Mitgliedschaft im Deutschen AnwaltVerein Logo

 

Fortbildungssymbol-farbig-klein.png

 

MLogo_farbig-JPG_0.jpg

 

 

 

Musikrecht

Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Februar 1988, AZ: I ZR 142/86 - "Ein bisschen Frieden"

BGH - 03.02.1988 - "Ein bisschen Frieden" -
Amtliche Leitsätze: 

 

Zur Frage des Melodienschutzes und des Anscheinsbeweises bei der Melodieentnahme.

 

Urteilstext: 

BUNDESGERICHTSHOF

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

Aktenzeichen: I ZR 142/86

(PDF Originalurteil)


Verkündet am: 03.02.1988


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 1988 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und die Richter Dr. Piper, Dr. Erdmann, Dr. Teplitzky und Dr. Mees

für Recht erkannt:

 
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. Mai 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 
 
Von Rechts wegen

 

Tatbestand:


Die Klägerin ist ein Musikverlag. Der Beklagte ist Komponist und Verleger des Liedes "Ein bißchen Frieden", mit dem die Schlagersängerin Nicole im Mai 1982 den großen Preis der Eurovision gewann. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte bei dieser Komposition das Lied "Alle Liebe dieser Erde", an dem die Klägerin die Verwertungsrechte für sich in Anspruch nimmt, in unzulässiger Weise benutzt hat.

Komponist des Liedes "Alles Liebe dieser Erde" ist Bert Olden (bürgerlicher Name Otto D.), Textdichter ist Christian Heilburg (bürgerlich Gregor R.); der Schlager wurde seit 1973 von Julio Iglesias gesungen. Die Klägerin ist aufgrund eines Vertrages mit Bert Olden vom 13. 9. 1973 Verlegerin des Liedes. Durch Vertrag vom 2. 11. 1973 vereinbarte sie mit dem spanischen Verlag Notas Magicas S.A. ein "Gemeinschaftscopyright" an diesem Titel. Die Firma Magicas S.A. ist auch Verlegerin des 1971 von Julio Iglesias komponierten, getexteten und gesungenen Titels "Un Canto de Galicia" (deutsche Textfassung von Harald H. Werner/Bert Olden "Wenn ein Schiff vorüber fährt"). Die Schlager "Un Canto de Galicia" und "Alle Liebe dieser Erde" ähneln einander in bestimmten Tonfolgen.

Diese Schlager und der vom Beklagten komponierte Schlager "Ein bißchen Frieden" weisen, soweit Übereinstimmungen behauptet werden, folgendes Notenbild auf:

un conto de galicia, alle liebe dieser erde, ein bisschen frieden


Die Kl. nimmt den Bekl. auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung her Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.

Sie hat vorgebracht, der Beklagte habe eine Urheberrechtsverletzung begangen, da er die Tonfolge des Interludes aus dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" (Auftakt bis Takt 2 erste Note) in den Refrain des Schlagers "Ein bißchen Frieden" (Auftakt bis Takt 2 erste Note) übernommen habe. Das Interlude dieses Liedes stelle ein urheberrechtlich geschütztes Musikwerk dar. Da der Beklagte das Lied - was unstreitig ist - gekannt habe, habe er die betreffende Tonfolge zumindest unbewußt entlehnt. Falls in dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" eine Bearbeitung von "Un Canto de Galicia" zu sehen sei, sei diese zulässig, da sowohl Julio Iglesias als auch die Notas Magicas S.A. zugestimmt hätten.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Der Textautor von "Alle Liebe dieser Erde" habe der Klageerhebung nicht zugestimmt; überdies könne die Klägerin auch wegen des vereinbarten Gemeinschaftscopyrights nur zusammen mit der Notas Magicas S.A. klagen. Außerdem hätten auch die übrigen Beteiligten einer Verwendung her Tonfolge von "Un Canto de Galicia" nicht zugestimmt. Weiterhin hat der Beklagte auch eine Urheberrechtsverletzung bestritten. Die betreffende Tonfolge in "Alle Liebe dieser Erde" sei nicht urheberrechtsschutzfähig; ihr komme keine Originalität zu, sie gehöre vielmehr zum vorbekannten musikalischen Gemeingut. Darüber hinaus könne ihm auch keine bewußte oder unbewußte Entlehnung vorgeworfen werden. Dagegen spreche schon, daß die jeweiligen Melodien und Arrangements viel zu unterschiedlich seien. Er - der Beklagte - habe "Alle Liebe dieser Erde" nicht in Erinnerung gehabt, als der "Ein bißchen Frieden" komponiert habe. Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Die Berufung hat, nachdem das Kammergericht ein weiteres Gutachten eingeholt hatte, zur Klageabweisung geführt. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
 

Entscheidungsgründe:


I. 1. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht und dazu ausgeführt: Es könne für die Frage der Aktivlegitimation offenbleiben, ob es sich bei dem Interlude aus dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" um eine selbständige Schöpfung oder eine (abhängige) Bearbeitung des Titels "Un Canto de Galicia" bzw. - was am nächsten liege - um eine weitgehende Übernahme dieses Titels ohne eigenschöpferische Züge handele. Die Kl. könne in jedem Falle allein klagen und auch Leistung an sich verlangen. Bezüglich des Titels "Alle Liebe dieser Erde" ergebe sich ihre Alleinberechtigung aus dem Vertrag mit der Notas Magicas S.A. vom 2. 11. 1973. Für den Fall einer Verwertung des Titels "Un Canto de Galicia" in Form der Bearbeitung könne die Klägerin nach § 3 UrhG selbständig Schutz in Anspruch nehmen; für den Fall einer Verwertung in Form einer nahezu identischen Übernahme sei davon auszugehen, daß die erforderlichen Einwilligungen der Notas Magicas S.A. und Julio Iglesias vorgelegen hätten.

2. Letzteres wird von dem Beklagten in seiner Revisionserwiderung mit Erfolg in Zweifel gezogen. Der Beklagte meint, selbst wenn unterstellt werde, daß Julio Iglesias als Komponist von "Un Canto de Galicia" und die Notas Magicas S.A. als Verlegerin der Verwertung des Liedes durch den Komponisten von "Alle Liebe dieser Erde" zugestimmt hätten, ergebe sich daraus noch keine Befugnis, Rechte bezüglich des Liedes "Un Canto de Galicia" geltend zu machen.

a) Aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen läßt sich die Aktivlegitimation der Klägerin dann nicht bejahen, wenn - wovon aufgrund der Unterstellung durch das Berufungsgericht auszugehen ist - die Tonfolge des Interludes aus dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" (nahezu) identisch aus dem Lied "Un Canto de Galicia" übernommen worden ist. Denn in diesem Falle müßte die Klägerin auch Inhaberin der ausschließlichen Rechte an dem Titel "Un Canto de Galicia" geworden sein. Dies läßt sich den Feststellungen des BerG aber nicht hinreichend entnehmen.

Aus dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Notas Magicas S.A. vom 2. 11. 1973 über ein "Gemeinschaftscopyright" an dem Titel "Alle Liebe dieser Erde" läßt sich zwar eine konkludente Zustimmung der Notas Magicas S.A. zur Verwertung von "Un Canto de Galicia" bei der Komposition "Alle Liebe dieser Erde" herleiten, nicht aber ein ausschließliches Recht an dem Titel "Un Canto de Galicia" selbst. Entgegen der Annahme des Berufungsgericht ergibt sich ein solches Recht auch nicht aus dem Sub-Verlagsvertrag der Kl. mit der Notas Magicas S.A. vom 16. 10. 1972 über den Titel "Un Canto de Galicia", da dieser Vertrag am 15. 10. 1980 abgelaufen ist. Anhaltspunkte für eine - vom Berufungsgericht angenommene - fortwirkende Einwilligung, die sich auf die Geltendmachung der ausschließlichen Rechte an diesem Titel erstrecken müßte, sind nicht ersichtlich. Die Aktivlegitimation läßt sich auch nicht auf das vom Berufungsgericht weiter angeführte Schreiben der Notas Magicas vom 3. 5. 1984 stützen, da sich dieses Schreiben nur auf den Titel "Alle Liebe dieser Erde" bezieht.

Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, auch Julio Iglesias habe der Klägerin zumindest konkludent alle erforderlichen Rechte an dem Titel "Un Canto de Galicia", und zwar auch Abwehrrechte als ausschließliche Rechte übertragen, wird ebenfalls durch die vom BerG getroffenen Feststellungen nicht getragen. Dem Umstand, daß Julio Iglesias sowohl das von ihm komponierte Lied "Un Canto de Galicia" als auch das Lied "Alle Liebe dieser Erde" gesungen hat, läßt sich wohl eine Zustimmung zur Verwertung von "Un Canto de Galicia" für den Titel "Alle Liebe dieser Erde", nicht aber die Einräumung eines ausschließlichen Rechts an dem Titel "Un Canto de Galicia" entnehmen. Dies gilt auch für die weitere Erwägung des BerG, Julio Iglesias sei niemals gegen die Klägerin oder gegen Bert Olden vorgegangen. Daraus läßt sich mit dem BerG zwar die Berechtigung zur Umgestaltung von "Un Canto de Galicia" herleiten, nicht aber die zur Aktivlegitimation erforderliche Rechtseinräumung.

b) Die vom Berufungsgericht bejahte Aktivlegitimation läßt sich daher mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht halten. Da das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin ohnehin der Aufhebung bedarf (vgl. nachfolg. unter II), wird das Berufungsgericht bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung auch der Frage der Aktivlegitimation näher nachzugehen haben. Die Klägerin wird in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit zu weiteren Darlegungen haben. Bei seiner erneuten Prüfung wird das BerG, sofern es die Einräumung ausschließlicher Rechte an dem Titel "Un Canto de Galicia" nicht feststellt, die bislang offen gelassene Frage der Abhängigkeit des Liedes "Alle Liebe dieser Erde" von "Un Canto de Galicia" zu klären haben.
 

II. Auch die Begründung, mit der das BerG das Bestehen urheberrechtlicher Ansprüche verneint hat, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat - gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. - ausgeführt, die in Rede stehende Tonfolge aus "Alle Liebe dieser Erde" bzw. aus "Un Canto de Galicia" sei zwar als eigene Melodie ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Beklagte diese Tonfolge bewußt oder unbewußt übernommen habe, als er das Lied "Ein bißchen Frieden" komponiert habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß die Ähnlichkeiten zwischen "Ein bißchen Frieden" und den beiden anderen Titeln auf einer - urheberrechtlich nicht erfaßten - zufälligen Doppelschöpfung beruhen. Zwar sei der Klägerin einzuräumen, daß eine Vermutung oder jedenfalls ein erster Anschein für eine wenigstens unbewußte Übernahme sprechen könne, wenn ohne erklärbaren Grund gewisse Übereinstimmungen gegeben seien. Eine solche Vermutung sei vorliegend aber als widerlegt, ein erster Anschein als entkräftet anzusehen, da sich die Übereinstimmungen auch auf andere Weise als durch eine bewußte oder unbewußte Übernahme erklären ließen. Zwar sei davon auszugehen, daß der Beklagte die Lieder "Un Canto de Galicia" und "Alle Liebe dieser Erde" gekannt habe. Gleichwohl sei hier eine zufällige Doppelschöpfung anzunehmen. Dies folge aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. Dieser habe die Melodien der drei Titel vom Auftakt bis zum Takt 8 b miteinander verglichen und sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Melodien von "Un Canto de Galicia" und "Alle Liebe dieser Erde" ganz überwiegend als gleich zu bezeichnen seien; die Melodie von "Ein bißchen Frieden" sei dagegen durch eine völlig andere Weiterführung kompositionstechnisch als höherwertig einzustufen und entferne sich dabei so sehr von "Alle Liebe dieser Erde", daß eine Anregung ausgeschlossen werden könne. Der Sachverständige habe weiter herausgearbeitet, daß die Aspekte der Harmonik und des Rhythmus für die Unterscheidung nichts hergeben, hingegen seien die Abweichungen im Spannungsbogen, im Arrangement, im Gesamtverlauf und im spezifischen Charakter beträchtlich. Von den drei Melodien weise allein "Ein bißchen Frieden" ein gewisses Maß an eigenschöpferischer Vernetzung auf, die durchaus das Ergebnis harter Arbeit sein könne und auf eine Entlehnung nicht angewiesen sei; das in allen drei Melodien wesentliche "Kopfmotiv" - die aufsteigende Terz mit dem anschließenden ersten Takt, der dann im zweiten Takt bis zum Leitton hinaufgehe - sei so im Allgemeinbewußtsein verankert, daß eigentlich jedem Hörer dieses Element geläufig sei; es sei so simpel, so elementar und so einfach, daß es jeder Komponist parat habe und nicht zu entlehnen brauche.

2. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Die Annahme einer Urheberrechtsverletzung nach §§ 97, 24 Abs. 2 UrhG setzt die Feststellung voraus, daß (objektiv) die Entnahme einer urheberrechtlich geschützten Melodie vorliegt und daß (subjektiv) der Komponist der neuen Melodie die ältere Melodie gekannt und bewußt oder unbewußt bei seinem Schaffen darauf zurückgegriffen hat (vgl. BGH GRUR 1971, 266 , 268 Magdalenenarie). Davon ist auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen; die von ihm bislang getroffenen Feststellungen reichen jedoch nicht aus, die Frage der unzulässigen Melodienentnahme abschließend zu beurteilen.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß das Interlude aus dem ersten Iglesias-Lied "Un Canto de Galicia" von 1971 und auch das Interlude aus dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" von 1973 die für einen urheberrechtlichen Melodienschutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG aufweisen. Diese Annahme wird von der Revision als ihr günstig - nicht beanstandet, von dem Bekl. in seiner Revisionserwiderung aber zu Recht in Frage gestellt.

In rechtlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß bei Musikwerken keine zu hohen Anforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit gestellt werden dürfen. Für den Bereich des musikalischen Schaffens ist seit langem die sogenannte kleine Münze anerkannt, die einfache, aber gerade noch geschützte geistige Schöpfungen erfaßt. Es reicht daher aus, daß die formgebende Tätigkeit des Komponisten - wie bei der Schlagermusik regelmäßig - nur einen verhältnismäßig geringen Eigentümlichkeitsgrad aufweist, ohne daß es dabei auf den künstlerischen Wert ankommt (BGH GRUR 1981, 257 , 268 Dirlada). Soweit es - wie hier - nicht um den Urheberrechtsschutz für das ganze Lied, sondern um die für die im Lied enthaltene Melodie geht, muß sich der individuelle ästhetische Gehalt in der Melodie selbst, das heißt in der fraglichen - in sich geschlossenen und geordneten - Tonfolge, ausdrücken.

Das Berufungsgericht hat insoweit keine eigenen tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern lediglich darauf verwiesen, daß der Sachverständige Prof. Dr. R. der in Rede stehenden Tonfolge einen, wenngleich relativ geringen, eigenschöpferischen Charakter zugebilligt habe. Diese Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten reicht vorliegend nicht aus. Denn dem Gutachten läßt sich in diesem Punkt keine revisionsrechtlich nachprüfbare Begründung entnehmen. Zwar heißt es unter Nr. 1 der Zusammenfassung des zweiten Gutachtens, die Tonfolge in dem Lied "Alle Liebe dieser Erde" - Interlude Auftakt bis Takt 2 erste Note - weise einen relativ geringen eigenschöpferischen Charakter auf, weil sie auf der wenig veränderten Übernahme eines gängigen Habanera-Rhythmus beruhe und sich im melodischen Bereich auf gängige "patterns" beziehe. Von den vorausgehenden gutachtlichen Ausführungen wird diese zusammenfassende Feststellung jedoch nicht getragen. Vielmehr heißt es auf Seite 8 des zweiten Gutachtens, bei der Verwendung der zwischen "Alle Liebe dieser Erde" und "Ein bißchen Frieden" identischen Passage vom Auftakt bis hin zur ersten Note in Takt 2 handele es sich um ein sogenanntes pattern (Grundmuster, -modell), das allgemein zugänglich bleiben müsse und deshalb für sich allein nicht urheberrechtsschutzfähig sei; eigenschöpferisch könne aber die Art und Weise sein, in der der Komponist die einzelnen Muster miteinander vernetze; so gesehen weise von den drei zu untersuchenden Melodien allein "Ein bißchen Frieden" ein gewisses Maß an eigenschöpferischer Vernetzung auf. Dieser Widerspruch beruht offensichtlich darauf, daß der Sachverständige zwar die Zusammenfassung seines ersten - später wieder zurückgezogenen - Gutachtens, in dem er den Standpunkt vertreten hatte, die in Rede stehende Tonfolge habe keinen eigenschöpferischen Charakter, nachträglich geändert hat, nicht jedoch die entsprechenden inhaltlichen Ausführungen. Allerdings hat der Sachverständige auch bei seiner mündlichen Anhörung noch erklärt, das in allen drei Melodien wesentliche "Kopfmotiv" (die aufsteigende Terz mit dem anschließenden ersten Takt, der dann im zweiten Takt bis zum Leitton hinaufgeht) sei so im Allgemeinbewußtsein verankert, daß eigentlich jedem Hörer dieses Element geläufig sei; es sei so simpel, so elementar und so einfach, daß es jeder Komponist parat habe; für einen Kompositionslehrer und einen Komponisten sei es geradezu ein Gemeinplatz, eine aufsteigende Terz zu verwenden, zumal bei einer Habanera.

