik an dem Gebaren der Bank ohne einen Bezug zu deren jüdischer Tradition verstanden werden, zumal der Kläger ausführt, dass das Bankhaus wie früher die Habsburger die europäischen Völker ausbeutet, und damit gerade nicht einen Bezug zu dem jüdischen Hintergrund der Bank herstellt.
Eine solche Kritik muss, unabhängig davon, ob sie zutreffend ist oder nicht, möglich sein und ist keine ausreichend Anknüpfungstatsache für eine Bezeichnung des Kritikers als glühender und damit leidenschaftlicher Antisemit.
5.5 Die Reise des Klägers in den Iran und sein als Mitglied einer Reisegruppe erfolgtes Treffen mit dem damaligen Präsidenten Ahmadinedschad ist keine ausreichende Anknüpfungstatsache für einen glühenden Antisemitismus des Klägers. Allein aus einem Treffen mit dem iranischen Staatspräsidenten kann trotz dessen Leugnung des Holocaust nicht auf eine leidenschaftlich antisemitische Gesinnung des Klägers geschlossen werden, zumal dieser auf der Reise auch weitere Politiker getroffen hat wie jüdische Parlamentsabgeordnete.
5.6 Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass der Kläger den Film “Das Tal der Wölfe” gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigt, muss man die Auffassung des Klägers nicht teilen, dies ist aber keine ausreichende Anknüpfungstatsache für die Bezeichnung des Klägers als glühender Antisemit. Es muss möglich sein, zu der Frage, ob ein Film (oder auch eine Filmszene) antisemitisch ist, unterschiedliche Meinungen zu vertreten, ohne dass derjenige, der ihn als nicht antisemitisch bewertet und dies begründet, sich als antisemitisch bezeichnen lassen muss, da ansonsten die Meinungsäußerungsfreiheit erheblich beeinträchtigt wäre.
Die Filmkritik des Klägers bietet daher keine ausreichende Anknüpfungstatsache, um eine glühende antisemitische Überzeugung des Klägers zu belegen.
5.7 Auch in der Zusammenschau bieten die von der Beklagten angeführten Äußerungen und Verhaltensweisen des Klägers keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die darauf schließen lassen, dass es sich bei dem Kläger um einen glühenden Antisemiten handelt. Gemeinsame Auftritte mit Ken Jebsen und/oder Lars Mährholz und die zitierten Äußerungen des Klägers und auch das Treffen mit dem damaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad vermitteln nicht den Eindruck einer Person, die sich leidenschaftlich in Wort oder Tat gegen jüdische Menschen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen, religiöse Einrichtungen oder den Staat Israel als Jüdisches Kollektiv wendet. Zu berücksichtigen sind dabei auch die zitierten Äußerungen des Klägers in seinem Blog, in denen sich der Kläger ausdrücklich gegen judenfeindliches Verhalten oder judenfeindliche Äußerungen wendet (Anlagen K 7 bis K 10).
Soweit die Beklagte in dem Schriftsatz vom 0610.2014 entgegen ihrer Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung nunmehr einen gemeinsamen Auftritt des Klägers mit Lars Mährholz und Ken Jebsen vorträgt, ändert dies an der vorgenommenen Bewertung nichts.
Der neue Sachvortrag in diesem Schriftsatz zu einem Auftritt des Klägers am 26.07.2014 auf einer “Anti-Zensur-Konferenz” war der Beklagten nicht nachgelassen, dieses gilt auch für den Sachvortrag zu einer Teilnahme des Klägers im Dezember 2009 an der Konferenz “Let the earth live” in Moskau und seinem Beitrag ,Brecht die Diktatur der politisch Korrekten”. Der Beklagten war lediglich nachgelassen, auf neuen Sachvortrag in der Replik zu erwidern, nicht darüber hinaus weiter vorzutragen. Bei dem angeführten Sachvortrag handelt es sich nicht um die Erwiderung auf die Replik, sondern um neuen und daher nicht zu berücksichtigen Sachvortrag. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO war insoweit nicht veranlasst, insbesondere liegen keine Gründe nach § 15611 ZPO vor. Dies gilt auch für die danach zur Akte gelangten Schriftsätze des Klägers.