Falls das Berufungsgericht einen Urheberrechtsschutz lediglich unterstellen wollte, so würde dies im Streitfall Bedenken begegnen.

Ein solches Vorgehen wäre nur dann unbedenklich, wenn eine unzulässige Melodienentnahme vorliegend unabhängig von der Frage zu verneinen wäre, worin die urheberrechtsschutzfähigen Elemente der Melodie der Klägerin bestehen. Dies ist jedoch - wie die nachfolgenden Ausführungen unter b) und c) zeigen - nicht der Fall.

b) Die Beurteilung der Frage der Nachbildung bzw. der Entnahme setzt grundsätzlich die Prüfung voraus, durch welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird. Denn für die Frage der Entnahme sind nur die im Schutzbereich der älteren Melodien liegenden Übereinstimmungen urheberrechtlich bedeutsam. Der Vergleich der Übereinstimmungen im schöpferischen Bereich ermöglicht es, die Grenze zwischen den urheberrechtlich relevanten Benutzungshandlungen (in Form der Vervielfältigung oder Bearbeitung) und der zulässigen freien Benutzung zu ziehen (BGH in GRUR 1981, 267 , 269 Dirlada). Diese Übereinstimmungen sind im Einzelfall konkret festzustellen und darauf zu überprüfen, ob sie nach den Regeln des Anscheinsbeweises einen Rückschluß zulassen, daß der Komponist der jüngeren Melodie die ältere Melodie benutzt, das heißt gekannt und bewußt oder unbewußt bei seinem Schaffen darauf zurückgegriffen hat, wobei weitgehende Übereinstimmungen in der Regel die Annahme nahelegen, daß der Urheber des jüngeren Werkes das ältere Werk benutzt hat (BGH GRUR 1971, 266 , 268 Magdalenenarie; 1981, 267, 269 - Dirlada).

Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Übereinstimmungen im Streitfall im - vorausgesetzt eigenschöpferischen melodischen Bereich ausreichen, um den Anscheinsbeweis für eine Entnahme zu rechtfertigen, keine näheren Feststellungen getroffen. Es hat lediglich allgemein ausgeführt, der Klägerin sei einzuräumen, daß eine Vermutung oder jedenfalls ein erster Anschein für eine wenigstens unbewußte Übernahme sprechen möge, wenn in zwei Werken gewisse Merkmale ohne erklärbaren Grund übereinstimmten, die wegen ihrer Eigenart oder in dieser Kombination kaum von verschiedenen Personen so deckungsgleich geschaffen sein könnten, falls diese unabhängig voneinander tätig gewesen wären; vorliegend würden die fraglichen Tonfolgen - bereits für den Laien erkennbar wenigstens äußerlich gewisse Ähnlichkeiten aufweisen.

Damit unterstellt das Berufungsgericht letztlich das Vorliegen eines Anscheinsbeweises für eine zumindest unbewußte Entlehnung, ohne konkret aufzuzeigen, worin überhaupt die Übereinstimmungen bestehen. Ein solches Vorgehen wäre nur dann unbedenklich, wenn sich der Anscheinsbeweis unabhängig von der Art und dem Umfang vorhandener Übereinstimmungen entkräften ließe. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Anscheinsbeweis als entkräftet ansieht, trägt nicht. Es ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß der Anscheinsbeweis grundsätzlich als ausgeräumt anzusehen ist, wenn nach den Umständen ein anderer Geschehensablauf naheliegt, nach dem sich die Übereinstimmungen auch auf andere Weise als durch ein Zurückgreifen des Schöpfers der neuen Melodie auf die ältere erklären lassen (vgl. BGH GRUR 1971, 266 , 269 Magdalenenarie). Hinreichende Umstände für einen abweichenden Geschehensablauf hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt.

aa) Für die Annahme des Berufungsgericht, die Ähnlichkeiten zwischen "Ein bißchen Frieden" und den anderen Titeln beruhten nur auf einer - urheberrechtlich nicht erfaßten - zufälligen Doppelschöpfung, lassen sich den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Anhaltspunkte entnehmen. Für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorhandenen Übereinstimmungen zwischen zwei Werken auf Zufall oder darauf beruhen, daß das ältere Werk dem Urheber des neuen Werkes als Vorbild gedient hat, ist davon auszugehen, daß angesichts der Vielfalt der individuellen Schaffensmöglichkeiten auf künstlerischem Gebiet eine weitgehende Übereinstimmung von Werken, die auf selbständigem Schaffen beruhen, nach menschlicher Erfahrung nahezu ausgeschlossen erscheint (BGHZ 50, 340, 350 f. - Rüschenhaube 1 ). Von diesem Erfahrungssatz ist grundsätzlich auch für den Bereich musikalischen Schaffens auszugehen (BGH GRUR 1971, 266 , 268 Magdalenenarie). Der vom BerG angeführte Umstand, daß dem Komponisten angesichts der beschränkten Anzahl der Töne Grenzen gesetzt seien (Fromm/Nordemann/Vinck, UrhG, 6. Aufl. 1986, Anh. zu § 24 Rdn. 11), ändert daran nicht. Dieser Umstand rechtfertigt es in aller Regel nicht, die Anforderungen an die Entkräftung des Anscheinsbeweises zu erleichtern. Auch im musikalischen Bereich ist bei Anwendung der bestehenden Lehren und Gestaltungsmittel (wie Melodik, Harmonik, Rhythmik, Metrik, Tempo, Phrasierung, Artikulierung, Ornamentik, Kadenz, Periodik, Arrangement) ein weiter Spielraum für eine individuelle Ausdruckskraft gegeben, der die Annahme einer Doppelschöpfung auch hier als Ausnahme erscheinen läßt.

bb) Bei dieser rechtlichen Ausgangslage müssen schon gewichtige Gründe für die Annahme einer zufälligen Doppelschöpfung sprechen, zumal das Berufungsgericht selbst davon ausgeht, daß der Beklagte als ein Fachmann auf dem Gebiet der Schlagermusik die Lieder "Un Canto de Galicia" und "Alle Liebe dieser Erde" in den ersten Jahren nach ihrer Entstehung gehört hat. Gegen eine Entlehnung spricht nicht der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, daß die beiden Lieder rund zehn Jahre vor dem Titel "Ein bißchen Frieden" entstanden und daher auch im Gedächtnis des Beklagte - kaum noch aktuell gewesen wäre. Eine urheberrechtlich relevante Melodienentnahme wäre auch dann gegeben, wenn der Beklagte - in dem Glauben, eine eigene Melodie zu schaffen - unbewußt auf die im Gedächtnis gebliebene ältere Melodie zurückgegriffen hätte.

cc) Im übrigen hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer zufälligen Doppelschöpfung im wesentlichen damit begründet, zwischen den sich gegenüberstehenden Melodien bestünden erhebliche Abweichungen. Dieses Ergebnis wird von den Feststellungen des Berufungsgericht nicht getragen. Das Vorgehen des Berufungsgericht, einerseits das Vorliegen eines Anscheinsbeweises für eine unbewußte Entlehnung und damit auch wesentliche Übereinstimmungen, ohne diese näher herauszuarbeiten, zu unterstellen, andererseits den Anscheinsbeweis aber wieder durch die Feststellung wesentlicher Abweichungen, die auf eine zufällige Doppelschöpfung schließen ließen, als ausgeräumt anzusehen, ist nicht frei von rechtlichen Bedenken. Besteht eine - für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche weitgehende Übereinstimmung zwischen zwei Tonfolgen, so ist es denkgesetzlich schwer vorstellbar, daß zugleich auch gegenüber den Übereinstimmungen als gewichtiger zu beurteilende - gravierende Abweichung vorliegen. Das eine wird in der Regel das andere ausschließen. Das Berufungsgericht hätte zunächst die im schöpferischen Bereich vorhandenen Übereinstimmungen feststellen und sie darauf überprüfen müssen, ob sie ein solches Gewicht haben, daß sie das Vorliegen eines Anscheinsbeweises rechtfertigen. Erst nach einer solchen Prüfung läßt sich jedenfalls vorliegend die Frage der Entkräftung beurteilen.

Die vom Berufungsgericht angeführten Abweichungen sind überdies nicht durchweg beachtlich. Die Abweichungen im "Gesamtverlauf und spezifischen Charakter" beziehen sich auf die jeweils ganzen Lieder und nicht auf die streitigen Tonfolgen; sie sind daher für den Melodienvergleich unwesentlich. Zweifel bestehen auch bezüglich der vom Sachverständigen Prof. Dr. R. betonten Abweichungen im Spannungsbogen, auf die das Berufungsgericht sich weiter stützt. Die Melodie von "Ein bißchen Frieden" sei aufgrund einer völlig anderen Weiterführung (vom Leitton in Takt 2 an) kompositionstechnisch als höherwertig einzustufen und entferne sich dabei so sehr von "Alle Liebe dieser Erde", daß eine Anregung ausgeschlossen werden könne; während sich bei "Alle Liebe dieser Erde" eine gewissermaßen billige Sequenz anschließe, werde der Leitton bei "Ein bißchen Frieden" als spannungssteigerndes und -erhaltendes Element ausgereizt und dann professionell überführt in eine weitere Steigerung bis hin zum a". Demgegenüber hat die Klägerin, gestützt auf das Privatgutachten Prof. Dr. J. vorgebracht, daß diese Abweichung im Spannungsbogen kompositionstechnisch nichts anderes darstelle als ein "Umschlagen" der Melodie von "Alle Liebe dieser Erde" in die Oberstimme, so daß die Melodie von "Ein bißchen Frieden" letztlich nichts anderes als eine Zweitstimme darstelle. Dieser Einwand ist vom Berufungsgericht bislang nicht hinreichend entkräftet worden. Das Berufungsgericht beruft sich insoweit auf den gerichtlichen Sachverständigen, der bei seiner mündlichen Anhörung u. a. ausgeführt hat, das Umschlagen einer Melodie (im Terz- und Sextabstand) treffe auf den Stil- und Kulturbereich der Habanera nicht zu. Diese Erwägung schließt indessen nicht aus, daß der Habanera-Rhythmus mit anderen Gestaltungselementen verbunden wird, die im Kulturbereich der Habanera fremd sein mögen.

dd) Auf die von der Revision weiter vorgebrachten Bedenken, die Ergebnisse des Sachverständigen Prof. Dr. R. zu übernehmen, kommt es beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht an. Das gilt insbesondere für die Beanstandung der Revision, der Sachverständige habe sich nicht an die traditionelle Methodik gehalten und sich nicht auf die herkömmliche strukturelle Analyse anhand von Melodie, Harmonik, Rhythmus, Spannungsbogen, Arrangement u. ä. beschränkt, sondern eine von ihm entwickelte sozio-kulturelle Analyse unter Berücksichtigung einer psychologischen Dimension vorgenommen und überdies selbst eingeräumt, daß seine Methode noch nicht gesichert sei, ihr aber gleichwohl den Vorrang vor der herkömmlichen strukturellen Analyse eingeräumt.

3. Die Sache bedarf nach alledem, sofern sich die Aktivlegitimation der Klägerin feststellen läßt (vgl. oben unter I 2.) auch im übrigen einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung. Das Berufungsgericht wird zweckmäßigerweise zunächst zu prüfen haben, ob die Melodie, auf die die Klägerin ihre Klage stützt, die von ihr behaupteten eigenschöpferischen Elemente aufweist und damit Melodienschutz in Anspruch nehmen kann. Sollte dies zu bejahen sein, wird das Berufungsgericht weiter zu untersuchen haben, ob und gegebenenfalls welche Übereinstimmungen der sich gegenüberstehenden Melodien im schöpferischen Bereich bestehen. Dabei wird das Berufungsgericht auch die Gestaltungshöhe der Melodie der Klägerin zu berücksichtigen haben, da sich im Falle einer nur geringen Eigenart - von der der Sachverständige ausgeht auch nur ein enger Schutzumfang ergibt (vgl. BGH GRUR 1981, 267 , 269 Dirlada). Sollten sich wesentliche Übereinstimmungen im schöpferischen Bereich feststellen lassen, so könnten diese nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unter II 2 b den Anscheinsbeweis für eine Entnahme rechtfertigen. Dabei wird das Berufungsgericht die zwischen dem Umfang der Übereinstimmungen und dem Anscheinsbeweis bestehende Abhängigkeit zu beachten haben. Je weniger Übereinstimmungen bestehen, desto schwächer wird der Anscheinsbeweis sein bzw. ganz entfallen; umgekehrt gilt, je mehr Übereinstimmungen, desto stärker der Anscheinsbeweis.
 

III. Das Berufungsurteil war mithin aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 

 

v. Gamm               Piper               Erdmann

Teplitzky               Mees

 

Gerichtsart Vorinstanz: 
anderes
Gerichtsort Vorinstanz: 
KG Berlin
Datum Vorinstanz: 
9. May 1986
Aktenzeichen Vorinstanz: 
5 U 2615/84

Landgericht München I, Urteil vom 5. Dezember 2008, AZ: 21 O 23120/00, zur Beurteilung eines Musikplagiats - Still Got The Blues - Jud's Gallery -

LG München I,
Urteilstext: 

LANDGERICHT MÜNCHEN I

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 3. Dezember 2008

Aktenzeichen: 21 O 23120/00

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

wegen Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz

erlässt das Landgericht München I, 21. Zivilkammer, durch die Richter am Landgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2008 am 3. Dezember 2008 folgendes

TEIL- UND ENDURTEIL:

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang das Werk „Still got the Blues“ vervielfältigt und verbreitet wurde, und zwar unter Angabe der Auflagenhöhe, der bestellten und ausgelieferten Exemplare, der Namen und Adressen der Lieferanten und Abnehmer der Verkaufsexemplare sowie des getätigten Umsatzes und zwar aufgeschlüsselt nach DM- bzw. €-Werten und Kalendermonaten sowie über den erzielten Gewinn.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 30. Mai 2000 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Umfang der ihm als Interpret und Komponist gewährten Vergütung hinsichtlich des Werkes „Still got the Blues“.

IV. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der Mitwirkung des Beklagten zu 2) als Musiker an der öffentlichen Aufführung des Musiktitels „Still got The Blues“ seit dem 30. Mai 2000 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

V. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, die … hinsichtlich des Titels „Still got The Blues“ anzuweisen, den Kläger als Mitkomponisten dieses Werkes zu führen.

VI. Die weitergehende Klage bezüglich der Anträge I.1., I.2., I.4., II.1, II.5. und II.6. wird abgewiesen.

VII. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

VIII. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern I. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von je € 10 000,00 und hinsichtlich der Ziffer V. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100 000,00 vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo seines weltweit bekannten Songs „Still got the Blues“ aus dem Stück „Nordrach“ übernommen hat.

Die Beklagte zu 1) stellt Tonträger von bei ihr unter Vertrag stehenden Künstlern her. Vom Beklagten zu 2) hat sie im Jahre 1990 einen Tonträger mit dem Titel „Still got the Blues“ veröffentlicht. Auf diesem Album findet sich auch der gleichnamige Song „Still got the Blues“, den der Beklagte zu 2) eingespielt hat. Auf sämtlichen Vervielfältigungsstücken dieses Albums wird der Beklagte zu 2) als Urheber angegeben. „Still got the Blues“ wurde ein Riesenerfolg. Er ist deshalb etwa auf zahlreichen Compilations enthalten und wurde in der Werbung benutzt. Die Beklagte zu 1) hat die mechanische Lizenzgebühr, die für die Nutzung eines Werkes auf Tonträgern zu zahlen ist, an die … abgeführt.

Der Kläger war seinerzeit (neben den Herren Oehler, Siebert und Winterhalter) Musiker der Band „…“ und war als solcher an der Entstehung von „Nordrach“, eines ca. zwölf Minuten langen Musikstückes zumindest beteiligt. Ein vom Kläger vorgelegter Auszug aus dem …-Archiv gibt als Komponist von „Nordrach“ die gesamte Gruppe „…“ an. „Nordrach“ ist vor Erscheinen von „Still got the Blues“ nicht auf Tonträger erschienen. Am 4. August 2000 hat der Kläger „Nordrach“ bei der … angemeldet. Das Stück wurde im Jahr 2000 erstmals auch auf CD (…“) veröffentlicht.

Mit Einschreiben vom 29. Mai 2000 (Rückschein als Anlage A 10) hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) erstmals vorgeworfen, das Gitarrensolo aus „Nordrach“ übernommen zu haben. Darüber hinausgehende Übereinstimmungen beider Stücke hat der Kläger nicht behauptet.

Ausweislich einer Werbeanzeige in der Zeitschrift „Good Times“ (Ausgabe …) wurde „Still got the Blues“ nach Klageerhebung („digital remastered“) erneut vervielfältigt und verbreitet.

„Still got the Blues“ war schon einmal – nämlich Anfang der 1990er Jahre – Gegenstand eines Plagiatsprozesses. Das Landgericht München I verneinte damals eine Übernahme des Musikstücks „Dana“ von R. Kovac ( LG München I 7 O 11024/91).

Der Kläger behauptet, bei dem von der Beklagten veröffentlichten Titel „Still got the Blues“ handele es sich in seinem wesentlichen Teil um ein Plagiat der allein vom Kläger stammenden Komposition „Nordrach“. Dementsprechend bestünden die geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatz- und Vernichtungsansprüche.

„Still got the Blues“ beruhe auf der urheberrechtlich geschützten Schlusspassage (ab 8:15 Minuten) des von ihm alleine komponierten Musikstückes „Nordrach“. Stil und rhythmische Grundstruktur, Phrasierung, Tempo und Takt, Tonart, Sound, Melodik und Harmonik und sogar die Instrumentation seien identisch oder jedenfalls nahezu gleich. Schon der spontane Höreindruck bestätige das. Die in beiden Titeln identitätsstiftende Gitarrenmelodie sei der künstlerische Werkkern, die „Schlüsselmelodie“, ja das „melodische Identifikations-Siegel“. Die Melodie sei von musikpsychologischer Signalhaftigkeit und einem extrem hohen Wiedererkennungswert. Schon die durch das bloße Hören wahrzunehmenden Übereinstimmungen rechtfertigten den Vorwurf des Plagiats. Zwar läge beiden Werken die musikhistorische „Binse“ des Quintschrittmodells zugrunde, die der Kläger auch nicht für sich monopolisieren wolle. Dieses Harmonieschema gebe die „Nordrach“-Melodie, mit der dieses Harmonieschema bedeutungsvoll aufgeladen werde, aber nicht zwangsläufig vor.

Der Kläger habe mit seiner Gruppe „…“ am 29. März 1974 unter anderem den Anfang 1973 komponierten Titel „Nordrach“ für den Südwestfunk aufgenommen. Es handele sich dabei auch um die alleinige Komposition des Klägers. Zwar sei laut Archivauszug die Musikgruppe insgesamt als Komponist von „Nordrach“ angegeben; dies beruhe jedoch auf einem Irrtum bzw. einer Fehlinformation des zuständigen Archivars. Die anderen Gruppenmitglieder hätten lediglich Anregungen zum Arrangement eingebracht. „Nordrach“ sei zumindest am 27. November 1974 in der Radiosendung „20: 1“ des …, wohl aber auch noch ein weiteres Mal, nämlich Ende Juli/Anfang August 1974 im … gespielt worden. Außerdem sei der Titel – meist Höhepunkt – zahlreicher öffentlicher Auftritte von „…“ im gesamten Bundesgebiet gewesen.

Der Beklagte zu 2) müsse „Nordrach“ gekannt haben, als er „Still got the Blues“ komponiert habe. Er habe in den Jahren 1974–1975 nämlich für mindestens ein bis anderthalb Jahre im Raum Bonn, dem Einzugsgebiet des … gelebt. In dieser Zeit sei er häufig Gast in der Lokalität „…“ in … gewesen. Dort sei neben vielen bekannten nationalen und internationalen Gruppen auch „…“ aufgetreten, und zwar im Juli/August 1974. In ihrer gemeinsamen Zeit mit dem Beklagten zu 2) hätten die Zeugen … mindestens drei Mal wöchentlich den Club „…“ in … besucht. Letztlich ergebe sich die Kenntnis des Werkes Nordrach durch den Beklagten zu 2) schon aus der Gestaltung von „Still got the Blues“; eine solche Übereinstimmung, wie sie hier zwischen beiden Stücken vorherrsche, könne schlechterdings kein Zufall sein.

Die Beklagten hätten auch schuldhaft gehandelt. Die Beklagte zu 1) müsse sich das Verschulden des Beklagten zu 2) zurechnen lassen. Diesem sei zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Spätestens seit dem Schreiben des Klägers vom 29. Mai 2000 handele die Beklagte zu 1) aber auch selbst mindestens fahrlässig.

Der Beklagte zu 2) habe das Urheberrecht des Klägers zumindest fahrlässig verletzt. Es bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das Plagiat bewusst, zumindest fahrlässig, erstellt worden sei. Dafür sprächen die völligen Identitäten in den verschiedensten Bereichen des Werkes und auch das Bewusstsein des Beklagten zu 2), als dieser zur Anmeldung des Werkes anzugeben hatte, wer Urheber des Werkes sei. Es könne auf keinen Fall auf Zufall oder unbewusster Entlehnung beruhen, dass Harmonik und Melodie übereinstimmten. Auch dies widerspreche der These, dass ein einmaliges Hören der Melodie die vielfachen Identitäten hervorrufen könne.

Die Ansprüche seien auch weder verwirkt noch verjährt. Der Kläger sei nicht trotz Kenntnis der Urheberrechtsverletzung mehr als zehn Jahre untätig geblieben. Der Kläger sei nämlich erst 1999 von dritter Seite auf das Plagiat aufmerksam gemacht worden. Er selbst habe sich seinerzeit an „Nordrach“ nicht mehr erinnert. Erstmals im Frühjahr 2000 habe der Kläger „Nordrach“ nach über 25 Jahren aufgrund einer …-Recherche wieder hören können. „Nordrach“ sei auch nicht das Schlüsselwerk der Gruppe „…“ gewesen, sondern ein Werk von vielen im Rahmen des Bandprogramms, welches weit über 20 Titel umfasst habe. Es sei allerdings einer der Titel gewesen, die beim Publikum begeistert aufgenommen worden seien.

Zuletzt macht der Kläger auch ein angemessenes Schmerzensgeld geltend, da vorliegend eine erhebliche Rechtsverletzung zu beklagen sei.

Da der Beklagte zu 2) gegenüber den Verwertungsgesellschaften … usw. als Komponist von „Still got the Blues“ geführt ist, erhalte er Entgelte, die aufgrund der Urheberrechtsverletzung überwiegend dem Kläger, der die prägende Melodie des Titels komponiert habe, zustünden. Die Melodie verleihe dem Titel den „Ohrwurmcharakter“ und sei dementsprechend auch für den Erfolg des Songs verantwortlich. Der Beklagte zu 2) sei daher verpflichtet, sämtliche im Rahmen seiner Angabe als Komponist und Interpret erzielten Einkünfte für den Titel „Still got the Blues“ dem Kläger mitzuteilen, damit zu dessen Gunsten eine entsprechende Vergütungs-/Schadensersatzzahlung berechnet werden könne.

Aufgrund seiner Stellung als – zumindest – Mitkomponist von „Still got the Blues“ habe der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) Anspruch darauf, als Komponist bei den Leistungsschutzgesellschaften geführt zu werden. Der Beklagte sei verpflichtet, die entsprechenden Leistungsschutz-/Leistungsverwertungsgesellschaften anzuweisen, den Kläger als (Mit-)Komponist des Titels „Still Got The Blues“ zu führen.

Der Beklagte zu 2) dürfe „Still got the Blues“ bei öffentlichen Auftritten nicht zur Aufführung bringen; andernfalls mache er sich schadensersatzpflichtig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

I. die Beklagte zu 1) zu verurteilen,

I. 1. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250 000, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, den Musiktitel „Still got the Blues“ zu vervielfältigen und in den Verkehr zu bringen.

I. 2. die im Besitz der Beklagten zu 1) befindlichen CDs und Videos, die den zu Ziffer I.1. genannten Musiktitel enthalten, zu vernichten.

I. 3. dem Kläger Auskunft zu erteilen, über den Umfang der in Ziffer I.1. bezeichneten Handlung und zwar unter Angabe der Auflagenhöhe, der bestellten und ausgelieferten Exemplare, der Namen und Adressen der Lieferanten und Abnehmer, der Verkaufsexemplare sowie des getätigten Umsatzes und zwar aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten sowie über den erzielten Gewinn.

I. 4. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der aus der in Ziffer I.1. bezeichneten Handlung entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

I. 5. nach Erledigung des Klageantrags Ziffer I.3. der Klageschrift in einer noch zu bestimmenden Höhe Zahlung zu leisten.

II. den Beklagten zu 2) zu verurteilen,

II. 1. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250 000,00, ersatzweise der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, den Musiktitel „Still got the Blues“ unter seiner Mitwirkung als Musiker öffentlich aufzuführen.

II. 2. dem Kläger Auskunft zu erteilen, über den Umfang der ihm als Interpret und Komponist gewährten Vergütung hinsichtlich des unter Ziffer II.1. genannten Musiktitels.

II. 3. an Eides statt zu versichern, dass die Auskünfte gemäß Ziffer II.2. des Klageantrages zutreffend sind.

II. 4. nach erteilter Auskunft über die Vergütung gemäß Ziffer II.2. des Klageantrages an den Kläger sich daraus noch zu berechnenden Schadensersatz zu leisten.

II. 5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der aus der in Ziffer II.1. bezeichneten Handlung entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

II. 6. die Leistungsschutz- und Leistungsverwertungsgesellschaften hinsichtlich des Titels „Still got the Blues“ anzuweisen, den Kläger als (Mit-) Komponisten dieses Werkes zu führen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Klage – kurz gefasst – mit folgenden Argumenten entgegengetreten: Der Kläger sei schon nicht aktivlegitimiert, weil er „Nordrach“ nicht alleine geschaffen habe. Außerdem sei die streitgegenständliche Passage aus „Nordrach“ gar nicht urheberrechtlich geschützt. Ferner werde in „Still got the Blues“ nichts aus „Nordrach“ übernommen, zumal der Beklagte zu 2) „Nordrach“ seinerzeit gar nicht gekannt habe. Selbst wenn er es gehört haben sollte, habe er es nicht über sechzehn Jahre lang im Langzeitgedächtnis abspeichern können. Die Beklagten hätten auch nicht schuldhaft gehandelt und seien jedenfalls nicht bereichert. Letztlich seien die geltend gemachten Ansprüche auch verjährt bzw. verwirkt.

Im Einzelnen haben die Beklagten Folgendes vorgetragen:

Der Kläger habe schon seine Aktivlegitimation nicht schlüssig dargelegt. Obwohl der Auszug aus dem …-Archiv als Komponist die gesamte Musikgruppe „…“ ausweist, mache der Kläger Ansprüche als Alleinurheber geltend. Zum Beweis seiner Alleinurheberschaft habe er auch nicht alle Bandmitglieder benannt; schon deshalb sei der Vortrag unschlüssig. Liege keine Alleinurheberschaft vor, könne der Kläger auch nur Leistung an alle Miturheber verlangen (§ 8 Abs. 2 S. 3 UrhG). Der Klageantrag entspreche dem nicht. Außerdem sei auf der Internetseite ‚www…com‘ die Rede davon, dass der … die Rechte an Nordrach einem Dritten eingeräumt habe.

Die Klage sei auch deshalb unschlüssig, weil der Kläger seine Klageansprüche in Bezug auf das Gesamtwerk „Still got the Blues“ geltend mache, welches aus Text und Musik bestehe. Nach dem Vortrag des Klägers sei jedoch aus dem Gesamtwerk nur eine Teilpassage bezüglich der Komposition im Streit. Auch dies spiegele sich im Klageantrag nicht wider.

Die Beklagten haben der Klage ferner entgegengehalten, das streitgegenständliche Gitarrensolo aus Nordrach sei gar nicht urheberrechtlich geschützt. Der Kläger verwende bei der streitgegenständlichen Tonfolge in „Nordrach“ melodisch lediglich dreieinhalbmal eine stufenweise fallende Sequenz („Terzpendel“), die in ständigen Sekundschritten die Melodie-Tonfolge bilde. Diese Aneinanderreihung zeichne sich durch formale „Einfallslosigkeit“ aus. Solch stufenweise fallenden Sequenzen fänden sich in unzähligen Melodien aus allen Epochen und Genres (beispielsweise die Choräle „Oh heiliger Geist“, die Lieder aus dem evangelischen Kirchengesangsbuchs EKG 1950 „Mit Ernst“, „Freuet Euch“, „Werde Licht“ und „Herr J.…;“ sowie die Volkslieder „Es zogen“, „Es blies“, „Ein Tiroler“, „Zum Tanze“, „Widele“, „Wohl heute noch“, „Es, es, es“, „Alle Weil ein wenig“, „Alle Weil kam er“ sowie „Es ist ein Schnitter“). Hinsichtlich der Harmoniefolge und des Verlaufs der Melodie bestünde auch weitgehende Übereinstimmung mit „Les feuilles mortes“ („Autumn Leaves“). In Tonfolge samt Harmonie entprechend sei auch das berühmte Wolga-Lied aus der Operette „Der Zarewitsch“ von Franz Lehar, wenn es heißt: „Vorüber rauscht die Jugendzeit in langer, banger Einsamkeit“. Verwiesen werde auch auf das cis-moll Prelude von Rachmaninoff. Das gegenständliche Modell habe der Kläger harmonisch und melodisch unmittelbar aus dem „Frühling“ der „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi entnommen. Jeder höre, dass der Kläger Vivaldi nachspreche. Die Übernahme der Sequenz in der streitgegenständlichen Tonfolge ergebe sich auch aus den dem Gericht vorgelegten Musikbeispielen von Corelli (Concerto Op. 6) und Telemann (Tafelmusik III). Auch bei Schumanns „Kinderszenen“ und Lionel Richies „Hello“ handele es sich um Referenzmelodien. Auch Parallelen zu Smetanas „Moldau“ seien unverkennbar.

Die beiden streitgegenständlichen Werken zugrundeliegende Harmonik mit dem in der Musik häufig anzutreffenden Modell der sog. „Quintschrittsequenz“ sei eine seit dem Barock zum Allgemeingut gehörende musikalische Standardformel, also keine schutzfähige kompositorische Leistung. Die fragliche Gestaltung der Akkordfolge sei ein gemeinfreies, dem rein handwerklichen Schaffen zuzurechnendes Strickmuster. Aus diesem Grund habe das Landgericht München I auch die Klage abgewiesen, mit der der Komponist des Songs „Dana“ (R. Kovac) im Jahr 1991 gegenüber dem Beklagten zu 2) ebenfalls wegen der hier streitgegenständlichen Gitarrensequenz aus „Still got the Blues“ einen Plagiatsvorwurf erhoben hatte (LG München I, Az. 7 O 11024/91). Das Gericht habe mit dieser Entscheidung außerdem bestätigt, dass bei Verwendung dieses Harmoniemodells die Melodieführung durch das angewandte Harmonieschema bestimmt werde. Die allen drei Werken („Dana“, „Nordrach“ und „Still Got The Blues“) zugrunde liegende – aber wegen ihres Allgemeingutcharakters nicht monopolisierbare – Quintschrittsequenz präge diese Werke in Melodie und Gesamteindruck.

Soweit in „Nordrach“ agogische Verzierungen anzutreffen sein sollten, handele es sich um rein interpretatorische Elemente, die nicht das werk und dessen Schutzfähigkeit beträfen, sondern nur dessen Vortrag, die Interpretation. Auf den Sound oder das Arrangement der Werke komme es mit Blick auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit nicht an.

„Still Got The Blues“ sei jedenfalls kein Plagiat von „Nordrach“. Die beiden streitgegenständlichen Werke seien sich nicht zum Verwechseln ähnlich. Aufgrund zahlreicher Unterschiede zwischen beiden Werken seien die für den Plagiatsvorwurf erforderlichen Übereinstimmungen nicht vorhanden. Dies belege insbesondere das von der Beklagten zu 1) vorgelegte Gutachten von …. Auch das Gutachten von … bestätige das.

Zu vergleichen sei allein die Gitarrenmelodie der musikalischen Einleitung zu „Still got the Blues“, die auch als Zwischenspiel eingesetzt wird, mit dem Schlußteil des Titels „Nordrach“. Im Melodiebereich seien beide Werke völlig verschieden konzeptioniert.

Soweit überhaupt Übereinstimmungen festzustellen seien, bezögen sich diese lediglich auf einzelne sog. „Liege-Töne“ (= jeweils längste Töne, z.B. nach dem Taktstrich), die in beiden Werken in der klingenden Tonhöhe aufgrund des in beiden Fällen gewählten Harmoniemodells der Quintschrittsequenz gleich seien. Im Gutachten … werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die durch das Harmoniemodell bedingten Liegetöne vorgegeben seien und die Quintschrittsequenz geradezu zwingend die Tonhöhe der Melodiestimme bestimme. Das beiden Werken zugrundeliegende Harmonieschema durchsetze beide Titel mit dem Geist der Titelmelodie. Dieses vorbestehende, gemeinfreie Harmonieschema gebe auch zwingend die Melodieführung beider Werke vor und erzeuge somit einen ähnlichen Klangeindruck beim Hörer.