- In der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1. 2 GG und der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten im politischen Meinungskampf aus Art. 5 GG überwiegt das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Hierbei ist die erhebliche Verletzung dieses Rechts durch die Bezeichnung des Klägers als gIühender Antisemit auf der einen Seite und das Recht der Beklagten, den Kläger wegen der von ihm geäußerten Ansichten und seiner Auftritte im Zusammenhang mit den von der Beklagten kritisierten Montagsdemonstrationen anzugreifen und dabei auch scharf, pointiert und polemisch zu argumentieren, gegeneinander abzuwägen. In diese Abwägung ist einzustellen, dass der Kläger in seinem Verhalten und seinen Äußerungen, soweit sie von den Parteien vorgetragen wurden und zu berücksichtigen waren, keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für eine solche Bezeichnung geboten hat.
Vor diesem Hintergrund muss das Recht der Beklagten aus Art. 5 GG hinter dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten. Der politische Meinungskampf und die Auseinandersetzung um die neuen Montagsdemonstrationen rechtfertigen es nicht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ohne ausreichende Anknüpfungstatsachen in dieser Form zu verletzen, die Ehrverletzung ist nicht gerechtfertigt. Die Beklagte wird hierdurch auch nicht unzumutbar in ihrer Meinungsfreiheit beeinträchtigt, da sie ihre Argumente gegen die Montagsdemonstrationen und ihre Vorbehalt gegen den Kläger auch ohne diese massive Verletzung seines Persönlichkeitsrecht äußern und verbreiten kann. Der Kläger hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung.
- Da der Abmahnung zugrunde liegende Unterlassungsanspruch des Klägers gegeben ist, hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Abmahnkosten aus § 823 18GB in der geltend gemachten Höhe von € 1.029,35 (1,3-Gebühr zzgl. Pauschale Nr. 7002 W RVG und MwSt. aus einem Streitwert von € 15.000,-).
- Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch auf Freistellung von den Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung.
Der Anspruch ist nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB begründet (BGH, Urteil vom 04. Februar 2010 -I ZR 30/08 -, juris, Rn. 26; st. Rspr.). Die Anforderung der Abschlusserklärung gehört hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr zum vorangegangenen Eilverfahren, sondern zur Hauptsachklage. Das Abschlussschreiben ist daher als eine neue, selbständig zu honorierende Angelegenheit i.S. des § 17 Nr. 4 lit. b RVG anzusehen (BGH, a.a.O., Rn. 27). Fordert der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten nach Erwirkung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung den Anspruchsgegner dazu auf, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926, 927 ZPO zu verzichten, so will er auf diese Weise die Klaglosstelliing seines Mandanten und damit ein Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptsacheprozess erreicht werden kann.
Im Zeitpunkt des Abschlussschreibens hatte die einstweilige Verfügung Bestand, der Unterlassungsanspruch ist auch in der Sache gegeben, so dass der Kläger Freistellung von den ihm entstanden Anwaltskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Der Streitwert für den Unterlassungsanspruch war entsprechend dem Interesse des Klägers gemäß § 3 ZPO auf € 15.000,- festzusetzen, hinzukommt der Freistellungsantrag mit € 642,60.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Oberlandesgericht München
Prielmayerstr.5
80335 München
einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro Übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München
einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
gez.
Gröncke-Müller
Vorsitzende Richterin am Landgericht
Verkündet am 10.12.2014
gez. Aycan, JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.09.2014, AZ: VI ZR 490/12, zur Zulässigkeit der wörtlichen Berichterstattung aus privaten E-Mails
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der Vertraulichkeitssphäre und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung schützt das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt.
b) Die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen ist vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst.
c) Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstattung verwertet, kommt es bei der Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses der Öffentlichkeit und ihres Rechts auf Meinungsfreiheit mit dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird.