„Still got the Blues“ könne mit Blick auf die Harmonik schon deshalb kein Plagiat von „Nordrach“ sein, da schon das noch ältere „Dana“ diese prägende Harmonik aufweise. Wie „Nordrach“ arbeite schon „Dana“ mit denselben durch die Harmonik der Quintschrittsequenz vorgegebenen Melodietönen. Da „Dana“ bereits 1971 geschrieben wurde und „Nordrach“ drei Jahre später, könne „Still got the Blues“ kein Plagiat von „Nordrach“ sein, da beiden Werken ein drittes, noch älteres Werk mit gemeinsamer Tonfolge zugrunde liege. Die Vorbekanntheit der Melodiefolge belege darüber hinaus das Werk „Mädel sag,Igen‘“ von Heinrich Strecker, Opus 160, das eine dem Werk „Nordrach“ und „Dana“ entsprechende Tonfolge enthalte.

Trotz des in beiden Werken gewählten Harmoniemodells, sei der Melodieverlauf der Werke offenkundig völlig unterschiedlich. Während bei „Still got the Blues“ als Verbindung der durch das Harmoniemodell vorgegebenen Liege-Töne leitereigene Töne (also durch die Tonleiter der Tonart a-moll vorgegebene Töne) eingesetzt würden, habe der Kläger Halbtonschritte gewählt, so dass seine Melodie in den kleinstmöglichen Intervallstufen, nämlich Halbtönen, fortschreite. Dies habe bei „Still got the Blues“ den Effekt, dass die Melodie eingängiger und vor allen Dingen sanglicher sei, da sich Halbtonschritte äußerst schwer singen ließen. Bei „Still got the Blues“ bewege sich die Melodie linear von Liegeton zu Liegeton entweder (nur) aufwärts oder (nur) abwärts, während die Melodie bei „Nordrach“ in kleinen Nebennoten in einer Wellenbewegung verlaufe, was zusätzlich dazu führe, dass sich unterschiedliche Umfange der einzelnen Melodieabschnitte ergäben. Der Kläger habe mehr und gleichzeitig andere Melodietöne gesetzt als der Beklagte zu 2) und dadurch seine abweichende kompositorische Haltung dokumentiert. Beide Melodieläufe unterschieden sich auch auffällig hinsichtlich der Notenwerte. Bei „Still got the Blues“ seien die Auftaktnoten kürzer als bei „Nordrach“, die Liegetöne hingegen länger. Auch die bei „Still got the Blues“ vorhandenen Pausen in der Melodie strukturierten die Melodie anders. In der Melodie von „Nordrach“ seien demgegenüber überhaupt keine Pausen enthalten. Die unterschiedliche Verwendung der Pausen lasse die Melodie bei „Still got the Blues“ in kurze, deklamatorisch anmutende Phrasen auseinanderfallen, was im Fortgang des Vokalteils den sanglichen Charakter des gesamten Werkes unterstreiche, wohingegen bei „Nordrach“ der ununterbrochene melodische Fluß entsprechend einer rein instrumentalen Komposition dominiere. Auch die beiden, Gitarrenmelodien wiesen eine unterschiedliche strukturelle Gesamtlänge auf („Nordrach“: 8 Takte; „Still Got The Blues“: 4 Takte). Bei „Still Got the Blues“ sei die Gitarrenmelodie in sich geschlossen, während der Kläger sein „Nordrach“ formal „offen“ enden lasse. Außerdem weise Nordrach mit 180 bpm ein deutlich höheres Tempo als „Still Got The Blues“ (160 bpm) auf. Auch die Gesamtlänge der Werke („Nordrach“: 12 Minuten, „Still Got The Blues“: 6:10 Minuten) sei sehr unterschiedlich. Beide Melodiefolgen seien folglich unterschiedlich rhythmisiert („Nordrach“: ausschließliche Verwendung von Achteln und punktierten Viertel-Noten, keinerlei Pausen; dem gegenüber „Still got the Blues“ Sechzehntel-Noten, Achtel-Noten, punktierte Viertel-Noten, punktierte halbe Noten, mehrere Viertel-, Sechzehntel-, Achtel- und halbe Pausen). Ferner seien die Verbindungstöne anders, nämlich bei „Nordrach“ chromatisch, bei „Still got the Blues“ in Ganztonschritten.

Auch die Notenniederschrift der relevanten Passagen beider Werke belege, dass eine den Plagiatsvorwurf stützende Übereinstimmung beider Werke nicht vorliege (vgl. Gutachten …, Anlage B 2, S. 7). Schon durch Betrachtung der Melodie und der Begleitstimme in der Notenniederschrift werde klar, dass der Plagiatsvorwurf nicht zu halten sei. Die Melodieverläufe seien signifikant unterschiedlich. Der Verlauf der Baßstimme unterscheide sich ebenfalls in augenfälliger Weise.

Der vermeintlich psychologisch ähnliche Höreindruck werde ausschließlich durch die beiden Werken gemeinsame, urheberrechtlich jedoch nicht schützbare und daher nicht monopolisierbare Harmonik sowie identische – aber ebenfalls nicht schutzfähige – Terzsequenzen und Sextsprünge (Auftakt) verursacht; gerade die aufsteigende Sexte finde sich in einer Unzahl gemeinfreier Werke. Die Strukturtöne beider Melodien seien durch gängige Regeln der Harmonielehre vorgegeben. Die bloße Klangähnlichkeit beider streitgegenständlicher Werke rühre ausschließlich daher, dass sie sich in derselben „typischen Gitarrentonart“, demselben Harmoniemodell und in ähnlicher, für Rock-Bands typischer Instrumentierung bewegten, was jedoch dem urheberrechtlichen Schutzbereich nicht zugeordnet werden könne.

Der Beklagte zu 2) habe „Still Got the Blues“ im Jahre 1990 komponiert, ohne dabei von „Nordrach“ Kenntnis gehabt zu haben. Deshalb scheide eine bewusste oder unbewusste Entlehnung aus. Es fehle insoweit an einer substantiierten Darlegung einer entsprechenden Kenntnis. Selbst nach dem Vortrag des Klägers sei „Nordrach“ nur in flüchtiger Form wahrnehmbar geworden; es habe lediglich eine Hörfunksendung des Werkes auf … sowie einige wenige Live-Aufführungen gegeben. Der Kläger trage zur Kenntnis des Beklagten zu 2) lediglich hypothetisch vor und räume selbst ein, dass nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass der Beklagte zu 2) von „Nordrach“ Kenntnis gehabt habe.

Die Behauptung des Klägers, die behauptete Kenntnis des Beklagten zu 2) folge bereits aus der Gestaltung seines Werkes „Still Got The Blues“, sei nicht haltbar. Andernfalls hätte ja die allgemein anerkannte sog. „Doppelschöpfung“, die keine Urheberrechtsverletzung darstellt, keinerlei Daseinsberechtigung.

Der Beklagte zu 2) habe in den Jahren 1974–1975 auch nicht für mindestens ein Jahr im Raum … gelebt, zumal er sich in den fraglichen Jahren auf Tourneen mit den Bands „…“ und „…“ befunden habe. Selbst wenn er sich aber seinerzeit im Raum … aufgehalten habe, sei damit noch kein Anscheinsbeweis für die Kenntnis des Stückes „Nordrach“ erbracht. Seit dem 29. Juli 1974 habe er sich in aufgehalten; dort habe er in der Wohnung der Mutter des Zeugen … gelebt; einige Nächte habe er auch in der Wohnung des Zeugen … verbracht; etwa eine Woche nach seiner Ankunft in … habe er zusammen mit den Zeugen … einen zweiwöchiger Campingurlaub in … angetreten; Ende August 1974 sei er nach … zurückgekehrt. Zwischen dem 29. Juli und Ende August 1974 habe er den Club „…“ in … lediglich zwei Mal besucht; der Kläger oder dessen Gruppe „…“ seien bei diesen Gelegenheiten nicht aufgetreten. Seit seiner Rückkehr nach … sei er von den Zeugen … in … nicht mehr gesehen worden; da mit dem Zeugen … auch weiterhin Kontakt bestand, hätte dieser von einem weiteren Aufenthalt des Beklagten zu 2) in … Kenntnis haben müssen,

Selbst wenn man beim Beklagten zu 2) einen einmaligen, flüchtigen Höreindruck des Stückes „Nordrach“ unterstelle, sei es ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2) über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren das Stück „Nordrach“ im Gedächtnis konserviert habe und sich bei der Komposition von „Still Got the Blues“ von diesem lange zurückliegenden Höreindruck habe leiten lassen. Eine Speicherung im Langzeitgedächtnis über sechzehn Jahre könne nicht aufgrund eines ephemeren Live-Höreindrucks stattgefunden haben. Es fehle daher an der für den Plagiatsvorwurf erforderlichen bewußten Anmaßung fremder Urheberschaft.

Dies bestätige auch das von der Beklagten zu 1) vorgelegte Gutachten von … (Anlage B 13), nach dem es auszuschließen ist, dass das Gitarrensolo aus Nordrach im (impliziten) Langzeitgedächtnis von … verankert war.

Einer bewußten oder unbewußten Entlehnung stehe im übrigen das aus dem Jahre 1971 stammende Werk „Dana“ entgegen, welches in seinem Kerngehalt – ebenso wie „Nordrach“ und „Still got the Blues“ – auf dem gemeinfreien Harmoniemodell der Quintschrittsequenz fuße.

Außerdem könne sich der Beklagte zu 2) auch auf die Vermutung seiner Urheberschaft gem. § 10 UrhG berufen. Somit habe der Kläger den Nachweis zu führen, dass der als Urheber von „Still got the Blues“ bezeichnete Beklagte zu 2) nicht der wahre Urheber ist

Bei der vom Beklagten zu 2) vorgelegten Tonaufnahme „The William and Caroline Suite“ (Anlage S 16) handele es sich um ein Stück, das der Beklagte zu 2) 1969 – also vor „Nordrach“ – komponiert habe und das unter anderem während einer Darbietung der „…“ an der … im Jahre 1972 öffentlich aufgeführt worden sei. Die Tonaufnahme verdeutliche, dass es sich um eine in Melodie, Melodielinie, Struktur, tonaler Gestaltung sowie Harmonik sehr ähnliche, in zentralen Merkmalen übereinstimmende Sequenzfolge und damit um ein Referenzwerk für „Still got the Blues“ handele. Bestätigt werde das durch die Gutachten von … (Anlage S 21) und … (Anlage S 22). Die Gutachten belegten, dass „The William and Caroline Suite“ wegen der starken harmonischen und melodischen Ähnlichkeit als Vorläufer von „Still Got The Blues“ gelten könne.

Die Beklagte zu 1) treffe auch kein Verschulden. Sie habe keinerlei Anlaß gehabt, bei ihren Verwertungshandlungen an der alleinigen Urheberschaft des Beklagten zu 2) zu zweifeln, zumal das Werk „Nordrach“ als „unbekanntes Werk“ einzustufen sei.

Der vom Kläger behauptete Bereicherungsanspruch bestehe nicht. Die Beklagte zu 1) habe sich keine Lizenzgebühr für die Komponistenrechte erspart. Sie habe die mechanische Lizenzgebühr, die für die Nutzung des Werkes auf Tonträgern zu zahlen ist, ordnungsgemäß an die … abgeführt. Daher habe die Beklagte zu 1) auch keine Gewinne aus der Werknutzung erzielt, sondern lediglich aus der Nutzung der Tonaufnahme, interpretiert durch den Beklagten zu 2). Die … habe die vereinnahmten Gelder ordnungsgemäß an den Verleger und den Urheber des Werkes „Still got the Blues“ ausgeschüttet. Die Beklagte zu 1) habe keine Gewinne erzielt, die unter Verletzung des Urheberrechts des Klägers erreicht worden seien. Sie habe lediglich Masteraufnahmen, also die Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers sowie der Produzenten, ausgewertet. Gegenstand des Unternehmens und der Tätigkeit der Beklagten zu 1) sei im vorliegenden Fall nicht die Gewinnerzielung aus der Vermarktung von Urheberrechten. Sie habe die für die Vervielfältigung der Tonträger angefallenen Gebühren der mechanischen Vervielfältigung an die … abgeführt, mithin also nichts erspart oder erlangt. Rein vorsorglich hat die Beklagte zu 1) deshalb den Einwand der Entreicherung erhoben.

Die geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verjährt und verwirkt. Trotz des immensen Erfolges und der daraus resultierenden großen Bekanntheit von „Still got the Blues“ habe der Kläger seinen Anspruch erstmals Mitte des Jahres 2000, also mehr als 10 Jahre später, geltend gemacht. Es sei unglaubwürdig, dass der Kläger von der angeblichen Verletzungshandlung keine Kenntnis gehabt habe. Angesichts des Welterfolgs von „Still got the Blues“ habe der Beklagte zu 2) das Werk zumindest kennen müssen, wenn er es nicht gar gekannt habe. Die Einlassung des Klägers, er habe angeblich bis 1999 keine Erinnerung mehr an das von ihm Anfang der 70-er Jahre komponierte Hauptwerk und den Höhepunkt seines damaligen Repertoires gehabt, sei völlig ausgeschlossen und werde bestritten. Der durch den immensen Erfolg von „Still got the Blues“ begründete Besitzstand der Beklagten sei so stark gewesen, dass der Kläger die etwaige Rechtsverletzung habe bemerken müssen, so dass die Beklagten sein Schweigen als Billigung deuten durften.

Die Klage sei auch deshalb nicht begründet, weil der Kläger seine Ansprüche in Bezug auf die Gesamtverwertung des Werkes „Still got the Blues“ (bestehend aus Text und Musik) begehre, während nach seinem eigenen Vortrag ausschließlich die musikalische Komposition betroffen ist und diese auch nicht insgesamt, sondern lediglich in einem zeitlich begrenzten Teilbereich des Gesamtwerkes, nämlich dessen Einleitung und Zwischenspiel.

Gemäß Beweisbeschluss vom 16. Januar 2002 hat die Kammer ein Sachverständigengutachten zur Frage der Übernahme des Gitarrensolos aus „Nordrach“ in „Still got the Blues“ erholt. Auf Vorschlag des Beklagten zu 2) wurde Herr … mit der Begutachtung beauftragt. Dieser hat sein schriftliches Gutachten am 28. April 2003 erstattet. Die Beklagten haben den Sachverständigen daraufhin ohne Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Zurückweisungsbeschluss des Landgerichts vom 15. September 2003, Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 4. März 2004, Az. 6 W 2557/03 ). Der Sachverständige … hat sein Gutachten am 20. August 2003, am 19. Januar 2004 und am 9. Mai 2004 schriftlich ergänzt. Im Termin vom 3. November 2004 ist er mündlich angehört worden.

Gemäß Beweisbeschluss vom 9. Dezember 2005 hat die Kammer im Termin vom 12. April 2006 Beweis erhoben zu der Frage der Alleinurheberschaft des Klägers sowie zu der Frage, ob der Beklagte zu 2) von „Nordrach“ Kenntnis haben konnte.

Gemäß Beweisbeschluss vom 9. August 2006 hat der Sachverständige … am 30. Januar 2008 ein Gutachten zu der Frage erstattet, ob es möglich ist, aufgrund eines ephemeren Höreindrucks eine Musiksequenz über sechzehn Jähre im Langzeitgedächtnis zu speichern. Die Beklagten haben den Sachverständigen daraufhin ohne Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Zurückweisungsbeschluss des Landgerichts vom 6. Juni 2008, Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Juli 2008, Az. 6 W 1840/08 ). Im Termin vom 17. September 2008 ist der Sachverständige mündlich angehört worden.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig. Mit Ausnahme der Klageanträge I.5., II.3. und II.4. (2. bzw. 3. Stufe der Stufenklage) ist die Klage entscheidungsreif und im tenorierten Umfang begründet; im übrigen war die Klage abzuweisen.

I.

Die Klage ist schlüssig.

Insbesondere behauptet der Kläger, Alleinurheber von „Nordrach“ zu sein; dementsprechend hat er auch nicht Leistung an alle Mitglieder der Gruppe „…“, sondern an sich alleine verlangt.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Kläger seine Klageansprüche in Bezug auf das Gesamtwerk „Still got the Blues“ geltend macht. Zwar besteht „Still got the Blues“ in der Tat aus Text und Musik, wobei der Kläger nur eine Teilpassage der Musik für sich beansprucht. Gleichwohl betreffen die geltend gemachten Ansprüche das ganze Werk, solange sich die streitgegenständliche Passage darin findet.

II.

Die gegenüber den Beklagten geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen nicht.

Der Kläger möchte den Beklagten einerseits die Vervielfältigung, Verbreitung und Aufführung von „Still got the Blues“ verbieten lassen (Klageanträge I.1. und II.1.), andererseits möchte er bei den Verwertungsgesellschaften, die gerade die genannten Rechte an Dritte vergeben, als (Mit-) Komponist dieses Werks geführt werden (Klageantrag II.6.). Beides zugleich geht nicht, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Ist das Recht zur Vervielfältigung, Verbreitung und Aufführung von „Still got the Blues“ vom Kläger und dem Beklagten zu 2) – und damit von allen in Betracht kommenden Urhebern dieses Werkes (zur Urheberschaft an „Nordrach“ siehe II.1.c) – der … (diese vertritt in Deutschland die Komponisten und Textdichter) zur Wahrnehmung übertragen, nimmt allein die … die genannten Rechte wahr. In dem Umfang, in welchem der Urheber seine Rechte der … zur Wahrnehmung einräumt, verliert er aber auch jeglichen Einfluss und jegliche Kontrolle darüber, von wem und wie sein Werk genutzt wird. Er kann zum Beispiel keine Vorbehalte gegen die Auswahl derjenigen Personen einbringen, die sein Werk künftig nutzen; denn auf Grund des Abschlusszwangs (§ 11 WahrnG; ferner ist auf § 42a Abs. 4 UrhG hinzuweisen) ist die … verpflichtet, jedermann auf Verlangen die genannten Rechte einzuräumen (vgl. dazu nur LG München I in GRUR 2005, 574 mit zahlreichen Nachweisen zum Meinungsstand).

2. Der Kläger kann dagegen auch nicht einwenden, er habe einer Nutzung seines Gitarrensolos aus „Nordrach“ im Rahmen von „Still got the Blues“ und damit der Verwertung der Bearbeitung seines Werkes bis heute nicht zugestimmt.

Eine Bearbeitung des Gitarrensolos aus „Nordrach“ ergibt sich hier (neben der gleichzeitig erfolgenden Vervielfältigung) allein schon aus der Einbettung der Passage in ein anderes Werk (vgl. dazu nur Schricker/Loewenheim, UrhR, § 23 Rn. 6).

Zwar nimmt die … ausweislich des Berechtigungsvertrages, den sie mit den Komponisten abschließt, nicht das Bearbeitungsrecht wahr, so dass dieses beim Urheber verbleibt (vgl. nur BGH GRUR 1998, 376 – Coverversion). Es wäre hinsichtlich der Urheberpersönlichkeitsrechte auch problematisch, wenn jedermann von den Verwertungsgesellschaften das Recht erhielte, ein Werk umgestalten, ändern oder bearbeiten zu dürfen. Die Verwertungsgesellschaften vergeben daher Nutzungsrechte grundsätzlich nur am vollständigen und unveränderten Originalwerk, also an dem Werk in seiner vom Urheber für die Öffentlichkeit vorgesehenen konkreten Form.

Durch den Klageantrag II.6. hat der Kläger allerdings eindeutig zu erkennen gegeben, dass er mit der Einbettung des aus „Nordrach“ übernommenen Gitarrensolos in der streitgegenständlichen und bekannten Fassung von „Still got the Blues“ – also mit der Verwertung der bearbeiteten Fassung des Gitarrensolos durch die – einverstanden ist.

3. Damit hat sich der Kläger also sowohl unter materiellen (Verwertungsrechte) als auch ideellen (Urheberpersönlichkeitsrecht) Gesichtspunkten der Möglichkeit begeben, von den Beklagten Unterlassung der Vervielfältigung, Verbreitung und Aufführung des Werks zu verlangen. Denn durch die Verurteilung des Beklagten zur Anmeldung von „Still got the Blues“ für beide, den Kläger und den Beklagten zu 2), setzt er sich mit Blick auf die Unterlassungsanträge dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung aus: Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est. Sobald nämlich der Beklagte zu 2) dem Urteil gemäß die Anmeldung bei der … vollzogen hat, bestehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht mehr.

Die Kammer geht nach allem davon aus, dass für den Kläger die weitere Verwertung von „Still got the Blues“ – soweit er an den Erlösen zu beteiligen ist – gegenüber dem Unterlassungsbegehren und den damit verbundenen finanziellen Einbußen vorrangig ist.

4. Mit der gleichen Begründung war auch der unter Ziffer I.2. geltend gemachte Vernichtungsanspruch abzuweisen. Im übrigen erscheint die Vernichtung auch nach § 98 UrhG unverhältnismäßig, da der Kläger zu erkennen gegeben hat, dass er an einer weiteren Verwertung von „Still got the Blues“ durch Vervielfältigung und Verbreitung interessiert ist – soweit er an den Erlösen beteiligt wird.

III.

Die gegenüber den Beklagten geltend gemachten Auskunftsansprüche bestehen im tenorierten Umfang. Sie bestehen allerdings – mangels eines Verschuldens der Beklagten vor dem 30. Mai 2000 – erst seit dem Zugang des Schreiben des Klägers vom 29. Mai 2000 zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen wegen einer Urheberrechtsverletzung; bis zu diesem Zeitpunkt sind lediglich Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB -- Eingriffskondiktion) gegeben.

1. Die Beklagten haben durch die zumindest unbewusste Übernahme der streitgegenständlichen Passage aus dem Werk „Nordrach“ in dem Werk „Still got the Blues“ das Urheberrecht des Klägers verletzt. Dies geschah allerdings bis zum 30. Mai 2000 unbewusst – und damit nicht schuldhaft. Gleichwohl bedeutet auch die bloß unbewusste Verletzung von Urheberrechten einen Eingriff in fremde Rechte und begründet damit einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung.

1. a. Die streitgegenständliche Schluss-Passage aus dem Stück „Nordrach“ (Gitarrensolo ab Minute 8:15 der vom Kläger vorgelegten Aufnahme) ist urheberrechtlich geschützt.

Ein Musikstück – und seien es auch nur wenige Takte – ist urheberrechtlich schutzfähig, wenn es eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG). Die schöpferische Leistung kann sich nicht nur aus der Melodie, sondern auch aus der Auswahl und dem Einsatz der musikalischen Ausdrucksmittel (Rhythmik, Metrik, Tempo, Harmonik, Form, Phrasierung, Instrumentierung, Sound) bei der Verarbeitung der Melodie ergeben. Entscheidend ist der sich aus dem Zusammenspiel all dieser Elemente ergebende Gesamteindruck, das Hörerlebnis (vgl. nur Schricker/Loewenheim, UrhR, § 2 Rn. 119, mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung). Schutzfähig sind regelmäßig die Art und Weise der Instrumentierung und Orchestrierung, da sie den klanglichen Charakter des Musikstückes entscheidend beeinflussen und in Anbetracht der unzähligen verschiedenen Wahlmöglichkeiten regelmäßig eine künstlerische Entscheidung des Komponisten darstellen ( BGH GRUR 1968, 321, 324 f. – Haselnuß; 1991, 533, 535 – Brown Girl II; BGH UFITA 51 (1968) 315, 319 ff. – Gaudeamus igitur). Nicht schutzbegründend ist jedoch die Verwendung dessen, was zum musikalischen Allgemeingut gehört.

Mit Blick auf die Schöpfungshöhe ist festzuhalten, dass bei Musikwerken keine zu hohen Anforderungen an die schöpferische Eigentümlichkeit gestellt werden dürfen. Für den Bereich des musikalischen Schaffens ist seit langem die sogenannte „kleine Münze“ anerkannt, mit der auch einfache geistige Leistungen als gerade noch geschützt erfasst werden. Es reicht daher aus, dass die formgebende Tätigkeit des Komponisten – wie etwa regelmäßig bei der Schlagermusik – nur einen verhältnismäßig geringen Eigentümlichkeitsgrad aufweist. Auf den künstlerischen Wert kommt es dabei nicht an (vgl. nur BGH NJW 1989, 387 – Ein bißchen Frieden). Dies gilt sowohl für originär geschaffene Werke als auch für Bearbeitungen. Die Schutzvoraussetzungen sind insoweit die gleichen (vgl. BGH NJW-RR 1991, 812 – BrownGirl II).

Die streitgegenständliche Passage aus „Nordrach“ ist kein Musikstück, das sich lediglich aus bestimmten melodischen, rhythmischen und harmonischen Grundmustern zusammensetzt, die im Lauf von Jahrhunderten gewachsen sind und überliefert wurden – und das deshalb nicht schutzfähig ist (§ 3 Satz 2 UrhG). Die Kammer geht zwar mit den Parteien und der 7. Zivilkammer des Landgerichts München I (Urteil im Verfahren 7 O 11024/91 – Dana) davon aus, dass das harmonische Grundgerüst der Quintschrittfrequenz – das auch der fraglichen Passage in „Nordrach“ zugrundeliegt – gemeinfrei ist; das hat auch der der gerichtlich bestellte Sachverständige … bestätigt:

„Die Quintschrittssequenz ist seit dem 17. Jh. Public Domain und wird gleichermaßen in Klassik, Jazz und Pop in zahlreichen Kompositionen und Improvisationen verwendet. Man kann sie … als harmonisches Grundmodell ansehen.“

Die streitgegenständliche Passage aus „Nordrach“ auf ihr harmonisches Grundmuster zu reduzieren, greift aber musikalisch wie urheberrechtlich zu kurz. Die fragliche Passage weist als schöpferisch und eigentümlich zu bezeichnende Elemente auf.

Der Sachverständige … hat die schöpferische Eigentümlichkeit der Passage wie folgt beschrieben:

„Durch seine instrumentalspezifische Ausformung als Gitarrenmelodie erreicht diese Passage … einen hohen Grad von einmaliger Individualität und Wiedererkennbarkeit. Die so geschaffene Melodie kann weder mit einer anderen gängigen Schlagermelodie verwechselt werden, noch ist sie von einer eindeutig zu identifizierenden Vorlage abgeleitet. … Die Eigentümlichkeit der melodischen Erfindung von Nordrach besteht insbesondere in der Kombination von sequentieller Melodik, die in sentimentalen Schlagermelodien üblich ist, … verknüpft mit dem Sound der Rockgitarre in der Tradition von großen Rocklegenden wie z.B. die genannten Künstler Clapton und Hendricks.“ (Gutachten vom 28. April 2003)

Und weiter:

„Es ist vor allem dieses Gitarrensolo, das dem Musikstück „Still got the Blues“ seine unverwechselbare Prägung verleiht.“

Damit hat der Sachverständige – ganz im Einklang mit der Rechtsprechung – ein für die Schutzfähigkeit der fraglichen Passage besonders wichtiges Merkmal, nämlich die Instrumentierung hervorgehoben: Es ist nämlich gerade die Art und Weise, wie der Komponist hier die Gitarre und die mit ihr möglichen Klangeffekte einsetzt, die den klanglichen Charakter des Stückes ganz wesentlich prägt. Weiter führt der Sachverständige aus:

„Die … Passage ist … eine in sich geschlossene … Erfindung. Entscheidend für die schöpferische Eigentümlichkeit des zur Debatte stehenden Pop-Musikstückes ist die Melodieführung in Kombination mit den in der Popularmusik besonders charakteristischen Sekundär- und Tertiärkomponenten.“ (Gutachten vom 20. August 2003)

Der Sachverständige hat insbesondere auch zum in der Rechtsprechung für maßgeblich gehaltenen Hörerlebnis Stellung genommen und sich in diesem Zusammenhang auch mit der Bedeutung der Notation für die Begutachtung auseinandergesetzt:

„… die Relevanz hörspsychologischer Faktoren [ist] in der Popularmusikforschung unumstritten. Sie ist nicht Gegenstand der allgemeinen Psychologie, sondern gehört zu den unverzichtbaren analytischen Grundlagen der Musikwissenschaftler, die auf dem Gebiet der Popularmusik forschen …. Es ist gerade der „Schein des bekannten“, der von den erfolgerfolgreichen Autoren der Popularmusik angestrebt wird …. Er ist der rezeptionspsychologische Faktor, der für die Popularität einer Melodie ausschlaggebend ist. Das heißt aber nicht, dass damit alle Pop-Melodien, die auf gängigen Melodiemodellen beruhen, der public domaine zuzuordnen wären. Die schöpferische Eigentümlichkeit und Wirkung wird wesentlich durch sogenannte Sekundär- und Tertiärkomponenten (Arrangement, Sound etc.) verstärkt. Diese können in einer notenschriftlichen Transkription nur bedingt wiedergegeben werden. Sie sind aber durch den Tonträger fixiert und als Hörerlebnis messbar.“ (Gutachten vom 20. August 2003)

Im Rahmen seiner Anhörung hat der Sachverständige dazu weiter ausgeführt:

„Meiner Auffassung nach ist diese Art von Verbindung von Tönen nicht routinemäßiges musikalisches Handwerk, sondern Kunst. Bei der Rock- und Popmusik sind diese Elemente, wie ich sie bereits mehrfach genannt hatte, nicht marginal sondern zentral. Natürlich spielen die Kerntöne auch eine Rolle, aber man muß alles zusammen sehen.

Die Schutzfähigkeit wird begründet durch das, was auf dem Tonträger aufgezeichnet ist und den Eindruck hervorruft. Ich habe das schon vorher so formuliert, dass die Partitur des Jazz und der Popmusik der Tonträger ist. Dies liegt auch daran, dass es keine Methode der Notation für diese Elemente gibt.

Die Grundlage für die streitgegenständlichen Titel sind uralte Sequenzen, die schon in der Popmusik bekannt waren, aber worauf es hier ankommt ist die aktuelle, originelle, kreative Gestaltung.

Meine Auffassung, wonach es bei der Popularmusik auf den Höreindruck und nicht auf den Notiereindruck ankommt, ist die herrschende Auffassung.

Es gibt schon spezifische Spielweisen bei der hier verwendeten E-Gitarre, aber die Art und Weise wie in diesen beiden Stücken gespielt wird, ist … eine besondere.

Die Interpretation, die Artikulation ergeben ein ganz besonderes Klangergebnis.“

Gestützt auf das Sachverständigengutachten kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass das beim streitgegenständlichen Gitarrensolo aus „Nordrach“ zu hörende Zusammenspiel von Instrumentierung, Melodik, Rhythmik, Tempo, Harmonik, Klangeffekten, also das konkrete Arrangement der Melodie – nicht etwa die Melodie selbst – eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Dabei bewertet die Kammer Tonfolge und Harmonik der fraglichen Passage – für sich genommen – als musikalisches Gemeingut. Nichtsdestotrotz ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass auf der Basis einer überlieferter Melodielinie und Harmoniefolge – wie hier geschehen – ein neues, selbständiges und schutzfähiges Musikwerk arrangiert werden kann. Dabei geht die Kammer davon aus, dass für die Begutachtung des Hörerlebnisses eine musikwissenschaftliche Analyse anhand der Notation – wie sie von den Beklagten durchgängig favorisiert und vorexerziert wird – zweitrangig ist. Denn aus der Betrachtung der Notation und dessen Analyse entsteht nun einmal kein Klang- und Hörerlebnis, sondern allenfalls eine Beschreibung, die angesichts der beschränkten Möglichkeiten der Verbalisierung eines Musikstückes unzureichend und abstrakt bleiben muss. Auch in der bildenden Kunst entsteht durch eine Bildbeschreibung – und sei sie auch noch so zutreffend, exakt und gelungen – vor dem menschlichen Auge und in der menschlichen Vorstellung nicht das beschriebene Bild in seiner konkreten Gestalt.

Die Kammer hat den seitens des Beklagten zu 2) vorgeschlagenen Sachverständigen … mit der Erstattung des Musikgutachtens betraut, weil der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten zu 2) Herrn … als in zahlreichen urheberrechtlichen Verfahren zur Frage der Entlehnung kundigen gerichtlichen Sachverständigen empfohlen hatte. Herr … war seinerzeit Präsident der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in …, er ist promovierter Musikwissenschaftler. Nach Ansicht des Beklagten zu 2) ist – bzw. war (bis zur Erstattung seines Gutachtens) – er

„vorzüglicher Kenner der U-Musik sowie (insbesondere im kompositorischen Vergleich) der E-Musik. Er ist durch besondere Kenntnisse im Bereich Rock, Pop, Jazz, Musical, Chanson, Schlager und Liedermacherei sowie Improvisation in der D-Musik hervorgetreten.“

Außerdem habe … – so der Prozeßvertreter des Beklagten zu 2) –

„eine Reihe von Modellversuchen mit mehrwöchigen Kompaktkursen von namhaften Praktikern unter seiner Leitung an der Hamburger Hochschule für Musik und darstellender Kunst betreffend die Musikbereiche Rock, Pop, Jazz, Musical, Chanson, Schlager und Liedermacherei durchgeführt.“

Herr … sei

„somit außerordentlich befähigt, zu den verfahrensgegenständlichen Beweisthemen fundiert Stellung zu nehmen.“

und stehe

„dem Rechtsstreit völlig objektiv gegenüber.“

Diese Vorschußlorbeeren hat der Sachverständige nach Ansicht der Kammer durch sein Wirken im Rahmen des Verfahrens durchaus bestätigt. Der Sachverständige … hat – schriftlich wie mündlich – detailliert und kenntnisreich die schutzbegründenden Merkmale des Gitarrensolos aus „Nordrach“ herausgearbeitet.