VI ZR 490/12
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen Diederichsen und von Pentz sowie den Richter Offenloch
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 3 wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. November 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 3 erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Berlin abgeändert, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der der Beklagten zu 2 in der Revisionsinstanz durch die Einlegung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen außergerichtlichen Mehrkosten 1. Diese trägt sie selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der "B.Z.".
Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außereheliche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständigen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhanden. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redakteure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ordnen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizistisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öffentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt "bild.de" unter der Überschrift "Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe" einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internetportal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. September 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zeitungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlungen für sie nachgeholt habe.
Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13):
- E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung".
- E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: "Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. rausreden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)".
- E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: "War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig handeln? Will nicht mehr betteln müssen".
- E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: "Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. bekomme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister".
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klägers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Klageantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klageantrag zu 12):
aa. "Du hast wieder den Geburtstag vergessen ... Du schuldest uns 1.150 Euro ... Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte". (22. Oktober 2003) "Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen". (24. November 2003);
bb. "Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gesehen, Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme". (25. November 2003);
cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: "Ich bring auch ein paar Euro vorbei" (2. Dezember 2003);
dd. "Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände". (16. Dezember 2003);
ee. "Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist ... Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten ..." (19. Mai 2005),
wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" geschehen;
ff. "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" (6.März 2005); wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" und/oder wie in "http://www.bz-berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaere-article986907.html" geschehen.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die -unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € - gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewesen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklagten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphäre des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt werde der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafanzeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein "gehacktes" Passwort erfolgt sei, liege ein Vergehen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tatsächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Ersichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu begehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Vater benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teilnahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv sei.
Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Berichterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, welche Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen.
I. Revision der Beklagten zu 1
1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 - I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontakte zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbezeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein.
aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nichteheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheimsphäre: Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN - Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kommunikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 - I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Vertraulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der besonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit zurückzutreten.
(1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestaltung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
(2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der Elternteil, bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. November 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - anders als die Leistungen - nicht "zuende" gehe.
Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhalten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphäre zuzurechnen, zu der "Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird". Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt.
2. Klageantrag zu 13:
Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten.
a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfügung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informationserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbesondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die - wie im Streitfall - geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung" dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers unterstrichen, ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner persönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise "preisgegeben" würde.
Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind ebenfalls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrechtlich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumentieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an seiner Haltung festgehalten hat.
3. Rechtsanwaltskosten
Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
II. Revision der Beklagten zu 3
1. Klageantrag zu 12
Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen werde. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klägers, die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu übernehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden.
2. Rechtsanwaltskosten
Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
1 Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.09.2014, AZ: I BvR 23/14 - Eilanspruch bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen - BND
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 23/14 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Masing
und die Richterin Baer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. September 2014 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
1. a) Der Beschwerdeführer ist Redakteur einer Tageszeitung. Vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung über die Ausführung so genannter Dual-Use-Güter nach Syrien, welche für die Herstellung von Waffen geeignet sein können, bat er im September 2013 den Bundesnachrichtendienst um Auskünfte zu Stellungnahmen des Bundesnachrichtendiensts zur Ausfuhr von Gütern nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2010 gegenüber dem Ausfuhrausschuss der Bundesregierung. Der Bundesnachrichtendienst verweigerte die erbetenen Angaben, da die Behörde dazu ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestags berichte und der Ausfuhrausschuss der Bundesregierung nicht öffentlich tage.
b) Der Beschwerdeführer bat sodann „hilfsweise“ um inhaltliche Beschreibungen der Stellungnahmen. Der Bundesnachrichtendienst teilte daraufhin mit, die Stellungnahmen unterlägen der Geheimhaltung und könnten daher weder in allgemeinen Zügen noch im Detail öffentlich bekannt gemacht werden. Nach der Publikation weiterer zur Herstellung von Chemiewaffen geeigneter Dual-Use-Exporte nach Syrien bis 2011 durch das Bundeswirtschaftsministerium erweiterte der Beschwerdeführer Anfang Oktober seine Fragen bezüglich Zeiträumen und exportierten Stoffen. Hierauf erfolgte seitens des Bundesnachrichtendienstes keine Reaktion mehr.
2. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 hat der Beschwerdeführer um vorläufigen Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht nachgesucht und beantragt, dem Bundesnachrichtendienst aufzugeben, die im dortigen Schriftsatz beantragten Auskünfte zu erteilen. Die pauschale Verweigerung der begehrten Auskünfte sei rechtswidrig und verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit.
3. Mit angegriffenem Beschluss vom 26. November 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht in erstinstanzlicher Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
a) Der Beschwerdeführer habe bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft machen können. Dies gelte sowohl für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung von Auskünften über den Wortlaut der Stellungnahme des Bundesnachrichtendiensts gegenüber der Bundesregierung wie auch für den „höchst hilfsweise“ gestellten Antrag, der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens - der Bundesrepublik Deutschland - aufzugeben, den Inhalt dieser Stellungnahmen, soweit Dritten gegenüber zulässig, zu beschreiben.
Mit diesen Anträgen begehre der Beschwerdeführer keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Solchen Anträgen sei im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn ein Abwarten in der Hauptsache für den Beschwerdeführer schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei sei dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
b) Von diesem Maßstab ausgehend habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.
aa) Der Beschwerdeführer habe vorgetragen, es gehe ihm darum, durch Kenntnisnahme der begehrten Informationen die Plausibilität der Angaben zu beleuchten und nachzuprüfen, die aus dem Kreis der Bundesregierung zur Frage der Nutzung nach Syrien ausgeführter Chemikalien gemacht worden seien, sowie die durch die gewünschten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer öffentlichen Berichterstattung darzulegen. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache würde die begehrten Informationen möglicherweise vollständig entwerten. In Monaten oder Jahren würde sich die Anfrage durch die rasch voranschreitende politische Entwicklung in Syrien wie auch durch neue Agenden (innen- wie auch außenpolitischer) eine Berichterstattung aller Wahrscheinlichkeit nach erledigen.
bb) Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers gehe nicht hervor, dass ein Abwarten auf die Entscheidungen eines etwaigen Hauptsacheverfahren die Verwirklichung des von dem Beschwerdeführer verfolgten Anliegens - eine möglichst aktuelle, nämlich unmittelbar an eine laufende politische Diskussion anknüpfende Berichterstattung zu der von ihm ins Auge gefassten Thematik vorzunehmen - beeinträchtigen würde.
Es erscheine zwar in der Tat denkbar, dass eine Berichterstattung zu einem späteren Zeitpunkt Gefahr liefe, geringere öffentliche Resonanz zu erzeugen. Damit sei aber jedoch noch nicht dargetan, dass die dem Beschwerdeführer durch ein Abwarten auf eine etwaige Hauptsacheentscheidung drohenden Nachteile unzumutbar wären. Die vorgesehene Berichterstattung als solche bleibe ihm auch nach einer späteren Entscheidung noch möglich. Die begehrten Informationen wären auch zu diesem Zeitpunkt noch einer Verwertung zugänglich und, sofern sie sich als inhaltlich gehaltvoll herausstellen sollten, auch dann noch geeignet, ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung hervorzurufen. Die verfassungsrechtlich anerkannte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse bleibe somit weiterhin gewahrt.
cc) Unzumutbar könnte dem Beschwerdeführer ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung allenfalls dann sein, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa weil manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Für einen solchen Tatbestand, in dem die Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse leerliefe, wenn keine zeitnahe Berichterstattung erfolgen könne, ergeben sich jedoch im zu beurteilenden Fall weder aus dem Vortrag des Beschwerdeführers noch aus anderen möglichen Blickwinkeln greifbare Hinweise.