Bestätigt werden die Ergebnisse des Sachverständigen … im übrigen auch durch den mit einer weitergehenden Frage befassten Sachverständigen …. Dieser hat die Schutzfähigkeit des Gitarrensolos wie folgt auf den Punkt gebracht:

„Ich bleibe dabei, dass die streitgegenständliche Sequenz auch in ihrer Spielweise, Rhythmisierung, Agogik, Tongebung und Attacke einzigartig ist.“

Den Einwänden des Prozeßvertreters des Beklagten zu 2), der – nachdem er der Kammer … als Sachverständigen wärmstens empfohlen hatte – selbigen nach Erstattung des Gutachtens als völlig unfähig und unbrauchbar abqualifizierte, folgt die Kammer ebensowenig wie den Einwänden der Beklagten zu 1). Der Prozeßvertreter des Beklagten zu 2) versucht ohne Erfolg, Widersprüche des Gutachtens zu konstruieren, wenn er es für unvereinbar hält, dass sich das Gitarrensolo in „Nordrach“ einerseits im Rahmen gängiger Vorlagen bewegt (Stichwort Quintschrittsequenz), andererseits aber durch die instrumentalspezifische Ausformung als Gitarrenmelodie einen hohen Grad an einmaliger Individualität und Wiedererkennbarkeit erreicht; letzteres hat der Sachverständige auch ausführlich begründet. Der Sachverständige hat sich auch eingehend und in allen von den Parteien zur Sprache gebrachten Facetten – einschließlich der beklagtenseits vorgebrachten Werke aus allen Jahrhunderten – mit dem Thema Quintschrittfrequenz auseinandergesetzt; die fraglichen Ausführungen sind rundweg überzeugend und stimmen im übrigen auch mit den Erkenntnissen aus dem „Dana“-Verfahren überein. Es ist angesichts dieses – nach Auffassung aller Prozeßbeteiligten – nicht schutzfähigen Harmonieschemas auch nicht verfehlt, die Bedeutung der Harmonisierung der Melodie hier als Sekundärkomponente zu bewerten. Im Ergebnis nichts anderes bedeutet es übrigens, wenn der Privatgutachter …, „… die Betrachtung der Harmoniefolge „Quint-Sequenz“ allein für wenig ergiebig…“ hält. Der Einwand, der Sachverständige halte das Gitarrensolo für schutzwürdig, obwohl er die für die Bestimmung der schöpferischen Eigentümlichkeit maßgeblichen Merkmale (Quintschrittsequenz, Terzsequenz, aufsteigender Sextsprung) im wesentlichen als althergebracht, handwerklich sowie dem vorbestehenden Formenschatz verhaftet bezeichnet habe, trifft insofern nicht, als nach der Rechtsprechung auch die Kombination von mehreren an sich schutzunfähigen Elementen neu und eigentümlich sein kann. So kann etwa das Zusammenspiel in einem von dem Originalwerk abweichenden Rhythmus und Harmonik schon eine schutzfähige Bearbeitung darstellen ( BGH GRUR 1981, 267, 268 – Dirlada), ebenso der akzentuierte Rhythmus in Verbindung mit der Instrumentierung oder einem Chorsatz ( BGH GRUR 1968, 321, 324 – Haselnuß). Auch der Vorwurf des Prozeßvertreters des Beklagten zu 2), der Sachverständige habe aufgrund „hörpsychologischer“ Eindrücke, der „Wiedererkennbarkeit“ und sogar noch mit dem Hörverständnis eines „durchschnittlichen Laienhörers“ argumentiert, verfängt nicht: Der Sachverständige hat insofern nichts anderes getan, als – entsprechend der Rechtsprechung und damit gemäß seinem Auftrag – gerade den Gesamteindruck, das Hörerlebnis zum Gegenstand seiner Begutachtung zu machen. Auch den Vorwurf, er habe in seinem Gutachten keine einzige eigene Note zu Papier gebracht und die Notationen der vorliegenden Parteigutachten nur am Rande und marginal erwähnt, ist der Sachverständige – für die Kammer überzeugend – unter Hinweis auf die Bedeutung der Notation in diesem Fall entgegengetreten. Zuletzt soll die fehlende Sachkenntnis des Sachverständigen auch noch mit einem Rechtschreibfehler (Hendricks statt Hendrix) belegt werden; mit einem sachlichen und ernsthaften Diskurs über die Fähigkeiten des Sachverständigen hat das nur noch am Rande zu tun.

Der Versuch des Prozeßvertreters des Beklagten zu 2), die schutzbegründenden Merkmale von „Still got the Blues“ in Worte zu kleiden, kann im übrigen – gemessen an den Maßstäben, die beklagtenseits an das Gutachten des Sachverständigen angelegt werden – nicht überzeugen: Bei „Still got the Blues“ würden – so heißt es da – in subtiler und schutzwürdig hochwertiger Form die Bausteine aus dem Gemeingut rhythmisch und tonal weiterentwickelt. Bedeutsam ist diese Einschätzung aber vor allem deshalb, weil eben dies auf das Gitarrensolo in „Nordrach“ zutrifft.

1. b. „Nordrach“ ist auch mit Blick auf zum Zeitpunkt der Komposition (1974) bekannte Melodien eigenständig und nicht angelehnt.

Der Sachverständige … hat zu der Frage, inwieweit sich die streitgegenständliche Passage aus „Nordrach“ an zum Zeitpunkt der Komposition (1974) bekannte Melodien anlehnt, Folgendes ausgeführt:

„Die … zitierten Melodien wie z.B. Schumann „Von fremden Ländern und Menschen“ … haben nichts mit der hier zur Debatte stehenden Melodiesequenz gemein. Es … handelt sich hier um Parallelen, die weder vom Melodischen, noch vom Harmonischen … mit der zur Debatte stehenden Melodiesequenz identifiziert werden können.“

„Die 19 angeführten Parallelmelodien – komponierte Melodieausschnitte aus der Musikgeschichte von Barock bis Romantik sowie Lied/Volkslied; Operette/Unterhaltungsmusik – stimmen in keinem Fall mit der zur Debatte stehenden auf der E-Gitarre improvisierten Passage überein.“ (Gutachten vom 20. August 2003)

Speziell zu „Dana“ hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt:

„Die Analyse von Dana zeigt zwar … entscheidende Parallelen zu „Nordrach“. Dana erscheint wie ein primitives Grundmodell, auf dem Nordrach aufbaut. Gemeinsam ist beiden Melodien eine auf- und absteigende Terzfigur, die viermal jeweils eine Stufe tiefer sequenziert wird. Diese wird harmonisiert mit einer aus der Barockmusik bekannten Bassführung, die von der Tonika (= I Stufe) über die Stufen: IV-VII-III-VMI zur Dominante (= 5. Stufe) führt. [Ein Modell, das] schon in der Barockzeit als Grundlage für improvisatorische Übungen benutzt [wurde]. „Nordrach“ erweitere dieses Schema durch die Hinzufügung des Sextsprungs a-f. … Die ursprüngliche Terzfigur d-e-f wird in „Nordrach“ mit der Hinzufügung von a als Eckton des charakteristischen Sextsprungs a-f zu einem triolischen Auftakt umgeformt. Der einfache 4/4 Takt bekommt nun durch die triolische Pulsierung einen wesentlich stärkeren Groove. … In keinem Fall wird auf die Kleinterz-Sequenz aus „Dana“ zurückgegriffen. Der Sextsprung bleibt das charakteristische Intervall für diese Melodie. Die nun folgenden Terzsequenzen sind mehr oder weniger mit Dana identisch. … Die Variantenbildung bei Nordrach führt zur Einführung chromatischer Gleittöne. So entsteht aus f-e-d das triolische f-e-es-d, bzw. e-es-d-c und d-des-c-h. Die chromatischen Gleittöne helfen auch, die binäre rhythmische Struktur in eine tertiäre umzuwandeln. … Die melodische Ähnlichkeit zwischen Dana und Nordrach ist sehr viel enger afs z.B. mit dem Mittelteil von Schumann's Kinderszenen. Zwar benutzt Schumann eine Quintfallsequenz in der linken Hand, die aber schon nach dem dritten Akkord in eine charakteristische Bassmelodie umgeformt wird d (punktiert) c-h, während die rechte Hand aufsteigende Sekunden h-c/a-h/g-a/fe-g in Terzenparallelen vier Mal sequenziert. Insbesondere diese sequenzierten Sekunden geben kaum eine charakteristische Melodie ab, die eine „Ohrwurmwirkung“ entfalten kann wie es bei Nordrach der Fall ist. …

In der Popularmusik gehören diejenigen Lieder zu den erfolgreichsten, die auf einfachen Sequenzmustem beruhen. … Im Einzelnen greift jeder Autor im Bereich der Popularmusik auf vorgeprägte Muster zurück, die den „Schein des Bekannten“ erzeugen sollen. … Ein Museme wie die aufsteigende Sexte ist so weit verbreitet, dass es als Einzelkomponente nicht schutzfähig ist. Das gleiche gilt für die Quintfallsequenz. Die in „Dana“ vorgeprägte vierfach sequenzierte Terzfigur ist melodisch als sehr charakteristisch anzusehen, ist aber an für sich noch keine Melodie im Sinne einer Gesamtkomposition …. Es ist ein musikalischer Baustein, der ohne melodischen Kontext als fragmentarisch und unabgeschlossen angesehen werden muss.“ (Gutachten vom 9. Mai 2004)

Mündlich hat der Sachverständige weiter ausgeführt:

„Ich würde „Dana“ fast für nicht schutzfähig halten, weil es ein Klischee ist, das in allen drei Ebenen vorhanden ist. Die drei Ebenen sind Melodik, Harmonik, Rhythmik. (Anhörung)“

Auch in S 2 kommt zwar der Sextsprung vor, aber der Kontext ist ein anderer. Es ist die Art und Weise der Anwendung des Sextsprunges in der Kombination mit der Terzfigur. Das kann man gerade am Beispiel von „Autumn leaves“ gut belegen. Dort setzt die Melodie, im Gegensatz zu dem streitgegenständlichen Fall, immer wieder von unten an. Die chromatischen Durchgänge bei „Nordrach“ steigern die Emotionalitat und damit die Attraktivität.

Dieser chromatische Durchgang fehlt auch bei „Dana“.

Die Verbindung von Terzmodell und aufsteigender Sext ist auch bei „Autumn leaves“ vorhanden, aber die Art und Weise dieser Verbindung ist anders.

Auch [bei Vivaldi; Anlage S 6 Seite 2] … ist die Kombination als solche vorhanden, aber es fehlt der chromatische Durchgang, die Agogik der Interpretation und die weiteren genannten Kriterien.

Entscheidend für mich ist die außerordentlich definierte Rhythmik, die in den drei Titel „Nordrach“ „Still got the Blues“ „Autumn leaves“ ist. In beiden kommen triolische Rhythmen – wir reden von Triolenschmäh – vor.

Auch „Hello“ von Lionel Richie ist weiter weg als „Nordrach“ und „Still got the Blues“.

Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ausdrücklich. Auch hier zeigt sich wieder, dass einer rein musikwissenschaftlichen Analyse auf Grundlage der Notation Schranken gesetzt sind. Wer wie die – musikalisch vorgebildeten und teilweise auch musikalisch aktiven – Mitglieder der Kammer zunächst einmal vom Hörerlebnis ausgeht, kann kaum zu dem Ergebnis kommen, das Gitarrensolo aus „Nordrach“ weise im Verhältnis zu „Dana“ nur marginale Zusätze auf und „Nordrach“ setze nur stereotyp die Tonfolge zusammen (so aber der Beklagte zu 2). Es ist nämlich nicht einfach so, dass „Nordrach“ herauskommt, wenn man „Dana“ mit der E-Gitarre spielt. Es mag musikwissenschaftlich richtig sein, dass „Nordrach“ und „Still got the Blues“ auf dem melodischen und harmonischen Modell von „Dana“ aufbauen, so wie auch alle anderen notationsanalytischen Erkenntnisse zutreffen mögen. Hört man sich alle drei Stücke aber einmal an, erweist sich, dass „Nordrach“ und „Still got the Blues“ von ganz anderem musikalischen Charakter und ganz anderer Qualität sind als „Dana“. Unter dem unmittelbaren Eindruck des Hörerlebnisses zeigt sich dann, wie gering der Wert der Feststellung eines übereinstimmenden melodischen und harmonischen Modells ist: Trotz der Übereinstimmungen in diesen gemeinfreien Merkmalen entstehen denkbar unterschiedliche Werke.

Angesichts der Ausführungen des Sachverständigen ist der gegen ihn seitens der Beklagten erhobene Vorwurf, er habe sich völlig unvollständig und lückenhaft mit der Dana-Thematik auseinandergesetzt, nicht haltbar. Der Sachverständige hat insgesamt ausführlich zu den beklagtenseits vorgebrachten Musikbeispielen Stellung genommen. Die Kammer hält die entsprechenden Ausführungen vor allem deshalb überzeugend, weil sie dem eigenen Hörerlebnis der Kammermitglieder entsprechen.

1. c. Der Kläger ist auch Urheber von „Nordrach“.

Die seitens der Beklagten unter Verweis auf den Auszug aus dem …-Archiv behauptete Mitwirkung aller Mitglieder der Band … an der streitgegenständlichen Passage aus „Nordrach“ – mögliche andere Urheber kommen nach dem Vortrag der Parteien nicht in Betracht – hat sich nicht bestätigt.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass dieses Dokument nicht von den Bandmitgliedern herrührt, so dass sich ohnehin die Frage stellt, welchen Beweis- oder Erklärungswert es haben soll. Letztlich besagt diese Dokument lediglich, das ein Mitarbeiter des Senders (…) – aus welchem Grund auch immer – die ganze Musikgruppe als Urheber eingetragen hat. Auch bei der … sind entgegen dem Vortrag des Beklagten zu 2) andere Personen nicht als Komponisten angemeldet (vgl. die beklagtenseits vorgelegte Anlage S 26; eine Musikgruppe ist keine natürliche Person).

Es hat aber auch keiner der Bandmitglieder, die die Kammer vernommen hat, eine Beteiligung an dem Stück behauptet – obwohl eine solche finanziell nicht ohne Wert ist. Allein dieses Moment spricht dafür, den Zeugen in diesem Punkt zu glauben.

Der Zeuge … hat ausgesagt, der Kläger habe der Band den streitgegenständlichen Passus vorgesungen und mit seinem Instrument, der Bassgitarre, begleitet.

Die Band habe das Stück einschließlich dieses Passus‘ dann gespielt und aufgenommen. Genau die Melodie, die im fertigen Stück vorkommt, habe der Kläger vorgesungen. Zwar hat der Zeuge … darüber hinaus – und das spricht nicht unbedingt für seine Glaubwürdigkeit – auf Vorhalt eines Notenbildes ausgesagt, der Kläger habe seinerzeit die gesamte in diesem Notenbild wiedergegebene Tonfolge vorgesungen, um dann eingestehen zu müssen, gar nicht Noten lesen zu können. Seine Erklärung, er habe die Frage dahin verstanden, dass nach der Melodie gefragt war, ist nicht gerade überzeugend. Selbst wenn er damit – was naheliegt – die Interessen des Klägers fördern wollte, bleibt es dabei, dass er selbst keinen Beitrag geleistet hat. Das glaubt ihm die Kammer, denn Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge seine eigenen Interessen denen des Klägers derart unterordnet, hat die Kammer nicht. Nachdem die Berechtigung konkreter anderer Personen außerhalb der Band nicht einmal behauptet wurde und damit nicht in Rede steht, kommt es auch nicht darauf an, woher der Kläger irgendwelche Fragmente hatte.

Auch der Zeuge … hat ausgesagt, Ende 1973 habe er mitbekommen, dass der Kläger im Probenraum irgendetwas gesungen oder gedudelt hat. Das sei die Melodie, an die er sich von Nordrach erinnern könne, die bei Gigs immer mitgesungen und am Schluss nochmal wiederholt worden sei. Diese Melodie sei nach seiner Einschätzung von Herrn … komponiert worden. Er selbst habe nicht mitkomponiert.

Die Beklagten haben zuletzt auch nicht dargetan, dass sich der Kläger seiner Rechte an „Nordrach“ – etwa gegenüber dem … – begeben hätte.

1. d. In „Still got the Blues“ wird das Gitarrensolo aus „Nordrach“ übernommen.

Die Streitparteien sind sich einig, dass die im Streit stehende Parallele der beiden Musikstücke lediglich die Gitarrensoli betrifft. Abgesehen von den die Gitarrensoli betreffenden Passagen haben beide Werke nichts miteinander gemein.

Der Sachverständige … hat hierzu ausgeführt:

„Das Musikstück „Still got the Blues“ besteht aus einem Gesangsteil, der keinerlei Ähnlichkeiten oder Parallelen zu „Nordrach“ aufweist und einem instrumentalen Vor-, Zwischen- und Nachspiel, das von einer Solo-Elektrogitarre intoniert wird. Dieses Gitarrensolo ist im Hörvergleich mit dem Gitarrensolo aus der Komposition Nordrach leicht als identisch zu identifizieren. Es ist vor allem dieses Gitarrensolo, das dem Musikstück „Still got the Blues“ seine unverwechselbare Prägung verleiht. …In dem Stück Nordrach ist das erwähnte Gitarrensolo Höhepunkt und Abschluss des Stückes. … (Gutachten vom 28. April 2003)

Den zur Debatte stehenden Musikausschnitt (E-Gitarrensolo) habe ich in seiner akustischen Originalform sowie in den beiden notenschriftlichen Transkriptionen miteinander verglichen und sofort eine frappierende Übereinstimmung festgestellt. … Notenschriftliche Transkriptionen einer mündlich überlieferten Musik sind differenziert zu betrachten. Die Analysemethoden der historischen Musikwissenschaft können zu Verzerrungen führen. Weder Jürgen Winter, noch Gary Moore sind von einer notierten Vorlage ausgegangen, noch haben sie die Melodie und Begleitung notenschriftlich fixiert ….

Die Komposition „Still got the Blues“ ist geprägt durch den Gesangsteil und das Instrumentalsolo, wobei der „Ohrwurm-Effekt“ des Titels insbesondere durch das Instrumentalsolo erzeugt wird. Ohne den Gesangsteil wäre jedoch die Komposition fragmentarisch. Er bildet die Grundlage, auf der das Solo sich erst entfalten kann. Aus der Kombination dieser beiden Elemente ist ein neues in sich homogenes Ganzes geschaffen. Ich kann hier nur noch einmal wiederholen, dass das E-Gitarrensolo aus „Nordach“ mit dem E-Gitarrensolo in „Still got the Blues“ völlig miteinander übereinstimmt“ (Gutachten vom 20. August 2003).

„Still got the Blues“ hat diese chromatischen Gleittöne nicht übernommen, sondern die diatonische Skala durch Synkopierungen in den triolischen Rhythmus überführt.“ (Gutachten vom)

In der Anhörung hat der Sachverständige ausgeführt:

„Natürlich sind die Kerntöne bei den drei hier diskutierten Stücken bzw. Stückteilen [Dana, Nordrach, Still got the Blues] identisch. Das ist die Basis und es kommt darauf an, wie das zum Ausdruck gebracht wird.

Es ist richtig, dass die Chromatik bei „Still got the Blues“ fehlt, es ist anders nämlich diatonisch. Genau in einer tonleitereigenen Diatonie. Dies ist aber ein Vergleich der Transskriptionen und ich habe schon ausgeführt, dass entscheidend die gespielte Interpretation auf dem Tonträger ist. Ich würde auch anders transskribieren. Auch dann würden keine identischen Notenbilder herauskommen.

Die Notenfolge mit dem Quartensprung am Anfang könnte Gary Moore auch bei Kenntnis nur von „Dana“ eingefallen sein. Dies ist kein Widerspruch zu meiner anfänglichen Aussage hinsichtlich der Möglichkeit, ob Gary Moore nur bei Kenntnis von „Dana“ zu „Still got the Blues“ hätte kommen können.

Meiner Auffassung nach kann man nicht von derartigen Details ausgehen, sondern es kommt auf den Gesamteindruck, den Höreindruck an. Auch wenn bei Gary Moore keine chromatischen Schritte vorhanden sind, ist doch der Höreindruck so ähnlich, dass ich glaube, dass er „Nordrach“ gekannt hatte.

Es sind Unterschiede vorhanden, aber die Ähnlichkeit ist so frappierend, dass ich nach wie vor den Eindruck habe, dass Gary Moore „Nordrach“ gekannt hatte, „Dana“ ist im 3-Viertel-Takt, die beiden anderen im 4-Viertel-Takt.

Auch ein Vergleich der Melodielinien – den ich eigentlich ablehne – zeigt eine frappierende Ähnlichkeit.

Ich sage nochmals, dass die Notation ohnehin dem nicht entspricht, was den Höreindruck hervorruft und auf dem Tonträger fixiert ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob es im Dreiviertel-, Vierviertel-, oder Sechsvierteltakt fixiert ist.

Auch diese Ausführungen sind nachvollziehbar und überzeugend. Sie decken sich wiederum mit dem Höreindruck der Kammer. Die oben als wesentlich bezeichneten eigenschöpferischen Elemente aus „Nordrach“ finden sich auch bei „Still got the Blues“ wieder; unter dem Gesichtspunkt der musikalischen Form, der Melodik, der Rhythmik, des Tempos, der Harmonik, der Instrumentierung und des Arrangements sind frappierende Übereinstimmungen zu hören. Die von den Beklagten notationstechnisch aufgezeigten Unterschiede sind angesichts des Höreindrucks als nicht bedeutsam zu bewerten. Deshalb teilt die Kammer auch die Ansicht der Beklagten, wonach „Hello“ und „Dana“ als Referenzmelodien für die Komposition von „Still got the Blues“ gedient hätten und es des Werkes „Nordrach“ also nicht bedurfte, um „Still got the Blues“ zu komponieren, nicht. Angesichts der Ähnlichkeit der Gitarrensoli von „Nordrach“ und „Still got the Blues“ hält die Kammer mit dem Sachverständigen die Wahrscheinlichkeit, dass dem Beklagten „Nordrach“ nicht bekannt war, für sehr gering, denn „Nordrach“ geht in seiner schöpferischen Eigentümlichkeit eben deutlich über die aus „Hello“, „Dana“ und all den anderen von den Beklagten angeführten Werken bekannten Grundmuster hinaus. Es ist deshalb letztlich nicht erheblich, ob der Beklagte zu 2) auf diese gemeinfreien Grundmuster zurückgegriffen hat. Die beklagtenseits als Referenzmelodien benannten Werke legen keinen anderer Geschehensablauf nahe.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass „The William and Caroline Suite“ bei „Still got the Blues“ Pate gestanden hat. Im unmittelbaren Hörvergleich erweist sich das Gitarrensolo insbesondere in Klang und Charakter schlicht als etwas anderes als das Gitarrensolo aus „Still got the Blues“. Eine Ähnlichkeit beider Gitarrensoli vermag die Kammer – trotz der von den Beklagten dazu vorgelegten Musikgutachten – nicht zu erkennen.

1. e. Es ist auch davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) „Nordrach“ bei Komposition von „Still got the Blues“ gekannt hat. Dafür spricht vor allem die klangliche Nähe beider Stücke zueinander, aber auch, dass es alles andere als ausgeschlossen ist, dass der Beklagte zu 2) seinerzeit einmal „Nordrach“ von gehört hat.

1. e. A. Die streitgegenständlichen Gitarrensoli in „Nordrach“ und „Still got the Blues“ stimmen klanglich frappierend überein.

Welche Anforderungen im Einzelfall zu stellen sind, um den Abstand zwischen zwei Werken zu ermitteln, hängt von der Gestaltungshöhe des als Vorlage benutzten Werks ab. Je auffallender die Eigenart des benutzten Werks ist, umso weniger werden dessen übernommene Eigenheiten in dem danach geschaffenen Werk verblassen. Umgekehrt gilt, dass ein Werk von geringer Eigenart eher in dem nachgeschaffenen Werk aufgeht als ein Werk besonderer Eigenprägung (vgl. BGH GRUR 1981, 267 (269) – Dirlada). Weitgehende Übereinstimmungen legen in der Regel die Annahme nahe, dass der Urheber des jüngeren Werks das ältere Werk benutzt hat (vgl. nur BGH NJW 1989, 387 – Ein bißchen Frieden).

Die Übereinstimmungen sind hier so deutlich, dass sie nach den Regeln des Anscheinsbeweises einen Rückschluß darauf zulassen, dass der Beklagte zu 2) das ältere Werk gekannt und bewußt oder unbewußt bei seinem Werk darauf zurückgegriffen hat.

Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt:

„Die Urheber der hier zur Debatte stehenden Kompositionen haben die entsprechenden Melodien niemals in schriftlicher Form veröffentlicht. Es ist auch davon auszugehen, dass ihre musikalische Praxis darauf beruht, musikalisches Repertoire ohne jegliche Hinzuziehung schriftlicher Notenfixierungen nur über das Gehör aufzunehmen und nachzuspielen. Bei der Frage der Identität dieser Melodien muss also von einer Analyse des Höreindruckes ausgegangen werden, während der Vergleich der Transkriptionen nur bedingt beweiskräftig ist.

Für die Wiedererkennbarkeit des Höreindruckes spielen die charakteristischen Gerüsttöne einer Melodie die ausschlaggebende Rolle und nicht die Durchgangstöne. Von daher ist die von Herrn S.… festgestellte Differenz von diatonischen und chromatischen Durchgangstönen zwischen der abfallenden Terz F-D hörpsychologisch unerheblich.

Wesentlich ist neben der charakteristischen Melodiestruktur und der Identität der Tonart (in beiden Fällen a-moll), die Frage der Identität von Sound, Tempo, Instrumentalgestus und Phrasierung. Diese musikalischen Parameter werden im Notenbild gar nicht wiedergegeben. Auch die Frage der Harmonisierung der Melodie muss grundsätzlich als Sekundärkomponente eingestuft werden. Hier wird die von Sauter festgestellte Variantenbildung (s. Gutachten Sauter S. 4) sicherlich überbewertet.

Das Melodiemodell selber weist eine Vielzahl von Parallelen zum Repertoire sentimentaler Liebeslieder auf. Dazu gehört vor allem der initiale Sextsprung (al-f2) der hier in der Instrumentalversion gitarristisch mit den Durchgangstönen d2 und e2 ausgefüllt wird. Dieser Sextsprung bildet den Kern des Ohrwurmcharakters dieser Melodie und ist an für sich urheberrechtlich nicht als schutzfähig einzuschätzen, denn er ist in Volksliedern wie „Es waren zwei Königskinder“, „In einem kühlen Grunde“ oder dem klassischen Kunstlied „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“ (Schubert), „Ich liebe dich so wie du mich“ (Beethoven) und Schlagern wie „Ramona, zum Abschied reiche ich dir die Hand“ oder „Ich weiß es wird einmal ein Wunder gescheh'n“ universell verbreitet3. Die Frage ist, ob es sich um eine wiedererkennbare Melodie handelt, denn auch wenn „Ramona“ oder „Ich weiß es wird ein Wunder gescheh'n“ sich derselben strukturellen Melodieelemente bedienen, wird man sie nicht miteinander verwechseln können. Vergleicht man jedoch unter diesen Kriterien die Melodiesequenz von Winter und Moore, dann hört man hier Identitäten. Diese Identitäten würde gerade auch der durchschnittliche Laienhörer hören und sie keinesfalls mit dem Schlager „Ramona“ verwechseln, was sicherlich mit einem empirischen Hörervergleich bestätigt werden könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein so hoher Übereinstimmungsgrad zwischen zwei Melodien auf Zufall beruht, muss als sehr gering eingeschätzt werden, denn die Übereinstimmung bezieht sich nicht nur auf die Melodieführung, sondern auch auf die Tonart, auf den instrumentalen Habitus der Gitarre, Phrasierung, Tempo usw. Die Differenzen sind leicht erklärbar aus dem Vorgang einer nach dem Gehör nachgespielten Melodie. Diese Nachbildungsvarianten sind weltweit in der Geschichte der Popularmusik bekannt, da, wie oben geschildert, traditionell die Mehrzahl jugendlicher Musikgruppen eine große Übung darin hatte, bekannte Rockmusikkompositionen nach dem Gehör nachzuspielen (vergleiche die Coverversionen der Rolling Stones von Chuck-Berry- und Muddy-Waters Titeln).

Die zur Debatte stehende Melodie ist in sich so einfach gestrickt und folgt einem gängigen Muster, dass sie auch nach einmaligem Hören sofort im Gedächtnis gespeichert und insbesondere von einem Rockgitarristen sofort nachgespielt werden kann. Tonart und der geschickte Gebrauch von leeren Gitarrensaiten lässt eine solche Imitation für jeden Profi zum Kinderspiel werden. Dabei ist es gerade diese Simplizität und der hohe Wiedererkennbarkeitsgrad, der in Sekunden vom Kurzzeitgedächtnis gespeichert und durch die vielen Wiederholungen der gleichen Phrasen nach einmaligem Durchhören gefestigt wird, der die Popularität der Melodie und ihren durchschlagenden Erfolg bei breiten Publikumsschichten ausmacht. …

Dabei bleibt aber die Frage der bewussten Entlehnung offen. Melodien, die auf einem einfachen Sequenzierungsmodell beruhen (vergleiche „Strangers in the Night“) verleiten zu der Annahme, dass jedermann sie erfinden könne. Dies ist aber meistens nicht der Fall. Auch in dem hier vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass es einen eindeutigen Urheber gibt, der im Kontext einer improvisatorischen Aktion spontan eine Melodiesequenz erfand. Der kommerzielle Erfolg wurde aber erst durch einen neuen Werkzusammenhang möglich. Gary Moore mag diese Melodiesequenz als eine von Hunderten in seinem Unterbewusstsein gespeichert haben. Er hat sie dann in einem neuen Kontext wiederverwendet. Ob er sich dieser Entlehnung bewusst war, wird schwer zu beweisen sein. … (Hauptgutachfen)

Meine Ausführungen erforderten eine differenzierte Stellungnahme, da es bei der Übernahme mündlich überlieferter Musik keine Möglichkeit der Beweisführung für „gekannt, bewusst oder „unbewusst“ gibt. Dies ist in der Popularmusikforschung ein wohlbekanntes Phänomen. Im Gedächtnis eines Pop-Musikers, der professionell tätig ist, ist meist ein beträchtliches Repertoire von Melodien und Melodieversatzstücke gespeichert. Diese bieten ihm die Grundlage, bei der Improvisation oder Komposition neuer Werke. Da er über keine schriftlichen Aufzeichnungen verfügt, vermischt sich Eigenes mit Bekanntem. Erst seit der Tonaufzeichnung lassen sich diese kreativen Prozesse empirisch teilweise nachvollziehen.

Im Falle der Gitarrensoli von „Nordach“ und „Still got the Blues“ sind die Übereinstimmungen so frappierend, dass die Vermutung, Gary Moore habe „Nordach“ gekannt und das Gitarrensolo nach dem Gehör nachgespielt, nicht ausgeschlossen werden kann. (Gutachten 20.8.)

In der Anhörung hat der Sachverständige erklärt:

„Die Schutzfähigkeit bei der Sequenz aus Nordrach entsteht nicht durch die Elemente, sondern durch die Art und Weise der Kombination. Deshalb glaube ich nicht, dass der Streitverkündete auch bei unterstellter Kenntnis von „Dana“ ohne Kenntnis von „Nordrach“ zu „Still got the Blues“ hätte kommen können. Meine Einschätzung gründet auf dem Höreindruck und dem Vergleich mit anderen Kombinationen. Eine ähnliche Kombination ist mir noch nicht begegnet. Entscheidend sind Harmonik, Melodik und Rhythmik und hier bestehen besondere Übereinstimmungen. In der Harmoniefolge und in der Baßstimme besteht eine Übereinstimmung zwischen allen dreien, nicht aber in der Melodie. Entscheidend ist, wie die Melodie von der Gitarre gespielt wird mit agogischen Verzierungen, Umspielungen, Klangfärbungen bei der Rock- u. Popmusik. Wie beim Jazz ist im Grunde die Interpretation das Schutzfähige im Gegensatz zur klassischen Musik. Derartiges ist nicht notierbar, so dass die Transskriptionen im dem Bereich der Musik kein vollständiges Bild der Musik wiedergeben. Bei einer entsprechenden Wiedergabe muss der neue Interpret den alten gehört haben.

Die Kammer hält auch diese sachverständigen Ausführungen für nachvollziehbar und richtig, zumal auch der zur Gedächtnisleistung befragte Sachverständige Prof. Dr. Altenmüller, ebenfalls Musikwissenschaftler, hat dies in seiner mündlichen Anhörung bestätigt:

„Ich glaube, dass „Still got the Blues“ in dieser Form nicht geschaffen worden wäre ohne Nordrach. Die Tonfolge an sich ist in beiden Werken, Nordrach und „Still got the Blues“, banal, es ist die Art und Weise, wie er das Stück spielt, die so besonders ist.“

1. e. B. Die Kammer kann auch nicht davon ausgehen, dass der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo aus „Nordrach“ nicht kannte.