c) Unabhängig davon könne einem Begehren, eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung zu erwirken, nur dann stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Aussicht auf Erfolg habe.
aa) Gerade bei einer Vorwegnahme der Hauptsache seien strenge Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu stellen. Der Beschwerdeführer berufe sich auf den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst, welcher dort ende, wo berechtigte schutzwürdige Interessen entgegenstünden.
bb) Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens habe nachvollziehbar dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer gewünschten Dokumente und Informationen vornehmlich durch nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten gewonnen worden seien, namentlich auch mit Hilfe menschlicher Quellen, durch technische Quellen oder im Rahmen der informellen Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten. Das Auskunftsverlangen des Beschwerdeführers bringe die Gefahr mit sich, dass Rückschlüsse über die Herkunft und die Aufklärungsfähigkeiten des Bundesnachrichtendiensts ermöglicht würden. Sofern die Stellungnahmen des Bundesnachrichtendiensts öffentlich zugänglich gemacht werden würden, könnten hieraus überdies Rückschlüsse über Wissensstände und Wissensdefizite des Bundesnachrichtendiensts über fremde Proliferationsaktivitäten gezogen werden.
cc) In Anbetracht dieser Sachlage erscheine es naheliegend, dass berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der begehrten Auskunftserteilung an den Beschwerdeführer entgegenstehen könnten; dies sei in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Dass dieses erkennbar zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen würde, könne jedenfalls nach derzeitigem Stand nicht angenommen werden.
4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden.
5. Gelegenheit zur Stellungnahme hatten das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Bundeskanzleramt und der Bundesnachrichtendienst. Die Bundesregierung hat daraufhin Stellung genommen und ausgeführt, dass die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet sei und deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben an einen effektiven Eilrechtsschutz im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch der Presse hinreichend beachtet, eine Grundrechtsverletzung liege nicht vor. Die angewendeten Maßstäbe und ihre Anwendung im Einzelfall seien von Verfassung wegen nicht zu beanstanden. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und eine Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) ist nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG beruft, zulässig.
Der Rüge steht insbesondere nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegen. Ein Beschwerdeführer, der sich gegen Entscheidungen in einem letztinstanzlich abgeschlossenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wendet, kann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn er gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes rügt (vgl. BVerfGE 59, 63 <84>).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber nicht begründet.
a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener Zeit gewährt wird. Namentlich der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist (vgl. BVerfGE 37, 150 <153>; 65, 1 <70>). Die Gerichte sind gehalten, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; BVerfGK 4, 36 <40>). Je schwerer die aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>; BVerfGK 3, 135 <139>). Diese Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGK 1, 201 <204>) wirken auch auf den verwaltungsprozessualen Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache zurück und begrenzen diesen im Einzelfall (vgl. BVerfGE 79, 69 <77 f.>). Entscheidend ist, dass die Prüfung im Verfahren des Eilrechtsschutzes eingehend genug ist, um den Antragsteller vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (vgl. BVerfGK 5, 135 <140>).
Grundsätzlich ist für die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine summarische Prüfung verfassungsrechtlich unbedenklich; die notwendige Prüfungsintensität steigt jedoch mit der drohenden Rechtsverletzung, die bis dahin reichen kann, dass die Gerichte unter besonderen Umständen - wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen - dazu verpflichtet sein können, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>;93, 1 <13 f.>; 126, 1 <27 f.>; BVerfGK 1, 292 <296>; 5, 237 <242>).
b) Diese Maßstäbe hat das Bundesverwaltungsgericht bei der ihm obliegenden Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO hinreichend berücksichtigt. Eine Grundrechtsverletzung ist im Ergebnis nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier die Frage nach der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Problem einer - zumindest teilweisen - verwaltungsprozessualen Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist. Die hieraus für den vorliegenden Fall gefolgerten Anforderungen an die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes sind mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht frei von Bedenken, letztlich aber noch verfassungsmäßig.
aa) Unbeschadet der Frage, ob der vorliegend geltend gemachte Presseauskunftsanspruch gegen den Bundesnachrichtendienst unmittelbar aus der Verfassung - namentlich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - abgeleitet werden kann und wie weit dieser genau reicht, ist bei einer Eilentscheidung über einen solchen Auskunftsanspruch jedenfalls die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Dies gilt auch in Bezug auf Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden (vgl. BVerfGE 20, 162 <175 f.>). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 50, 234 <240>; 91, 125 <134>). Soweit die Vorwegnahme der Hauptsache nur bei Vorliegen eines schweren Nachteils zulässig ist, muss dabei auch die Bedeutung der Auskunftsansprüche für eine effektive Presseberichterstattung durch den Beschwerdeführer hinreichend beachtet werden.
bb) Die angegriffene Entscheidung berücksichtigt im Ergebnis hinreichend das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschwerdeführers an einer hinsichtlich des Zeitpunkts möglichst selbstbestimmten Publikation von bestimmten Inhalten, die einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion leisten und möglicherweise auf erkannte Missstände hinweisen sollen.
(1) Verfassungsrechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn das Bundesverwaltungsgericht bei seiner auf seiner auf das Anordnungsverfahren begrenzten Maßstabsbildung davon ausgeht, dass eine gewisse Aktualitätseinbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine Ausnahme „allenfalls“ dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Diese Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts führt den schweren Nachteil zu eng und legt damit einen Maßstab an, der die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Aufgabe der Presse ist vornehmlich die Information der Bevölkerung als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>). Grundsätzlich entscheidet die Presse in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>; 107, 299 <329>). Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Kann sich die Presse im Wege gerichtlichen Eilrechtsschutzes von öffentlichen Stellen aber solche Informationen nur unter den Voraussetzungen beschaffen, die das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung nennt, so begrenzt dies im Blick auf die Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unverhältnismäßig.
Zwar genügt es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (so beispielsweise VG Köln, Beschluss vom 27. August 2009 - 6 L 918/09 -, Rn. 12, juris; siehe auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. August 2004 - 7 CE 04.1601 -, juris; VG Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2009 - 5 L 42/09 -, Rn. 68 ff., juris). Dies kann jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe; denn dies ist angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
(2) Dennoch ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn für den konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verfassungsrechtlich unbedenklich verneint. Zu Recht geht es davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich gemacht hat, warum seine Anfrage, die sich auf Vorgänge der Jahre 2002 bis 2011 bezieht, nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit begründet. Wenn der Beschwerdeführer jedoch Auskünfte über solche zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu vorzutragen, warum er für die jetzige Berichterstattungsabsicht sogleich Einsicht in diese Dokumente benötigt und warum diese Berichterstattung ohne diese Dokumente in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird. Dafür genügt es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über Dual-Use-Exporte berichtet wird und eine solche Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presseberichterstattung sofort benötigt. Wenn er insoweit darauf verweist, dass er die Plausibilität der Aussagen der Bundesregierung zu diesen Exporten durch die angeforderten Unterlagen überprüfen möchte, so folgt aus diesem bloßen Verweis auf die Notwendigkeit der Unterlagen zur Berichterstattung jedoch noch nicht unmittelbar die Eilbedürftigkeit. Angesichts der nicht dargelegten Eilbedürftigkeit liegt keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch den Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts vor.
cc) Soweit der Beschwerdeführer weiterhin vorbringt, die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache verstoße gleichfalls gegen Art. 19 Abs. 4 GG, so verhilft das der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Da die Verneinung des „schweren Nachteils“ durch das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und eigenständig die Abweisung trägt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten mit Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang steht.
3. Da die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, erledigt sich damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.