Schon wegen der eingangs beschriebenen besonderen Umstände („Nordrach“ war lediglich auf diversen Live-Konzerten auf dem europäischen Festland und jedenfalls einmal im deutschen Rundfunk zu hören, wurde aber seinerzeit nicht auf Tonträgern verbreitet; der Beklagte zu 2) ist Brite), aber auch aufgrund des Vertrags der Beklagten, war es veranlasst, soweit möglich aufzuklären, ob der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo aus „Nordrach“ überhaupt kennen konnte, als er „Still got the Blues“ komponierte. Beweisbelastet waren insoweit die Beklagten, da angesichts der klanglichen Übereinstimmungen der beiden Gitarrensoli entsprechend der Rechtsprechung der Anschein dafür spricht, dass der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo aus Nordrach kannte. Dabei ging die Kammer davon aus, dass diese Frage nach über dreißig Jahren kaum mehr sicher zu klären ist. Sie hat die Parteien deshalb darauf hingewiesen, dass bei dem von den Beklagten zu erbringenden Negativbeweis die Anforderungen an die Beweisführung – insbesondere mit Blick auf die verstrichene Zeit – nicht überspannt werden dürfen; der Beklagte zu 2) brauchte also nicht etwa von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten einer Kenntniserlangung auszuschließen. Die Kammer war dementsprechend geneigt, hier großzügig zu verfahren.

Trotzdem ist es den Beklagten nicht gelungen, die Kammer davon zu überzeugen, dass der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo aus „Nordrach“ nicht kannte. Im Gegenteil: Im Beweistermin ist offenbar geworden, dass der Beklagte zu 2) und die von ihm benannten Zeugen in einer für die Kammer ungekannten und beispiellosen Weise versucht haben, das Gericht zu täuschen.

Die Zeugen … haben dem Gericht – ohne dass sie dazu durch das Gericht aufgefordert worden wären – jeweils schriftliche Mitteilungen zum Aufenthalt des Beklagten zu 2) in den Jahren 1974/1975 in Deutschland zukommen lassen (Anlagen S 17, 18, 19). Diese Schreiben erwecken aufgrund der Orts- und Datumsangaben den Eindruck, als ob sie unabhängig voneinander gefertigt worden seien.

Der Zeuge … hat dem Gericht erklärt, die von ihm bei Gericht eingereichte Anlage S 18 habe er nicht gemeinsam mit dem Zeugen … niedergelegt. Auf den Vorhalt des Gerichts, dass doch schon von der Schrifttype her zur vom Zeugen … verfassten Anlage S 19 Ähnlichkeiten bestehen, blieb der Zeuge … dabei, dass man das nicht zusammen geschrieben habe. Mit dem Beklagten zu 2) habe er nach 2003 keinen Kontakt gehabt. Der Zeuge hat das Gericht dann ein drittes Mal angelogen, als er sagte, es stimme schon, dass man sich am Telefon kurzgeschlossen habe, der Herr …, der Herr und er. Aber niedergelegt habe er das allein. Erst nachdem die Kammer den Zeugen nochmals eindringlich ermahnt hat, die Wahrheit zu sagen und deshalb sogar die Sitzung unterbrochen hat, hat der Zeuge seine bisherige Aussage wir folgt berichtigt: Der Beklagte zu 2) hat mich vor dem 6. Mai 2005 angerufen. Der Beklagte zu 2), Herr … Herr … und ich haben uns zusammengesetzt und haben überlegt, wie es damals war und dann diese Erklärungen geschrieben.

Einem solchen Zeugen ist nichts zu glauben.

Es ist aber nicht etwa so, dass es die alleinige Idee des Zeugen … war, das Gericht zu täuschen. Die von den Zeugen … schon vor dem Beweistermin vorgelegten Erklärungen (S 17, 18, 19) weisen unterschiedliche Orts- und Datumsangaben auf – auf dass das Gericht glaube, jeder der drei habe sich ganz selbstständig und unabhängig (und selbstverständlich nur der Wahrheit verpflichtet, wie der Zeuge … in der Anhörung glaubte sagen zu dürfen) hingesetzt, um dem Gericht mitzuteilen, wo der Beklagte zu 2) sich damals aufgehalten hat.

Tatsächlich hat der Beklagte zu 2) sich mit den fraglichen Zeugen getroffen. Zusammen hat man sich dann besprochen. Das Gericht wollte man über diese Kooperation nicht nur durch die Anlagen S 17, 18 und 19 täuschen. Diese Täuschung sollte selbstverständlich auch im Rahmen einer möglichen Anhörung als Zeugen vor Gericht aufrecht erhalten werden. Und zwar von allen Zeugen, nicht nur vom Zeugen …, der das Pech hatte als erster aussagen zu müssen und dabei aufzufliegen. Es wäre angesichts des Vorspiels zu diesem Schwindel völlig lebensfremd, anzunehmen, dass der Zeuge … dem Gericht diese Lüge auftischen wollte, während die beiden anderen Zeugen dann im Widerspruch dazu die Wahrheit hätten sagen wollen, so dass keinem der Zeugen zu glauben ist.

Ohne dass es darauf noch ankäme – aber der Vollständigkeit halber – sei darauf hingewiesen, dass sich aus den Aussagen des Zeugen … ergibt, dass der Beklagte zu 2) von Frühjahr bis Spätsommer 1974 in … war und man am Wochenende auch mal mit dem Beklagten zu 2) im Club … war, der für Musiker ein zentraler Punkt war; da dort viele Livebands spielten – und wo man deshalb öfter hinging. Auch der Zeuge … hat bestätigt, dass der Beklagte zu 2) im Jahr 1974 in … war und man regelmäßig in diesem gewesen sei.

Es ist also nach allem alles andere als ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2) seinerzeit „Nordrach“ von … gehört hat.

1. f. Das Gitarrensolo aus „Still got the Blues“ ist auch keine Doppelschöpfung

Den Beklagten ist weder der Nachweis dafür gelungen, dass der Beklagte zu 2) „Nordrach“ nicht gekannt hat, noch der Nachweis dafür, dass es unmöglich ist, dass sich der Beklagte zu 2) bei der Komposition von „Still Got the Blues“ von einem 16 Jahre zurückliegenden Höreindruck hat leiten lassen, da eine Speicherung im Langzeitgedächtnis über sechzehn Jahre nicht aufgrund eines ephemeren Live-Höreindrucks stattgefunden haben kann.

1. f. A. Die Beklagten konnten – wie oben gezeigt – nicht nachweisen, dass der Beklagte zu 2) das Gitarrensolo aus „Nordrach“ nicht kannte

1. f. B. Auch den Nachweis dafür, dass es unmöglich ist, dass sich der Beklagte zu 2) bei der Komposition von „Still got the Blues“ von einem 16 Jahre zurückliegenden Höreindruck hat leiten lassen, da eine Speicherung im Langzeitgedächtnis über sechzehn Jahre nicht aufgrund eines ephemeren Live-Höreindrucks stattgefunden haben kann, haben die Beklagten nicht erbracht.

Die Kammer hat zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieses Gutachten hat – als einer der wenigen, die hierzu aufgrund ihrer Vita als Wissenschaftler überhaupt in der Lage sind – … erstattet. Der Sachverständige ist Arzt für Neurologie und Direktor des Instituts für Musikphysiologie an der Hochschule für Musik und Theater

Die Kammer hat keinen Anlaß, mit Blick auf die Beweisfrage die Sachkunde des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige befasst sich seit 1997 mit durch Musik ausgelösten Emotionen, seit 2000 mit dem Gänsehauteffekt und seit 2004 mit dem Einfluss von Emotionen auf die musikalische Gedächtnisbildung einschließlich des Langzeitgedächtnisses. Zu diesen Themen hat er auch veröffentlicht und Promotionen betreut. Seit 1994 befasst er sich mit den Hirngrundlagen der Musikwahrnehmung. Die von ihm vorgenommenen Untersuchungen zur Musikrezeption betrafen nach seiner Auskunft – an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen – einen Zeitraum von 14 Tagen und damit das Langzeitgedächtnis (in der neurogeologischen Definition spricht man ab einer Spanne von drei Tagen ebenso wie bei einem Zeitraum – wie hier – von 16 Jahren vom Langzeitgedächtnis). … geht in seinem ausführlichen, kundigen und ebenso nachvollziehbaren wie überzeugend begründeten Gutachten davon aus, dass der Beklagte zu 2) die fragliche Passage im Langzeitgedächtnis speichern konnte und sich bei der Komposition „Still got the blues“ von diesem 16 Jahre zurückliegenden Höreindruck aus „Nordrach“ hat leiten lassen. Der Sachverständige hat allerdings schon eingangs seines Erstgutachtens darauf hingewiesen, dass die ihm gestellte Frage

„… möglicherweise aus grundsätzlichen Erwägungen und aus Mangel an substantieller wissenschaftlicher Erforschung der Gedächtnisleistungen von Berufsmusikern nicht endgültig zu klären“ … ist.

Der Sachverständige ist davon ausgegangen, dass nach heutigem Wissen folgende Faktoren für die Einspeicherung von Musik in das Langzeitgedächtnis maßgeblich sind:

Musikalische Expertise: Berufsmusiker sind eher in der Lage, Musikstücke zu behalten als musikalische Laien

Musikalische Lernweise: Musiker, die das „Abhören“ von Musikstücken erlernt haben, haben diese Form der Gedächtnisbildung geübt. Es gelingt ihnen präziser, musikalische Werke im Langzeitgedächtnis zu behalten.

Musikalische Vertrautheit: Musik, die als melodisch, vertraut, wenig komplex und angenehm empfunden wird, eher im Langzeitgedächtnis behalten. Redundanz und Sequenzierung unterstützen die Gedächtnisbildung ….

Wiederholtes Hören: Häufige Wiederholung der gehörten Musikstücke unterstützen die Gedächtnisbildung ….

Strukturmerkmale: Alle Strukturmerkmale können zur Gedächtnisbildung beitragen. Besonders wichtig sind sogenannte „Pop-Outs“, das heisst ungewöhnliche und überraschende Wendungen. Dazu gehören plötzliche Akzente, ungewöhnliche Klangfarben, aber auch getäuschte Erwartung

Biographische und emotionale Beteiligung

Emotionale Bewertung

Auf den zur Begutachtung stehenden Sachverhalt angewandt hat der Sachverständige fünf dieser Faktoren mit ausführlicher Begründung als erfüllt angesehen. Lediglich die Punkte „Wiederholtes Hören“ und „Biographische und emotionale Beteiligung“, hinsichtlich derer der Sachverständige keine tatsächlichen Kenntnisse haben konnte, hat er verneint.

Dabei hat der Sachverständige auch die Privatgutachten von und … – insbesondere die sich aus dem Gutachten … ergebenden Zweifel an einer solchen Gedächtnisbildung – berücksichtigt.

Entscheidend ist letztlich, dass der Sachverständige – und dies in wissenschaftlichem Einvernehmen mit dem Privatgutachter … – in seiner mündlichen Anhörung nochmals erklärt hat, dass keine systematischen, wissenschaftlich fundierten Studien mit professionellen Musikern zur Frage der Bildung, Zuverlässigkeit und Stabilität des musikalischen Langzeitgedächtnisses existieren. In seiner mündlichen Anhörung hat er noch einmal betont, dass es

„… weltweit niemanden gibt, der die hier gestellte Frage aufgrund von wissenschaftlichen Studien oder entsprechenden eigenen Forschungen beantworten könnte. Es gibt keinen Gedächtnispsychologen, der diese Frage bearbeitet hat.

Auch Herr C.… hat zu dieser speziellen Frage nicht publiziert, obwohl er ein Gedächtnispsychologe von Weltruf ist.“

Damit steht für die Kammer fest, dass die Beklagten den Nachweis dafür, dass es unmöglich ist, dass sich der Beklagte zu 2) bei der Komposition von „Still Got the Blues“ von einem 16 Jahre zurückliegenden Höreindruck hat leiten lassen, da eine Speicherung im Langzeitgedächtnis über sechzehn Jahre nicht aufgrund eines ephemeren Live-Höreindrucks stattgefunden haben kann, nicht erbringen kann. Es gibt insofern keine wissenschaftlichen Fakten, sondern nur die Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung. Eine solche hat der gerichtliche Sachverständige in überzeugender Manier geliefert.

1. g. Für die Entscheidung ist allerdings davon auszugehen, dass die Übernahme des Gitarrensolos aus „Nordrach“ unbewusst erfolgte. Die Kammer hat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 2) bei seinem Schaffen bewußt auf „Nordrach“ zurückgegriffen hat. Für das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung ist das allerdings unerheblich. Schadensersatzansprüche, die zumindest fahrlässiges Handeln voraussetzen, sind aber solange ausgeschlossen, als nicht von einer Kenntnis oder einem Kennenmüssen der Verletzung auszugehen ist. Eine bloß unbewusste Übernahme ist aber nicht als fahrlässiges Handeln zu qualifizieren. Fahrlässiges Handeln ist den Beklagten daher erst seit dem 30. Mai 2000 – also der Inkenntnissetzung durch den Kläger – vorzuwerfen (Eingang des klägerischen Einschreibens bei der Beklagten zu 1) laut Rückschein). Seitdem ist es auch zu neuen Verwertungshandlungen gekommen.

1. h. Der auch gegenüber der Beklagten zu 1) bestehende Bereicherungsanspruch – und damit der diesen vorbereitende Auskunftsanspruch – ist auch nicht wegen Entreicherung ausgeschlossen.

Die Beklagte zu 1) ist nicht durch ihre Zahlungen an die … entreichert. Abgegolten ist damit nämlich – solange der Kläger nicht als an „Still got the Blues“ beteiligter Komponist bei der … angemeldet ist – lediglich die Einräumung der Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte des Beklagten zu 2) an dem Song. Daneben bestehende Ansprüche des Klägers aus der Nutzung des Werkes sind damit aber nicht erfüllt. Eine Entreicherung tritt aber nicht ein, wenn lediglich einer von zwei selbständig anspruchsberechtigten Gläubigern befriedigt wird, jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – zwei verschiedene Rechtspersonen (die … und der Kläger) die Rechte und die daraus resultierenden Ansprüche wahrnehmen.

1. i. Die Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche sind auch nicht verjährt oder verwirkt. Die Beklagten haben nicht nachgewiesen, dass der Kläger bereits in verjährter Zeit Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung hatte.

Die Kammer teilt zwar die Verwunderung der Beklagten darüber, dass der Kläger nicht bemerkt haben will, das mit dem Anfang der 1990er Jahre veröffentlichten Welterfolg von „Still got the Blues“ seine Urheberrechte verletzt wurden – er also entweder „Still got the Blues“ nicht gehört oder „Nordrach“ vergessen hatte.

Es ist aber auch nicht so, dass dies auszuschließen ist, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen … kann der entsprechende Vortrag des Klägers mit dem bekannten Phänomen erklärt werden, dass man seine eigenen Werke vergisst, diese also im Gedächtnis „überschrieben“ werden (sog. Interferenz); dies gelte – so der Sachverständige – auch dann, wenn sich der Künstler intensiv mit dem Werk befasst hat (Probe, Aufführung etc.).

Die Kammer kann in diesem Zusammenhang auch nachvollziehen, dass es den Beklagten nicht eingeht, dass der Beklagte zu 2) einen einmaligen Höreindruck sechzehn Jahre lang im Gedächtnis behalten haben soll, während beim Kläger davon ausgegangen wird, dass er sein eigenes, ungezählte Male gehörtes Stück derart vergessen haben soll, dass nicht einmal der Welthit „Still got the Blues“ ihm dies wieder in Erinnerung rief. Während der Vortrag des Klägers aber – und hier liegt rechtlich der Unterschied – schon wegen der Erläuterungen des Sachverständigen nicht widerlegt werden kann, begründet die frappierende klangliche Nähe der beiden streitgegenständlichen Gitarrensoli einen Anscheinsbeweis dafür, dass der Beklagte zu 2) „Nordrach“ kannte. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass der Kläger nach seinem Vortrag bis zum Jahr 2000 selbst keine Aufnahme von „Nordrach“ hatte und dieses Stück – nachdem sich „Jud's Gallery“ aufgelöst hatte – lange nicht gespielt und gehört hat.

2. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche bestehen – wie oben dargelegt – erst ab dem 30. Mai 2000, also seit von fahrlässigem Handeln der Beklagten auszugehen ist.

IV.

Der Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2) auf Nennung als Mitkomponist ergibt sich aus der Übernahme des streitgegenständlichen, urheberrechtlich geschützten Werkes in das bei der … angemeldete Werk „Still got the Blues“. Da allein die … die Werke der Komponisten und Textdichter wahrnimmt und über Leistungsschutzrechte nicht gestritten wurde, besteht der Anspruch nur in der tenorierten Fassung.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Unterschriften

Syndicate content